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    Donnerstag, 18. Januar 2024, 15:08

    Hinrich Wilhelm Kopf - Gründervater Niedersachsens oder Kriegsverbrecher ?

    Hinrich Wilhelm Kopf galt als einer der Mitbegründer des Bundeslandes Niedersachsen und war gleichzeitig sein erster Ministerpräsident. Geboren wurde er am 6. Mai 1893 in Neuenkirchen bei Cuxhaven. Als Sechzehnjähriger brach er die Schule ab und wanderte in das damals prosperierende New Jersey aus, um dort als Hilfsarbeiter tätig zu sein. Nach nur neun Monaten in den Vereinigten Staaten kehrte er jedoch bereits wieder nach Deutschland zurück und setzte seinen Schulbesuch fort. Nach dem Abitur und einer Lehrausbildung in einem landwirtschaftlichen Betrieb absolvierte Kopf schließlich ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Marburg und Göttingen. Zweimal mußte er sein Studium unterbrechen, da er in den Jahren 1914/15 und dann wieder 1917 zum Kriegseinsatz einberufen wurde. Im Jahre 1919 trat der damals Sechsundzwanzigjährige in die Sozialdemokratische Partei ein. Ein erstes politisches Amt nahm Kopf als persönlicher Referent des Reichsminister des Innern, Eduard David, wahr. Ab 1923 zog es den Sozialdemokraten auf ein neues Feld, als er fünf Jahre lang im Bank- und Versicherungswesen tätig wurde, bevor er sich als gewählter Landrat in seiner Heimatregion Hadeln wieder der Politik zuwandte.
    Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 verlor Kopf seine Anstellung im öffentlichen Dienst im schlesischen Regierungsbezirk Oppeln, die er erst ein Jahr zuvor angetreten hatte. Während der darauffolgenden Jahre blieb der Sozialdemokrat zwangsläufig der Politik fern und bestritt seinen Lebensunterhalt als Kaufmann und Landwirt.
    Im Jahre 1939 übernahm Kopf einen Posten als staatlicher Vermögensverwalter im besetzten Polen. Zwischen 1940 und 1943 war er für die Haupttreuhandstelle Ost Treuhänder konfiszierter polnischer und jüdischer Güter und sogenannter Enteignungskommissar. In diese Zeit fiel auch die Hochzeit mit Ehefrau Josefine, einer ehemaligen Sekretärin von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, die ihn im Jahre 1947 wieder verließ.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Kopf noch im Jahre 1945 von der Britischen Militäradministration zum Oberpräsidenten der Provinz Hannover ernannt und beteiligte sich am Gründungsprozeß des neuen Bundeslandes Niedersachsen, dessen erster Ministerpräsident er am 1. November 1946 wurde. Zusammen mit Adolf Grimme und Fritz Sänger war er maßgeblich an der Ausarbeitung der Landesverfassung beteiligt, die 1951 verabschiedet wurde. Zwar stand Hinrich Wilhelm Kopf vor allem auf Betreiben polnischer Stellen seit Ende 1947 auf der Liste der alliierten Kriegsverbrecherkommission. Doch sein Fall wurde von britischer Seite nicht näher untersucht, stattdessen wurde sein Name wieder von dieser Liste gestrichen. Daraufhin ersuchte Polen im Jahre 1948 bei der britischen Kontrollkommission die Auslieferung Kopfs, was ein Militärgericht jedoch ablehnte.
    Im Anschluß stand Kopfs politischer Nachkriegskarriere nichts mehr im Wege. Zwei Amtszeiten lang führte der SPD- Politiker, der als überaus volksnah und bodenständig galt, das neugegründete Land Niedersachsen aus dem Chaos der Nachkriegszeit in eine stabile Zukunft. Wie bereits so oft, war es im Anschluß wieder Zeit für Veränderungen in seinem Leben, als er der Politik den Rücken kehrte und Aufsichtsratmitglied des Hüttenwerkes Peine wurde. Als niedersächsischer Innenminister erschien er im Jahre 1957 noch einmal auf der politischen Bühne, die er nun bis zu seinem Tod nicht mehr verließ. Ab 1959 übernahm Kopf erneut das Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten. Er verstarb am 21. Dezember 1961 in Göttingen.
    Bis weit nach der Jahrtausendwende galt Hinrich Wilhelm Kopf als hervorragender Landespolitiker der damals noch jungen Bundesrepublik. 2013 erschien dann eine Doktorarbeit der Historikerin Teresa Nentwig, in der diese zu dem Ergebnis kam, daß Kopf zwar kein Mitglied der NSDAP gewesen sei, aber die Rolle "eines dieser vielen kleinen Rädchen im Getriebe der NS- Maschinerie" ausgefüllt hätte. So sei Kopf als Mitarbeiter einer Behörde an der Verwertung des Vermögens von enteigneten Juden in Polen beteiligt gewesen. Hinrich Wilhelm Kopf hatte die Verstrickung in nationalsozialistische Verbrechen hingegen zu Lebzeiten vehement bestritten.
    Als Folge der äußerst umstrittenen Dissertation von Teresa Nentwig wurde 2015 der Hinrich Wilhelm Kopf- Platz vor dem niedersächsischen Landtag in Hannah Arendt- Platz umbenannt. Auch diverse Schulen legten in den darauffolgenden Jahren den Namen ab, und Straßen wurden umbenannt. Viele Historiker empfehlen dagegen, mit Kopfs Andenken differenzierter umzugehen, Straßennamen angesichts seiner Verdienste beizubehalten und nur durch einen Zusatz auf seine umstrittene Vergangenheit in der Zeit des Dritten Reichs hinzuweisen.
    Hinrich Wilhelm Kopfs Grab auf dem Stöckener Stadtfriedhof bleibt lobenswerterweise erhalten, wird aber nicht weiterhin, wie sonst für Ehrengräber üblich, von der Stadt Hannover geschmückt.

    www.youtube.com/watch?v=dYrgphuPHrU