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    Donnerstag, 7. Dezember 2023, 14:36

    Vor 50 Jahren: die erste Ölkrise von 1973 und ihre Folgen

    Nein, aus eigenem Erleben kann ich nicht bestätigen, daß uns gegen Ende des Jahres 1973 die "Ölscheichs den Hahn zugedreht" hätten, wie Nachgeborene ohne fundiertes Hintergrundwissen heute oft behaupten. Allerdings war die Zeit des billigen Treibstoffs für den deutschen Kraftfahrer in der Endphase der Hochkonjunktur weitgehend Geschichte. Wir halbwüchsige Bengels (ich war damals 16) haben damals ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, an den autofreien Sonntagen die Autobahn mit dem Fahrrad zu erkunden, haben es aber letztendlich doch gelassen, vermutlich aufgrund des Wetters und aufgrund der angekündigten "polizeilichen Kontrollmaßnahmen". ;)
    Wie war es nun aber vor fünfzig Jahren wirklich ? Im Herbst 1973 drosselten die arabischen Ölstaaten die Förderung und verhängten ein Embargo, so daß der Ölpreis um das vierfache stieg. Die Bundesrepublik Deutschland, ohnehin bereits mitten in der Schlußphase ihrer langanhaltenden Hochkonjunktur, war plötzlich als von Rohstofflieferungen abhängiges Land in ihrem Lebensnerv getroffen. Am 25. November 1973 und weiteren drei Sonntagen gehörten daraufhin die Straßen der Bundesrepublik den Fußgängern und Radfahrern. Die Autos hatten mit wenigen Ausnahmen weitgehend in den Garagen zu bleiben, denn es wurde ein allgemeines Fahrverbot verhängt. Zwar nahm der Großteil der damaligen Bevölkerung die Zwangspause äußerlich gelassen hin, doch bei manchem passionierten Kraftfahrer machte sich ein Gefühl des Unbehagens breit, nachdem doch in den 50er und 60er Jahren der Individualverkehr noch überaus lautstark propagiert und gefördert worden war, z.B. durch den Bau zahlreicher neuer Straßen und Autobahnen und die Umwandlung vieler Innenstädte in autogerechte Zonen.
    Was war geschehen ? Ägypten und Syrien, die bereits seit Monaten die Rückeroberung der 1967 von Israel besetzten Gebiete planten, griffen am 6. Oktober 1973, dem Feiertag Jom Kippur, Israel an. Die arabischen Verbündeten brachten die israelische Armee an den Rand einer Niederlage, doch dank amerikanischer Waffenlieferungen wurden die Angreifer zurückgeschlagen. Auf Drängen der USA, der Sowjetunion und der UNO wurde Ende Oktober 1973 ein Waffenstillstand vereinbart. Die in der OAPEC (Organization of Arabian Petroleum Exporting Countries) organisierten Ölförderländer reagierten darauf empört und warfen den westlichen Industrienationen eine einseitige Parteinahme zugunsten Israels vor. Beschlossen wurde, das Öl als Waffe im Kampf für die Sache der Palästinenser einzusetzen. Am 17. Oktober 1973 einigten sich die arabischen Förderstaaten darauf, einen begrenzten Lieferboykott zu verhängen und die Produktion monatlich um fünf Prozent zu drosseln. Schon tags zuvor hatte man sich darauf geeinigt, den Listenpreis für das begehrte Rohöl der Sorte "Arabian Light" um geschlagene siebzig Prozent zu erhöhen. Die übrigen Mitglieder der OPEC, die bereits seit Monaten mit den großen Ölkonzernen über Preiserhöhungen verhandelt hatten, schlossen sich dieser Entscheidung an, so daß auf den westlichen Ölmärkten Panikkäufe die Folge waren, verbunden mit drastischen Preissteigerungen.
    Der Zeitpunkt für den Einsatz der "Ölwaffe" war gut gewählt, denn in der nördlichen Hemisphäre stand der Winter vor der Tür. Wirtschaftsminister Hans Friderichs setzte zunächst auf Beschwichtigungen und erklärte vor der Presse, daß die deutschen Ölvorräte für mindestens ein halbes Jahr reichen würden. Dennoch wurde Heizöl und Benzin schnell teurer. Nach ersten Sparmaßnahmen für Bundesbehörden , die nur geringen Erfolg zeitigten, entschied sich die Bundesregierung für eine gezieltere Symbolpolitik, um ihren Bürgern den Ernst der Situation deutlicher vor Augen zu führen. Anfang November 1973 peitschte Bundeskanzler Willy Brandt im Eilverfahren das Energiesicherungsgesetz durch den Bundestag, auf dessen Grundlage vier Sonntagsfahrverbote erlassen wurden und die vorläufige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen auf 100 km/h und auf Landstraßen auf 80 km/h festgelegt wurde. Die bundesdeutsche Bevölkerung reagierte auf die damaligen Maßnahmen erstaunlich gelassen, was vielleicht auch dem damaligen Zeitgeist geschuldet war. Während auf den Straßen und Autobahnen gähnende Leere herrschte, unternahmen viele Familien Spaziergänge, um sich das ungewohnte Szenario anzuschauen, fuhren mit dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Wie sich bei späteren Untersuchungen zeigen sollte, waren die tatsächlichen Einsparungen durch die vier Sonntagsfahrverbote und die Geschwindigkeitslimits eher gering.
    Zum Jahresende 1973 entspannte sich die Lage im Nahen Osten wieder. Der amerikanische Außenminister Henry Kissinger begab sich auf eine Vermittlungsmission, und Ende 1973 beschlossen die OAPEC- Staaten, die Ölproduktion wieder zu steigern, hielten jedoch gleichzeitig an ihren drastischen Preiserhöhungen für Rohöl fest, womit die bereits schwächelnde Hochkonjunktur der westlichen Industriestaaten endgültig ihr Ende fand. In Deutschland entfielen die bereits für Januar 1974 geplanten weiteren Fahrverbote, und auch die Tempolimits wurden im März 1974 wieder aufgehoben. Dennoch litt die deutsche Wirtschaft an den Folgen der Ölkrise, der PKW- Verkauf brach drastisch ein, und die Autobauer mußten ihren Belegschaften Kurzarbeit verordnen. Ähnlich finster sah es plötzlich bei den Baustoffproduzenten, in der chemischen Industrie und bei der Eisen- und Stahlherstellung aus. Waren 1973 lediglich 273.000 Arbeitslose registriert, überschritt diese Zahl im Jahre 1975 bereits die Millionengrenze, so daß die Bundesregierung einen Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte verhängte. Auch das politische Klima begann sich zu verändern, die Spannungen zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften nahmen zu. Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts betrug die durchschnittliche bundesdeutsche Rate des Wirtschaftswachstums nur noch ca. 1,9 Prozent, während die Arbeitslosenzahlen auf bis über zehn Prozent stiegen. Vor der ersten Ölkrise lagen die durchschnittlichen Steigerungsraten des BSP dagegen noch um acht Prozent, und die Arbeitslosenrate war zeitweise praktisch vernachlässigbar.

    www.youtube.com/watch?v=_UaGbwh7f7s

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    Montag, 11. Dezember 2023, 16:56

    RE: Vor 50 Jahren: die erste Ölkrise von 1973 und ihre Folgen

    Wir erleben gerade hier in Massachusetts ein seltenes Tief: der regular gallon Preis liegt nun bei $ 2,95 an den beiden billigen Tagen Montag und Mittwoch in unserer Tankstelle. Im Sommer lag er noch bei $ 3.60 pro Gallone. Eine Gallone entspricht etwa 3,5 Litern.
    Nein, aus eigenem Erleben kann ich nicht bestätigen, daß uns gegen Ende des Jahres 1973 die "Ölscheichs den Hahn zugedreht" hätten, wie Nachgeborene ohne fundiertes Hintergrundwissen heute oft behaupten. Allerdings war die Zeit des billigen Treibstoffs für den deutschen Kraftfahrer in der Endphase der Hochkonjunktur weitgehend Geschichte. Wir halbwüchsige Bengels (ich war damals 16) haben damals ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, an den autofreien Sonntagen die Autobahn mit dem Fahrrad zu erkunden, haben es aber letztendlich doch gelassen, vermutlich aufgrund des Wetters und aufgrund der angekündigten "polizeilichen Kontrollmaßnahmen". ;)
    Wie war es nun aber vor fünfzig Jahren wirklich ? Im Herbst 1973 drosselten die arabischen Ölstaaten die Förderung und verhängten ein Embargo, so daß der Ölpreis um das vierfache stieg. Die Bundesrepublik Deutschland, ohnehin bereits mitten in der Schlußphase ihrer langanhaltenden Hochkonjunktur, war plötzlich als von Rohstofflieferungen abhängiges Land in ihrem Lebensnerv getroffen. Am 25. November 1973 und weiteren drei Sonntagen gehörten daraufhin die Straßen der Bundesrepublik den Fußgängern und Radfahrern. Die Autos hatten mit wenigen Ausnahmen weitgehend in den Garagen zu bleiben, denn es wurde ein allgemeines Fahrverbot verhängt. Zwar nahm der Großteil der damaligen Bevölkerung die Zwangspause äußerlich gelassen hin, doch bei manchem passionierten Kraftfahrer machte sich ein Gefühl des Unbehagens breit, nachdem doch in den 50er und 60er Jahren der Individualverkehr noch überaus lautstark propagiert und gefördert worden war, z.B. durch den Bau zahlreicher neuer Straßen und Autobahnen und die Umwandlung vieler Innenstädte in autogerechte Zonen.
    Was war geschehen ? Ägypten und Syrien, die bereits seit Monaten die Rückeroberung der 1967 von Israel besetzten Gebiete planten, griffen am 6. Oktober 1973, dem Feiertag Jom Kippur, Israel an. Die arabischen Verbündeten brachten die israelische Armee an den Rand einer Niederlage, doch dank amerikanischer Waffenlieferungen wurden die Angreifer zurückgeschlagen. Auf Drängen der USA, der Sowjetunion und der UNO wurde Ende Oktober 1973 ein Waffenstillstand vereinbart. Die in der OAPEC (Organization of Arabian Petroleum Exporting Countries) organisierten Ölförderländer reagierten darauf empört und warfen den westlichen Industrienationen eine einseitige Parteinahme zugunsten Israels vor. Beschlossen wurde, das Öl als Waffe im Kampf für die Sache der Palästinenser einzusetzen. Am 17. Oktober 1973 einigten sich die arabischen Förderstaaten darauf, einen begrenzten Lieferboykott zu verhängen und die Produktion monatlich um fünf Prozent zu drosseln. Schon tags zuvor hatte man sich darauf geeinigt, den Listenpreis für das begehrte Rohöl der Sorte "Arabian Light" um geschlagene siebzig Prozent zu erhöhen. Die übrigen Mitglieder der OPEC, die bereits seit Monaten mit den großen Ölkonzernen über Preiserhöhungen verhandelt hatten, schlossen sich dieser Entscheidung an, so daß auf den westlichen Ölmärkten Panikkäufe die Folge waren, verbunden mit drastischen Preissteigerungen.
    Der Zeitpunkt für den Einsatz der "Ölwaffe" war gut gewählt, denn in der nördlichen Hemisphäre stand der Winter vor der Tür. Wirtschaftsminister Hans Friderichs setzte zunächst auf Beschwichtigungen und erklärte vor der Presse, daß die deutschen Ölvorräte für mindestens ein halbes Jahr reichen würden. Dennoch wurde Heizöl und Benzin schnell teurer. Nach ersten Sparmaßnahmen für Bundesbehörden , die nur geringen Erfolg zeitigten, entschied sich die Bundesregierung für eine gezieltere Symbolpolitik, um ihren Bürgern den Ernst der Situation deutlicher vor Augen zu führen. Anfang November 1973 peitschte Bundeskanzler Willy Brandt im Eilverfahren das Energiesicherungsgesetz durch den Bundestag, auf dessen Grundlage vier Sonntagsfahrverbote erlassen wurden und die vorläufige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen auf 100 km/h und auf Landstraßen auf 80 km/h festgelegt wurde. Die bundesdeutsche Bevölkerung reagierte auf die damaligen Maßnahmen erstaunlich gelassen, was vielleicht auch dem damaligen Zeitgeist geschuldet war. Während auf den Straßen und Autobahnen gähnende Leere herrschte, unternahmen viele Familien Spaziergänge, um sich das ungewohnte Szenario anzuschauen, fuhren mit dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Wie sich bei späteren Untersuchungen zeigen sollte, waren die tatsächlichen Einsparungen durch die vier Sonntagsfahrverbote und die Geschwindigkeitslimits eher gering.
    Zum Jahresende 1973 entspannte sich die Lage im Nahen Osten wieder. Der amerikanische Außenminister Henry Kissinger begab sich auf eine Vermittlungsmission, und Ende 1973 beschlossen die OAPEC- Staaten, die Ölproduktion wieder zu steigern, hielten jedoch gleichzeitig an ihren drastischen Preiserhöhungen für Rohöl fest, womit die bereits schwächelnde Hochkonjunktur der westlichen Industriestaaten endgültig ihr Ende fand. In Deutschland entfielen die bereits für Januar 1974 geplanten weiteren Fahrverbote, und auch die Tempolimits wurden im März 1974 wieder aufgehoben. Dennoch litt die deutsche Wirtschaft an den Folgen der Ölkrise, der PKW- Verkauf brach drastisch ein, und die Autobauer mußten ihren Belegschaften Kurzarbeit verordnen. Ähnlich finster sah es plötzlich bei den Baustoffproduzenten, in der chemischen Industrie und bei der Eisen- und Stahlherstellung aus. Waren 1973 lediglich 273.000 Arbeitslose registriert, überschritt diese Zahl im Jahre 1975 bereits die Millionengrenze, so daß die Bundesregierung einen Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte verhängte. Auch das politische Klima begann sich zu verändern, die Spannungen zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften nahmen zu. Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts betrug die durchschnittliche bundesdeutsche Rate des Wirtschaftswachstums nur noch ca. 1,9 Prozent, während die Arbeitslosenzahlen auf bis über zehn Prozent stiegen. Vor der ersten Ölkrise lagen die durchschnittlichen Steigerungsraten des BSP dagegen noch um acht Prozent, und die Arbeitslosenrate war zeitweise praktisch vernachlässigbar.

    www.youtube.com/watch?v=_UaGbwh7f7s