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    Montag, 25. September 2023, 16:24

    Mehr Schein als Sein ? Söldnerlegende "Kongo- Müller" und seine mediale Vermarktung

    Im November 1965 interviewten die ostdeutschen Dokumentarfilmer Walter Heynowski und Gerhard Scheumann vier Stunden lang einen gewissen "Major Siegfried Müller". Propagandistisch wurde ihr Auftrag ein voller Erfolg, denn motiviert durch ein üppiges Honorar, zahlreiche Gläser Pernod und in Unkenntnis der wahren Identität seiner Interviewer, kam "Kongo- Müller", wie ihn die damalige Westpresse nannte, vor laufender Kamera schnell in Fahrt. So sprach er mit langsam schwerer werdender Zunge über "Negerjagden", seine Vorstellung vom "Preußentum", Rebellen- Gefechte am Äquator und seinen damit verbundenen Kampf gegen den Bolschewismus und lieferte damit ungewollt der DDR- Propaganda ein ideales Feindbild. "Der lachende Mann- Bekenntnisse eines Mörders" hieß der im Jahre 1966 aus dem Interview zusammengeschnittene Film, den die DDR nach seiner Fertigstellung in 37 sozialistische Länder exportierte, wogegen die "Dokumentation" in der Bundesrepublik zunächst verboten wurde. Die Produktion sollte nicht nur Anwürfe der DDR bestätigen, daß die Bundesrepublik einen "neoimperialistischen Kurs" verfolge, sondern gleichzeitig dem Gegner auch ein vorzeigbares Gesicht geben: eben das von Siegfried "Kongo- Müller", obwohl dessen Söldnerkarriere zu diesem Zeitpunkt bereits beendet war.
    Schon vor seiner Tätigkeit als Söldner enthielt Müller´s Lebenslauf einige Stationen, die ihn als perfekten Klassenfeind der DDR erscheinen ließen. Geboren wurde er 1920 in Crossen als einziges Kind einer preußischen Offiziersfamilie und durchlief die üblichen Stationen seiner Generation in der Hitlerjugend, dem Reichsarbeitsdienst (RAD) und der Wehrmacht, wo er 1939 in einer Artillerieeinheit an der schlesisch- polnischen Grenze hautnah den Kriegsausbruch miterlebte. Sein Vater, ein Oberstleutnant, starb bereits 1942, während der Sohn bis 1945 dabei war, zunächst in Polen, dann in Frankreich und schließlich als Panzerjäger an der Ostfront, bis es ihn im März 1945 erwischte. Mit einem Steckschuß in der Wirbelsäule wurde Siegfried Müller in ein Lazarett in Hessen transportiert und erlebte dort die Kapitulation am 8. Mai 1945, geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde 1947 daraus entlassen.
    Zwanzig Jahre später war der einstige Oberfähnrich der Wehrmacht zu einem der populärsten Söldner Afrikas aufgestiegen. Siegfried Müller kämpfte zwischen 1964 und 1965 für die Armee des westlich orientierten Politikers Moise Tschombé an vorderster Front der Kongo- Krise. Von den einstmals belgischen Kolonialherren im Jahre 1960 in die Unabhängigkeit entlassen, versank der ehemalige Belgisch- Kongo noch im gleichen Jahr im Chaos. Tschombé erklärte die an Bodenschätzen reiche Provinz Katanga zur unabhängigen Republik, während Ministerpräsident Patrice Lumumba im Zuge eines Putschversuchs von Armeechef Joseph Mobutu 1961 ermordet wurde. Daraufhin entbrannte in dem potentiell durch seine Bodenschätze sehr reichen Land ein blutiger Bürgerkrieg mitten im Kalten Krieg. Während die Lumumba- Anhänger von der UdSSR unterstützt wurden, bediente sich Tschombé nach seiner Rückkehr aus dem spanischen Exil im Jahre 1964 amerikanischer Waffen und westlicher Söldner, zu denen auch Siegfried Müller gehörte. "Kongo- Müller" war einer der ersten von rund 700 Söldnern, darunter vor allem Südafrikaner, Rhodesier, Briten, Belgier und Deutsche, die im August 1964 unter dem Kommando des irischen Majors Michael Hoare im Kongo aktiv wurden. Müller war mit damals bereits vierundvierzig Jahren einer der ältesten Södner am Äquator und stieg dennoch aufgrund seiner Leistungen bis zum Frühjahr 1965 zum Major auf.
    Müller war auch nach Kriegsende 1945 stets an einer weitergehenden militärischen Karriere interessiert, wurde jedoch trotz seiner Kampferfahrung im Jahre 1955 aufgrund seiner schweren Kriegsverletzung nicht von der Bundeswehr eingestellt. Was ihm sein Heimatland nicht bieten konnte, suchte Müller fortan in Afrika. So entschärfte er u.a. im Auftrag einer Ölfirma Minen in Libyen, bevor ihn der Kongo rief. Hier fand Müller schließlich, was ihm stets zugesagt hatte: Befehlsgewalt und einen Offiziersdienstgrad. Vor allem konnte sich der sendungsbewußte Söldner als Truppenführer an der Medienfront inszenieren, indem Journalisten teils erschreckende Bilder von Gefechten zwischen den "Les Affreux" (Die Schrecklichen)- Söldner und den "Simbas" des einstigen Präsidenten Patrice Lumumba veröffentlichten,, die die Stellungen der Söldner teils noch mit Pfeil und Bogen angriffen. Gemetzel dieser Art empfand Siegfried Müller nicht als brutalen Job, sondern als Teil einer bedeutenden kulturellen Mission zur Verteidigung des Westens gegen den Kommunismus. Daher empfahl sich Müller auch für den Vietnam- Krieg, was ihm nicht zuletzt altersbedingt verwehrt wurde. So kehrte er dem Kongo im Jahre 1965 den Rücken und ließ sich mit Frau und Tochter nahe Johannesburg nieder, wo er ein Unternehmen für Werksschutz und paramilitärische Einsätze gründete. Hier verstarb "Kongo- Müller" im Jahre 1983 mit 63 Jahren an Magenkrebs.
    Auch nach seinem Tod polarisierte Siegfried Müller weiterhin viele Deutsche, denn er hatte ungewollt den tausenden anonymen deutschen Söldnern, die mangels besserer Perspektiven nach dem Zweiten Weltkrieg als Fremdenlegionäre in Frankreichs Kolonialkriegen kämpften, ein Gesicht verliehen, und einige empfanden ihn durchaus als Vorbild. In der DDR hingegen blieb der Legionär nicht zuletzt durch den Film das Schreckbild des deutschen Imperialismus und Militarismus. Doch ausgerechnet das militärische Vermächtnis eines Mannes, der immer nur Soldat sein wollte, geriet zumindest in der Bundesrepublik in den darauffolgenden Jahrzehnten weitgehend in Vergessenheit. Müllers im Jahre 1965 erschienenes Buch "Les nouveaux mercenaires" wurde nur in französischer und italienischer Sprache publiziert und blieb allenfalls Insidern bekannt. Und während dem irischen Söldnerführer Hoare mit den "Wildgänsen" ein filmisches Denkmal gesetzt wurde, mußte Müller für Dieter Hallervordens Komödie "Die Rache der Enterbten" in der Rolle des "Kongo- Otto" herhalten.

    www.youtube.com/watch?v=NB9gyyVrbxk