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    Montag, 7. August 2023, 16:02

    Wer war Walter Ulbricht ? Und weitere DDR- Geschichte(n)

    Die meisten Kinder der 60er Jahre mit Ostverwandtschaft, so auch ich, kannten ihn, sei es durch die damals kursierenden Briefmarken mit seinem Konterfei, sei es durch kesse Witze und Sprüche aus Ost und West, z.B. "Spitzbart mit Brille, ist nicht unser Wille". Was u.a. aussagte, daß der mit Abstand mächtigste Mann der Deutschen Demokratischen Republik in den 50er und 60er Jahren, diplomatisch ausgedrückt, nicht ganz unumstritten war.
    Wer steckte nun aber hinter dem Genossen Walter Ulbricht, dessen in unverkennbar sächsischem Tonfall getätigte Bemerkung von 1961: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten" vor allem der Generation meiner Eltern und Großeltern nachhaltig im Gedächtnis verblieben ist.
    Walter Ulbricht wurde am 30. Juni 1893 in Leipzig geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen als Sohn einer Arbeiterfamilie auf. Nach dem Abschluß der Volksschule machte er zwischen 1907 und 1911 eine Ausbildung zum Tischler. Im Jahre 1908 trat er der Sozialistischen Arbeiterjugend bei und wurde 1912 Mitglied der SPD. Nach dem Ausbruch der Ersten Weltkriegs trat Ulbricht dem linken Flügel der SPD bei, kam in engere Kontakte mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und galt als Verfasser zahlreicher Flugblätter, in denen er zum Waffenstillstand aufrief und sich gegen weitere Kriegskredite aussprach. 1915 wurde er eingezogen und war bis 1918 als Soldat an der russischen Front und auf dem Balkan stationiert. 1917 wurde er Mitglied der Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) und wurde kurz darauf von den Militärbehörden verdächtigt, Antikriegsflugblätter zu verbreiten.
    Nach dem Kriegsende 1918 war Walter Ulbricht Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats in Leipzig und wurde als Redakteur der Zeitung "Klassenkampf" zunehmend prominenter. Nach der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands trat Ulbricht im Jahre 1920 der KPD bei und nahm zwei Jahre später bereits am IV. Weltkongreß der Komintern in Moskau teil. Zwischen 1923 und 1924 wurde er Mitglied der deutschen KPD- Zentrale, besuchte darüber hinaus die Lenin- Schule und arbeitete darüber hinaus für die Komintern.
    Zwischen 1926 und 1929 war Ulbricht sächsischer Landtagsabgeordneter und ab 1928 gleichzeitig Reichstagsabgeordneter. Durch seine Schlüsselposition im Zentralkomitee gestaltete er die Politik der KPD zwischen 1929 und 1946 entscheidend mit.
    Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten floh er im Herbst 1933 zunächst nach Paris, wo er für die Auslandsleitung der KPD zuständig war. Anschließend ging er nach Prag und im Jahre 1938 nach Moskau, um dort als Vertreter der KPD tätig zu sein und wo er aufgrund der politischen Säuberungen Stalins eine gefährliche Zeit im Hotel Lux durchlebte. 1941 setzten ihn die Sowjets bei Radio Moskau ein und entsandten ihn ein Jahr später an die Stalingradfront, wo er agitierte und u.a. per Megaphon Soldaten der Wehrmacht zum Überlaufen aufforderte.
    Nach der Kapitulation des Dritten Reiches im Mai 1945 kehrte Ulbricht als Leiter der "Gruppe Ulbricht" nach Deutschland zurück, wo er den "Sozialismus" in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) aufbauen sollte, u.a. über die Neuorganisation des öffentlichen Lebens, die Verwaltung Berlins sowie über die Gründung von kommunistischen Parteien, Gewerkschaften und sonstigen Organisationen.
    Im April 1946 wurden SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) mehr oder weniger zwangsvereinigt, so daß 1949 nach der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik festgelegt werden konnte, daß die SED die "politische Führung" des ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden übernehmen würde. Walter Ulbricht trat in diesem Zeitrahmen in das Zentralkomitee der SED ein und war gleichzeitig bis zum Jahre 1951 Abgeordneter des Landtags von Sachsen- Anhalt. Seit 1949 war er stellvertretender Vorsitzender im Ministerrat der DDR und hatte durch diese Schlüsselposition deutlich mehr Einfluß als z.B. Staatspräsident Wilhelm Pieck. Nach dem 3. Parteitag der SED von 1950 wurde Ulbricht zum Generalsekretär des Zentralkomitees der SED gewählt und erhielt 1953 auch den Posten des Ersten Sekretärs, den er bis 1971 behielt.
    Zwischen 1960 und 1973 übte Walter Ulbricht das Amt des Staatsratsvorsitzenden der DDR aus, eine Position, die das Amt des Staatspräsidenten ersetzte und dem SED- Mann eine fast unbegrenzte Machtfülle verlieh.
    Nach dem Scheitern letzter Versuche einer deutschen Einigung im Jahre 1952 setzte sich Ulbricht verstärkt für den Aufbau des Sozialismus in der DDR nach sowjetischem Vorbild ein, z.B. durch eine zunehmende Verstaatlichung von Unternehmen und die Kollektivierung der Landwirtschaft. Eine fatale Fehlentscheidung, führten diese Maßnahmen doch zunächst zu einem Rückgang der industriellen Produktion, zu einer Ernährungskrise und zum schleichenden Rückgang des Lebensstandards weiter Kreise der Bevölkerung, wodurch u.a. der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 ausgelöst wurde und immer mehr Menschen der DDR meist über Berlin den Rücken kehrten. Um dem entgegenzusteuern, wurde am 13. August 1961 die "Berliner Mauer" zunächst provisorisch errichtet und die Staatsgrenze der DDR in den darauffolgenden Jahren fast hermetisch abgeriegelt. Bis zu diesem Zeitraum hatten bereits rund 2,5 Millionen Menschen das Staatsgebiet der DDR verlassen.
    Aufgrund interner Auseinandersetzungen und Machtkämpfe im Politbüro der SED trat Walter Ulbricht im Jahre 1971 von fast allen seinen Ämtern zurück. Bereits 1967 war es zu erheblichen Differenzen zwischen dem Staatschef der UdSSR, Leonid Breschnew, und dem Staatsratsvorsitzenden der DDR gekommen, da dieser die Führungsrolle der Sowjetunion zumindest partiell in Frage stellte und stattdessen die DDR als Vorbild pries, die zu diesem Zeitpunkt den Sozialismus bereits besonders weit realisiert hätte. Schon ab 1969 hatte Walter Ulbricht nicht zuletzt aufgrund seines fortgeschrittenen Alters kaum noch Unterstützung aus den Reihen des Politbüros der SED und war innerparteilich weitgehend isoliert.
    Walter Ulbricht starb zwei Jahre nach seiner de facto- Absetzung vor fünfzig Jahren am 1. August 1973 in Ost- Berlin. Sein Nachfolger im Amt wurde Erich Honecker.

    www.youtube.com/watch?v=lt8jVFNvMBM
    www.youtube.com/watch?v=alHaf0tGnV8
    www.youtube.com/watch?v=_DFpaMRg0VA

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    Dienstag, 8. August 2023, 16:50

    Die besten DDR- Witze aus der Ulbricht- und Honecker- Ära 1949 bis 1989

    Unterhalten sich ein Ami, ein Russe und ein DDR- Bürger darüber, wer wohl die größten Wälder hat. Der Ami prahlt: "Bei uns in Amerika gibt es Wälder, wenn man da morgens reingeht, kommt man vor dem Abend nicht wieder raus !" Darauf der Russe: "Lächerlich! Wenn Du bei uns in Sibirien in den Wald gehst, kommst Du erst nach einer Woche am anderen Ende wieder raus !" "Alles Kinderkram !", lächelt daraufhin der Ostdeutsche. Bei uns sind die Russen seit 1945 in den Wäldern und bis heute immer noch nicht raus...!"

    Honecker und Mielke unterhalten sich über ihre Hobbys. Honecker: "Ich sammle alle Witze, die über mich im Umlauf sind." Mielke daraufhin: "Mensch, Erich, da haben wir ja fast das gleiche Hobby. Ich sammle nämlich alle die, die sie in Umlauf bringen..."

    Ein zuverlässiges SED- Parteimitglied kehrt von einer Dienstreise in die BRD zurück. Sein Vorgesetzter: "Na, Genosse, haben sie den faulenden und sterbenden Kapitalismus gesehen ?" "Ja." "Und was halten Sie davon?" Mit verklärtem Gesichtsausdruck: "Schöner Tod..."

    Walter Ulbricht will bei den Bürgern erkunden, wie beliebt er beim Volk ist und klingelt an verschiedenen Wohnungstüren. Ein kleines Mädchen öffnet: "Wer bist Du denn, Onkel ?" "Ich, meine Kleine, bin der Mann, der dafür sorgt, daß es Euch allen gut geht..." Darauf die Kleine ganz aufgeregt: "Mami, Mami, komm´mal ganz schnell, Onkel Peter aus München ist da!"

    Die Stasi verhört einen regelmäßigen katholischen Kirchgänger. "Gibst Du zu, daß Du regelmäßig zur Kirche gehst ?" "Ja". "Gibst Du auch zu, daß Du die Füße von Jesus am Kreuz geküßt hast ?" "Ja". "Würdest Du auch die Füße unseres Genossen Walter Ulbricht küssen ?" "Ganz sicher, wenn er dort hängen würde..."

    Ein Betrunkener spricht in einer Kneipe einen Unbekannten an. "Kennst Du den Unterschied zwischen meinem Bier und Walter Ulbricht ?", worauf der Unbekannte verneint. "Mein Bier ist flüssig und Honecker ist überflüssig". Darauf der Fremde: "Kennen Sie den Unterschied zwischem ihrem Bier und sich selbst ?" "Nö !". "Ihr Bier bleibt hier und Sie kommen mit..."

    Walter Ulbricht und Mao Tse-Tung unterhalten sich über Innenpolitik. "Und wie viele politische Gegner", fragt Ulbricht, "haben Sie in der Volksrepublik China ?" "Es werden so ungefähr siebzehn Millionen sein", antwortet Mao, "und wieviele sind es bei Ihnen ?" "Bei uns in der DDR sind es etwa genau so viel..."

    Familie Huber hat einen Papagei, der stets "Nieder mit der SED" krächzt. Eines Tages kommt eine SED- Lokalgröße zu Besuch. Vorher putzt die Frau die Wohnung blitzblank, aber wohin mit dem nicht systemkonformen Papagei ? Kurzentschlossen packt man ihn in den Kühlschrank. Drei Stunden, nachdem der Genosse wieder gegangen ist, fällt der Dame des Hauses zu ihrem Entsetzen der Papagei ein und entnimmt ihn dem Kühlschrank. Gottseidank hat das Tier die Prozedur überlebt, krächzt aber ab sofort nur noch "Es lebe der Sozialismus, nieder mit dem Kapitalismus !", worauf ihn die Hausfrau fragt, warum er das sage. Seine lapidarische Antwort: "Vier Stunden Sibirien haben mir gereicht !"

    Auch in diesem Jahr findet in der DDR wieder das Festival des politischen Witzes statt. Erster Preis: zehn Jahre Winterurlaub in Sibirien...

    Ein DDR- Grenzsoldat an der Zonengrenze zum anderen: "Was hältst Du von der DDR ?" "Nun, dasselbe wie Du..." "Dann muß ich Dich verhaften."

    Streifengang zweier DDR- Grenzsoldaten an der Berliner Sektorengrenze. "Was würdest Du tun, wenn die Mauer plötzlich einstürzen würde " "Sofort auf den nächsten Baum klettern !" "Wieso denn das ?" "Na, meinst Du, ich will totgetrampelt werden ?"

    Ein Soldat der DDR- Grenztruppen und ein Angehöriger des Bundesgrenzschutzes liegen sich an der innerdeutschen Grenze gegenüber. Als eines Tages der BGS- Mann einschläft, füllt der DDR- Grenzer dessen Stahlhelm mit Dreck. Als eine Woche später dagegen der Ost- Grenzer einschläft, füllt der BGS- Mann dessen Helm mit Westzigaretten, Apfelsinen und Schnaps. Beschämt bedankt sich der DDR- Grenzer, nachdem er wieder erwacht ist. "Schon gut", meint daraufhin der BGS- Mann. "Jeder gibt eben, was er hat..."

    Ein Polizist stoppt einen LKW mit Langhölzern, der ein Honeckerbild an das Ende der Stämme genagelt hat. "Was soll das ?", fragt der Vopo (Volkspolizist) den Fahrer. "Wieso, in der STVO steht doch, daß bei einer Überlänge ab zwei Metern ein roter Lumpen am äußeren Ende der Stämme befestigt werden muß !"

    Es wird gemunkelt, daß in Berlin ein Loch in der Mauer wäre, sich in diesem Loch aber eine Gullotine befinden würde. Darauf der eine DDR- Bürger zum anderen: "Jetzt ist mir klar, warum die Köpfe alle drüben sind und bei uns die Ärsche !"

    Walter Ulbricht besucht eine Nervenheilanstalt. Gut einstudiert brüllen sämtliche Schwachsinnigen: "Es lebe unser geliebter Staatratsvorsitzender, er lebe hoch, hoch, hoch !" Nur der Aufseher schweigt. Als einer der Leibwächter Ulbrichts ihn daraufhin anspicht, meint der Aufseher: "Entschuldigen sie bitte, ich gehöre doch nicht zu den Verrückten !"

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    Mittwoch, 9. August 2023, 17:05

    Als Erich Honecker Walter Ulbricht stürzte

    "Nach den Erkenntnissen der Wissenschaft soll man nicht zu viel Butter essen, weil das die Arteriosklerose fördert" (Walter Ulbricht, 1967). Walter Ulbricht war aber mehr als nur ein selbsternannter Ernährungsexperte, sondern galt zwischen 1949 und 1971 auch als der mächtigste Mann der Deutschen Demokratischen Republik. Danach endete seine Karriere jedoch mit einem jähen Absturz durch einen politischen Königsmörder, der einst einer der treuesten Gefolgsleute Ulbrichts gewesen war: Erich Honecker.
    Ulbricht und Honecker waren sicherlich sowohl in ihrem eigenen Selbstverständnis wie auch in der heutigen Einschätzung der Typ des klassischen Berufsrevolutionärs. Und doch trennte den 1893 in Leipzig geborenen Ulbricht und den Saarländer Hoecker, geboren 1912, mehr als nur die Altersdifferenz von knapp einer Generation. Während Ulbricht Kriegsteilnehmer war und die Gründungsgeschichte der KPD miterlebte, verlebte Honecker in diesen Jahren gerade seine Kindheit. Auch das Exil Ulbrichts in der Sowjetunion unterschied sich maßgeblich von den Zuchthauserfahrungen Honeckers im Dritten Reich. Als 1945 der Krieg mit der Niederlage des Deutschen Reichs endete, galt Ulbricht bereits als kommunistischer Spitzenfunktionär, während Honecker zunächst seinen allmählichen Karrieweg über die FDJ begann.
    Bereits 1950 avancierte Ulbricht zum Generalsekretär der SED. Mit seinem im sowjetischen Exil der Stalinzeit geschulten Gespür für politische Veränderungen, taktischer Rafinesse bei der Ausschaltung von Gegnern im Politbüro und auch einer Portion Glück konnte er seine Position sowohl nach dem 17. Juni 1953 als auch in der Zeit der Entstalinisierung behaupten.
    Honecker, seit 1946 Chef des Staatsjugendverbandes FDJ, galt lange als Ulbrichts treuester Paladin. Immer wieder hatte sich Ulbricht in den 50er Jahren hinter Honecker gestellt, wenn diesem Gefahr drohte. So auch 1953, als zahlreiche FDJ- Mitglieder ihre Mitgliedsbücher verbrannten, so daß Honecker nur durch Ulbrichts Protektion der Verdammung durch das Politbüro entgehen konnte. Um aus der Schußlinie zu geraten, wurde er auf die Parteischule nach Moskau entsandt, von wo er 1957 als Spezialist für Sicherheitsfragen ins Politbüro zurückkehrte. 1961 wurde Honecker dann mit der logistischen Planung des Mauerbaus beauftragt, der ab dem 13. August 1961 weitestgehend gelang und Honeckers Position in der SED- Führungsspitze wieder deutlich festigte. Zwei Jahre später stieß auch Ehefrau Margot als neue Volksbildungsministerin in die Führungsriege des DDR- Machtapparats vor. Äußerst skeptisch beäugte das Ehepaar Honecker als eher orthodoxe Kommunisten, wie sich Ulbricht nach dem Mauerbau allmählich zum Wirtschaftsreformer wandelte. Im Januar 1963 beschloß der VI. Parteitag der SED Ulbrichts "Neues System der ökonomischen Planung und Leitung", das den Betrieben mehr Eigenverantwortlichkeit zugestand und eine kurze Phase der Liberalisierung auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen einleitete. Nachdem sich Honecker als "Verfechter der reinen Lehre" dazu anfangs noch bedeckt hielt, kam es ab Dezember 1965 zu ersten offensichtlichen Spannungen im Verhältnis der beiden Spitzenpolitiker. Am Vorabend des 11. Plenums des Zentralkomitees erschoß sich Erich Apel, einer der strategischen Köpfe auf dem Gebiet der Wirtschaftsreformen, vermutlich angesichts eines für die DDR katastrophalen neuen Wirtschaftsabkommens mit der Sowjetunion, das kurz vor der Unterzeichnung stand. Honecker positionierte sich dagegen auf jener Tagung mit Lobeshymnen auf die Zusammenarbeit mit der UdSSR und trat gegen jegliche Liberalisierung und Verwestlichung von Kunst, Kultur und Jugendpolitik auf.
    Mit dieser Haltung lag Honecker ganz auf der Linie von Leonid Breschnew, der in der Sowjetunion 1964 den reformfreudigen Nikita Chruschtschow abgelöst hatte. Schon bald entwickelte sich hinter dem Rücken Walter Ulbrichts zwischen Honecker und Breschnew eine Art Männerfreundschaft, gefestigt u.a. durch gemeinsame Jagdausflüge.
    Mochte Walter Ulbricht in den Folgejahren auch weitgehend treu zum großem Bruder Sowjetunion gestanden haben, erzeugten doch seine zunehmenden Überheblichkeiten und rüden Umgangsformen, befeuert von einem wachsendem Altersstarrsinn, im Ostberliner Politbüro immer mehr Unmut und Verdruß. So pries er die DDR zunehmend als leuchtendes Vorbild für den gesamten Ostblock und erlaubte sich ideologische, ökonomische und außenpolitische Sonderwege, die in Moskau alles andere als gern gesehen wurden. Im Ostberliner Politbüro fühlten sich wiederum viele der alten Genossen weitgehend übergangen, weil sich Ulbricht lieber mit Experten außerhalb des inneren Machtzirkels über gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunftsfragen abstimmte.
    Aller propagandistischer Pomp zum 20. Jahrestag der DDR im Oktober 1969 konnte jedoch nicht verdecken, daß die nur ansatzweise realisierten Reformen das Land in eine schwere Wirtschaftskrise gestürzt hatten. So wurde mit allen volkswirtschaftlichen Mitteln die Automatisierung in ausgewählten Wirtschaftsbetrieben durchgesetzt, worunter zunehmend der Wohnungsbau und die Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern litten. Gleichzeitig verschärften sich die Differenzen zwischen Ulbricht und Breschnew in der Deutschlandpolitik, da der Kreml darauf bestand, substanzielle Verhandlungen mit der neugewählten sozialliberalen bundesdeutschen Regierung Brandt selbst zu führen.
    Am 30. Juni 1970 berief der mittlerweile hochbetagte Ulbricht schließlich eine außerplanmäßige Politbürositzung ein, auf der er die Absetzung Honeckers als Zweitem Sekretär durchsetzte, ein fataler taktischer Fehler, nachdem der Rücktritt Honeckers durch das Veto Breschnews umgehend wieder rückgängig gemacht wurde. Doch der von Breschnew diktierte Burgfrieden scheiterte bereits im Oktober 1970, nachdem das Politbüro scharf mit den Wirtschaftsreformen Ulbrichts abgerechnet hatte. Erst am Rande des Moskauer KPdSU- Parteitags im März 1971 konkretisierten sich dann allmählich die Pläne, die Breschnew bereits ein Jahr zuvor für die Ablösung Ulbrichts entworfen hatte. Allerdings sollte diesem nach Möglichkeit ein "ehrenvoller Abgang" ermöglicht werden. Was dann am 27. April 1971 passierte, hatte eher den Charakter einer schäbigen Gaunerkomödie. Honecker begab sich zu Ulbrichts Landsitz, nachdem er vorher sämtliche Telefonleitungen dorthin hatte kappen lassen, und ließ seine Begleiter vom MfS mit Maschinenpistolen statt mit den üblichen Dienstpistolen bewaffnen. Ulbricht beugte sich schließlich und kapitulierte am 3. Mai auch vor dem Zentralkomitee, das seinen Rücktritt "aus gesundheitlichen Gründen" einstimmig bestätigte.
    Gemeinsam mit seiner Frau Lotte und einigen politischen Weggefährten kämpfte Walter Ulbricht bis zuletzt erfolglos gegen seine darauffolgende politische Marginalisierung an. So wurden Betriebe, Schulen und weitere Gebäude, die seinen Namen trugen, in Windeseile umbenannt, die Briefmarken mit seinem Konterfei wurden zurückgezogen, und als Staatsratsvorsitzender durfte er lediglich noch die jährliche Silvesteransprache halten. Während der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten im Sommer 1973 starb Walter Ulbricht, der seit dem 19. Juli nach einem Schlaganfall bereits im Koma lag. Die Ironie der Geschichte liegt darin, daß Erich Honecker, der sich Walter Ulbricht im Jahre 1971 so skrupellos entledigt hatte, 1989 in durchaus ähnlicher Weise von seinen eigenen Genossen in die Wüste geschickt wurde.

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    Donnerstag, 10. August 2023, 16:21

    Über die wirtschaftliche Entwicklung der DDR in den 60er Jahren und das allmähliche Ende der Ulbricht- Ära

    Trotz der teilweise steckengebliebenen Wirtschaftsentwicklung hatten sich die ökonomischen Reformen von 1964/65 zunächst einmal positiv auf den Lebensstandard der DDR- Bevölkerung ausgewirkt. Durch die gestiegenen Produktions- und Wachstumsraten konnte der Staatshandel der DDR mehr industriell gefertigte Konsumgüter als noch in den 50er und frühen 60er Jahren anbieten. So waren trotz ihrer vergleichsweisen hohen Preise Fernsehapparate, Kühlschränke und Waschmaschinen für viele DDR- Bürger keine kaum erreichbaren Luxusgüter mehr. Auch führte die allmähliche, schrittweise Abschaffung der Arbeit an Samstagen zu Verkürzungen der Arbeitszeit und dadurch zu mehr Freizeit der Werktätigen an Wochenenden. Durch steigende Löhne und Gehälter konnten sich darüber hinaus immer mehr Familien einen neuen PKW der Marke "Trabant" oder "Wartburg" leisten. Der "Trabi", gelegentlich auch spöttisch als "Rennpappe" bezeichnet, avancierte in den 60ern zum Statussymbol großer Teile der DDR- Bevölkerung. Allmählich schienen die ausgeprägte sozialistische Mangelwirtschaft, der erzwungene Konsumverzicht und die teils deutlichen Kaufkraftüberhänge der Bevölkerung der Vergangenheit anzugehören.
    Die alltägliche Praxis stand der offiziell verkündeten Überlegenheit der sozialistischen Planwirtschaft jedoch noch immer deutlich entgegen. Für Konsumgüter des höherwertigeren Bedarfs mußten, gemessen an den Einkommen, überdurchschnittlich hohe Preise gezahlt werden. Gleichzeitig blieb in vielen Bereichen das Angebot immer noch hinter der Nachfrage zurück. So mußten für den Kauf eines Autos die Interessenten nach einer Wartezeit von zehn bis zwölf Jahren fast ein ganzes Jahreseinkommen und mehr aufbringen, da ein "Trabant" um die 8.000,- Mark und ein "Wartburg" fast das Doppelte kostete. Auch wurde das Ansparen dieser Summen vielen durch den Umstand erschwert, daß die Preise für langlebige technische Gebrauchsgüter, verglichen mit denen in der Bundesrepublik, ungleich höher lagen. Dazu kam, daß viele dieser Produkte technisch und im Bedienungskomfort mit aktuellen westlichen Vergleichsprodukten nicht Schritt halten konnten. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und der materielle Lebensstandard der bundesdeutschen Bevölkerung blieb somit auch über die ganzen 60er Jahre wesentlich höher als in der DDR.
    Gegen Ende der 60er Jahre häuften sich die wirtschaftlichen Probleme in der DDR. Im Sommer 1969 konnte die UdSSR aufgrund eigener wirtschaftlicher Schwierigkeiten lebenswichtige Rohstoffe wie Erdöl, Steinkohle, Walzstahl und chemische Grundstoffe nicht mehr in dem ursprünglich vereinbarten Umfang in die DDR liefern. Die großen ostdeutschen Stahlwerke hinkten aus diesem Grund beträchtlichen Rückständen hinterher, und der Rythmus wichtiger nachgelagerter Produktionsbetriebe geriet ins Stocken. Davon betroffen waren vor allem der Metalleichtbau, der Waggonbau sowie Verlade- und Transporterzeugnisse. Im Jahre 1970 steckte die DDR schließlich in einer handfesten Wirtschaftskrise, die auch eine mögliche politische Destabilisierung befürchten ließ. Während Walter Ulbricht an seinem Kurs "Überholen ohne einzuholen" eisern festhielt, regte sich im Politbüro des ZK der SED immer mehr Unmut. Seit Anfang des Jahres 1971 arbeiteten große Teile des Politbüros unter der Führung von Erich Honecker mit Wissen und Duldung von Leonid Breschnew daran, Ulbricht zu entmachten (siehe dazu auch obigen Artikel).
    Ulbrichts Sturz durch Honecker am 3. Mai 1971 wurde in internen Auseinandersetzungen im SED- Politbüro mit wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen des bisherigen Parteichefs begründet. Tatsächlich ging es Honecker jedoch um einen generellen wirtschaftspolitischen Richtungswechsel und die Rückkehr zur der straffen Planwirtschaft der 50er und frühen 60er Jahre. Darüber hinaus spielten auch Richtungskämpfe in anderen Poltikfeldern eine Rolle, so zum Beispiel bei der Gestaltung der deutsch- deutschen Beziehungen. Gegenüber der sozialliberalen Regierung unter Willy Brandt hatte Ulbricht einen vorsichtigen Annäherungskurs verfolgt und den DDR- Ministerratsvorsitzenden Willi Stoph zu zwei deutsch- deutschen Gipfeltreffen entsandt, so daß sich Brandt und Stoph im März und Mai 1970 in Erfurt und Kassel trafen. Die entsprechenden Verhandlungen erbrachten zwar keine konkreten Resultate, doch die Hartliner im Politbüro sahen die Sozialdemokraten immer noch in der Rolle von Klassenverrätern, die im Interesse des Monopolkapitals handelten. Honecker plädierte aus diesen Gründen dafür, die deutsch- deutschen Dialoge durch Maximalforderungen wie die völkerrechtliche Anerkennung der DDR einzugrenzen und sich gegenüber der Bundesrepublik stärker abzugrenzen. In dieser Position wurde er ebenfalls durch Leonid Breschnew unterstützt, der einen deutschen Sonderweg weiterhin kategorisch ablehnte. Aus diesem Grund drängte Breschnew waährend eines Gesprächs mit einer SED- Delegation am 21. August 1970 in Moskau auch darauf, die begonnenen Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR unverzüglich abzubrechen oder zumindest auslaufen zu lassen. Dies entsprach ganz den Interessen Honeckers, der sich durch die Haltung des sowjetischen Generalsekretärs in seiner Einstellung bestätigt sah.

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    Freitag, 11. August 2023, 16:05

    Über die Geschichte der "Jungen Pioniere" in der DDR

    Bereits am 13. Dezember 1948 wurden die "Jungen Pioniere" (JP) als sozialistische Massenorganisation für alle Kinder der Schulklassen eins bis sieben gegründet. Seit 1952 trug die Organisation den Namen "Thälmann- Pioniere", geleitet und unterstützt wurde sei durch die "Freie Deutsche Jugend" (FDJ).
    Die Zielsetzung dieser Pionierorganisation war es, fast im Gleichklang mit den "Pimpfen" der NS- Zeit die Kinder im Sinne einer sozialistischen Ideologie zu indoktrinieren. So wurde den Kindern in Schule und Freizeit weitgehend altersgerecht vermittelt, daß die DDR ein "friedliebendes und fortschrittsorientiertes Land" sei. Gleichzeitig wurde den Kindern eingebleut, daß die kapitalistischen Staaten ihre eigenen Völker "ausbeuten und unterdrücken" würden. Die benachbarte Bundesrepublik wurde trotz zahlreicher verwandtschaftlicher Bindungen zwischen den Familien in Ost- und Westdeutschland als "Klassenfeind, der die friedliebende DDR bedroht", dargestellt. Das so geschürte Bedrohungsszenario sollte bei den Kindern Angst erzeugen, sie an ihren Staat binden und sie zu überzeugten Sozialisten machen.
    Bereits in der ersten Klasse wurden alle Kinder nach dem Ablegen des Pionierversprechens von der Pionier- und FDJ- Leiterin feierlich zu Jungpionieren erklärt. Ätere Mitglieder der JP banden ihnen anschließend das dreieckige blaue Halstuch um, das mit einem speziellen Pionierknoten getragen werden sollte. Bei entsprechenden Anlässen wurde zum Pioniertuch eine weiße Bluse getragen, die am linken Ärmel das Emblem der JP trug. Jeder Pionier erhielt außerdem einen speziellen Ausweis, in dem die Pioniergebote abgedruckt waren.
    In der vierten Klasse wurden alle Jungpioniere nach dem Ablegen eines Gelöbnisses feierlich zu Thälmannpionieren erklärt. Anläßlich des fünfundzwanzigjährigen Bestehens der JP wurde den Thälmannpionieren am 10.12.1973 das rote Halstuch verliehen, das sie von nun an trugen. Zu entsprechenden Anlässen wurde weiterhin die weiße Pionierbluse getragen.
    Der Gruß der Jungen Pioniere lautete auf den Ruf des Pionier- oder FDJ- Leiters "Seid bereit" stets "Immer bereit". Dazu erfolgte eine entsprechende, quasi paramilitärische Geste durch das Anlegen der rechten inneren Handkante entlang eines imaginären oder tatsächlich vorhandenen Mittelscheitels.
    Aus der Mitte der Schülerschaft wurde in jedem Schuljahr ein Rat gewählt, der sich meist aus den beliebtesten und leistungsstärksten Schülern zusammensetzte. Die Mitglieder organisierten Pioniernachmittage und galten gleichzeitig als Vorbilder und Ansprechpartner für ihre Mitschüler.
    Die monatlich erscheinende Zeitung der JP war die "ABC- Zeitung", während die "Trommel" als Organ der Thälmann-Pioniere wöchentlich erschien. Ob und in welcher Weise diese Periodika auch gelesen wurden, variierte je nach Region und Schule sehr stark. Zum Teil mußten die Zeitungen auch unter Lehreraufsicht gelesen werden, so daß es bisweilen durchaus opportun erschien, diese Blätter zu abonnieren. Daneben existierten weitere Jugendmagazine, so z.B. die bekannte Zeitschrift "FRÖSI" (Abkürzung für "Fröhlich sein und singen").
    Einrichtungen für Pioniere, die nicht zuletzt ein umfangreiches Freizeitangebot vorhielten, waren z.B. der 1979 eröffnete Pionierpalst "Ernst Thälmann" in der Berliner Wuhlheide, das Zentralhaus der JP "German Titow" sowie das "Theater der Freundschaft" in Berlin. Am Werbellinsee nahe Berlin lag die "Pionierrepublik Wilhelm Pieck", ein bereits 1952 nach sowjetischem Vorbild erbautes Ferienlager. Jeweils tausend Thälmannpioniere konnten mehrere Wochen dort verbringen und sich mit Schülern aus anderen Ländern treffen und austauschen. Voraussetzung für eine dortige Teilnahme waren herausragende schulische Leistungen, eine zweifelsfreie Gesinnung und unter Umständen auch die Zugehörigkeit der Eltern zur SED.

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    Samstag, 12. August 2023, 00:58

    RE: Über die wirtschaftliche Entwicklung der DDR in den 60er Jahren und das allmähliche Ende der Ulbricht- Ära

    So gesehen hat sich bis heute nicht viel veraendert.
    Als ich 2005 - 2008 im Call Center arbeitete, hatte ich ein Jahreseinkommen von $ 24.000, was gerade so fuer den Kauf eines japanischen Mittelklassewagens ausgereicht haette. :)
    So mußten für den Kauf eines Autos die Interessenten nach einer Wartezeit von zehn bis zwölf Jahren fast ein ganzes Jahreseinkommen und mehr aufbringen, da ein "Trabant" um die 8.000,- Mark und ein "Wartburg" fast das Doppelte kostete.

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    Samstag, 12. August 2023, 16:23

    RE: RE: Über die wirtschaftliche Entwicklung der DDR in den 60er Jahren und das allmähliche Ende der Ulbricht- Ära

    So gesehen hat sich bis heute nicht viel veraendert.
    Als ich 2005 - 2008 im Call Center arbeitete, hatte ich ein Jahreseinkommen von $ 24.000, was gerade so fuer den Kauf eines japanischen Mittelklassewagens ausgereicht haette. :)
    So mußten für den Kauf eines Autos die Interessenten nach einer Wartezeit von zehn bis zwölf Jahren fast ein ganzes Jahreseinkommen und mehr aufbringen, da ein "Trabant" um die 8.000,- Mark und ein "Wartburg" fast das Doppelte kostete.


    Na ja, zumindest hattest Du die Auswahl zwischen einer ganzen Reihe von Modellen ohne Wartezeiten, und zur Not hätte es ja auch ein Gebrauchter getan. Gestartet bis ich 1977 mit einigen Renault R 4, die alle gebraucht waren. Sehr günstig in der Anschaffung, wartungsfreundlich, 34 PS, und als Gratiszugabe konnte man ihnen beim Rosten zusehen. ;) Meinen ersten Neuwagen kaufte ich erst 1995.

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    Samstag, 12. August 2023, 17:29

    Über die Geschichte der Freien Deutschen Jugend (FDJ)

    Als offizielles Gründungsdatum der FD galt der 7. März 1946. Mit einem entsprechenden Festakt in Schwerin sollte die Jugendorganisation zum Symbol der Nachkriegshoffnung für die gesamte deutsche Jugend werden. "Frei und überparteilich" laut ihren Gründungsstatuten blieb die FDJ allerdings nicht lange.
    Gruppen mit der Bezeichnung "Freie Deutsche Jugend" gab es bereits während des Zweiten Weltkriegs, als sie von deutschen Flüchtlingen im Exil gegründet wurden. Bereits wenige Wochen nach Kriegsende genehmigte die sowjetische Militäradministration die Bildung von "antifaschistischen Jugendkomitees", verbot jedoch gleichzeitig die Gründung anderer Jugendorganisationen. Am 7. März 1946 wurde die FDJ formell gegründet und Erich Honecker zu ihrem ersten Vorsitzenden ernannt. "Überparteilich, einig und demokratisch" sollte die neue Jugendbewegung sein. Doch damit war es bald vorbei, denn bereits auf dem Dritten Parlament der Jugendfreunde im Jahre 1949 bezeichnete der Verband sich selbst als "aktiver Helfer der politisch fortschrittlichen Kräfte". 1952 erkannte die FDJ in ihrem Statut die führende Rolle der SED an, und 1957 wurde sie auf ihre endgültige Rolle als "zuverlässiger Helfer und Kampfreserve der Partei der Arbeiterklasse" festgelegt.
    In der frisch gegründeten Bundesrepublik dagegen wurde die FDJ ab 1951 verboten. In der DDR kam stattdessen bald kaum ein Jugendlicher an ihr vorbei - von der Vorläuferorganisation "Junge Pioniere" bis hin zum "gesellschaftlichen Engagement" in Schule und Studium. Formal war die Mitgliedschaft im einzigen zugelassenen Jugendverband zwar freiwillig, doch in der gesellschaftlichen Realität hatte derjenige, der die Mitgliedschaft verweigerte, durchaus mit Benachteiligungen zu rechnen. Schwer wurde es für Schüler beispielsweise bei der Zulassung zur Erweiterten Oberschule (EOS), die den Zugang zum Abitur und zu einem Hochschulstudium entweder ermöglichte oder eben auch einschränkte. Was dazu führte, daß zum Ende der DDR beachtliche 88 Prozent aller Jugendlichen Mitglied der FDJ waren, darunter zwangsläufig viele Karteileichen. So stellte das DDR- Zentralinstitut für Jugendforschung in unveröffentlichten Untersuchungen fest, daß in den 80er Jahren die Kritik der Jugendlichen an der FDJ wuchs und echte Verbundenheit mit dieser Organisation im Schwinden begriffen war.
    Selbst in ihren Gründungsjahren hatte die FDJ zunächst erhebliche Mühe, Mitglieder auf freiwilliger Basis zu gewinnen und zur Massenorganisation zu werden. So waren 1947, noch zur Zeit der Sowjetischen Bestzungszone, lediglich 16 Prozent aller Jugendlichen in dem Verband organisiert. Dies änderte sich nicht zuletzt durch politischen und propagandistischen Druck im Laufe der Jahre. Als Konkurrenz erwies sich dabei von Beginn an die kirchliche Jugendarbeit. Insbesondere die Junge Gemeinde in der evangelischen Kirche der DDR zog geradezu magisch junge Menschen an und bekam es dementsprechend häufig mit Repressionen zu tun. Noch Anfang der 50er Jahre wurden christliche Schüler regelrecht verfolgt, kritisiert, vorgeführt, beschimpft und von den Schulen verwiesen. Zwar wurden die meisten Schulverweise später wieder anulliert, jedoch waren zu diesem Zeitpunkt bereits viele der relegierten Schüler mit ihren Angehörigen in den Westen geflohen.
    Dabei waren mit der Gründung der FDJ kurz nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges auch Hoffnungen verbunden. Sie fanden etwa Ausdruck im Gesang, der zu einem wesentlichen Bestandteil der FDJ wurde. Bereits 1946 erschien das erste Liederbuch mit "Massenliedernfür die Jugend", die die jungen Leute auf die Ideale des Sozialismus einschwören sollten. So stammte der Text des Solidaritätsliedes von Bertolt Brecht höchstpersönlich, der mit den Zeilen begann: "Vorwärts, und nicht vergessen, worin unsere Stärke besteht, beim Hungern, und beim Essen, vorwärts und nicht vergessen: die Solidarität!"
    Ende November 1989 wurde im Zuge der Wende die gesamte FDJ- Leitung abgesetzt und 1990 eine neue, den veränderten politischen Verhältnissen angepaßte Satzung verabschiedet. Dennoch sank zwischen November 1989 und November 1990 die Mitgliederzahl von 2,3 Millionen auf nur noch 22.000, gefolgt von 7.000 Mitte 1991 und bis 2003 auf etwa 150 (!) Mitglieder. Die ca. 7500 hauptamtlichen Mitarbeiter wurden bis Ende 1991 abgebaut und ihre Einrichtungen abgewickelt. Die noch existierende Rest- FDJ wurde in den Folgejahren politisch bedeutungslos.

    www.youtube.com/watch?v=6RIJO1XnsqE

    9

    Sonntag, 13. August 2023, 12:09

    RE: RE: RE: Über die wirtschaftliche Entwicklung der DDR in den 60er Jahren und das allmähliche Ende der Ulbricht- Ära

    Einen Neuwagen wollte ich gar nicht, kaufte mir dann 2006 vom letzten Scheidungsgeld einen gebrauchten 4 Jahre alten Jaguar X Type 2,5 (der Kleine). Er hielt weitere 4 Jahre und es lohnte sich dann nicht mehr, ihn nochmals reparieren zu lassen (im Call Center unkten sie eh schon herum, dass ich nur arbeitete, um die neueste Reparatur bezahlen zu koennen).
    Mein Mann kaufte mir dann einen ein Jahr alten Toyota Corolla im Dezember 2010, den ich immer noch ohne Probleme fahre.
    So gesehen hat sich bis heute nicht viel veraendert.
    Als ich 2005 - 2008 im Call Center arbeitete, hatte ich ein Jahreseinkommen von $ 24.000, was gerade so fuer den Kauf eines japanischen Mittelklassewagens ausgereicht haette. :)
    So mußten für den Kauf eines Autos die Interessenten nach einer Wartezeit von zehn bis zwölf Jahren fast ein ganzes Jahreseinkommen und mehr aufbringen, da ein "Trabant" um die 8.000,- Mark und ein "Wartburg" fast das Doppelte kostete.


    Na ja, zumindest hattest Du die Auswahl zwischen einer ganzen Reihe von Modellen ohne Wartezeiten, und zur Not hätte es ja auch ein Gebrauchter getan. Gestartet bis ich 1977 mit einigen Renault R 4, die alle gebraucht waren. Sehr günstig in der Anschaffung, wartungsfreundlich, 34 PS, und als Gratiszugabe konnte man ihnen beim Rosten zusehen. ;) Meinen ersten Neuwagen kaufte ich erst 1995.

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    Sonntag, 13. August 2023, 14:26

    RE: RE: RE: Über die wirtschaftliche Entwicklung der DDR in den 60er Jahren und das allmähliche Ende der Ulbricht- Ära

    In meiner ersten Ehe fuhren wir nacheinander zweimal einen Citroën. Er liess uns staendig im Stich.
    Hier in den USA wurde mir von Arbeitskollegen gesagt, dass auslaendische Marken zuverlaessiger seien als Ford, Chrysler, Chevrolet oder Dodge.
    Na ja, zumindest hattest Du die Auswahl zwischen einer ganzen Reihe von Modellen ohne Wartezeiten, und zur Not hätte es ja auch ein Gebrauchter getan. Gestartet bis ich 1977 mit einigen Renault R 4, die alle gebraucht waren. Sehr günstig in der Anschaffung, wartungsfreundlich, 34 PS, und als Gratiszugabe konnte man ihnen beim Rosten zusehen. ;) Meinen ersten Neuwagen kaufte ich erst 1995.

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    Sonntag, 13. August 2023, 16:13

    Über die Geschichte der Gesellschaft für Sport und Technik (GST)

    Mitte der 70er Jahre befand ich mich mit meinem alten Herrn zu einem Besuch der etwas entfernteren Verwandtschaft in Halle- Seeben. Wie damals üblich, brachten wir einiges an dort dringend benötigten Waren mit, z.B. Keramikfliesen. Im Gegenzug erhielt ich von unserer dankbaren "Tante Paula" ein erkleckliches Sümmchen an DDR- Mark, sowie u.a auch eine ausrangierte GST- Uniform, die ich mir bei der Ausreise aus der DDR einfach unterzog und damit anstandslos die Grenze passierte und die bei Freunden damals einiges Aufsehen erregte.
    Wer oder was war aber nun die GST, die im Gegensatz zu den Jungen Pionieren oder der FDJ weitgehend in Vergessenheit geraten ist ?! Wer als DDR- Jugendlicher Sportschießen, Funken, Fallschirmspringen oder Segelfliegen wollte, kam um eine Mitgliedschaft in der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) kaum herum. Viele der durch die GST angebotenen Aktivitäten wie Sporttauchen oder Segelfliegen waren, bedingt durch die potentiell durchaus vorhandene Fluchtgefahr, nur im Rahmen dieser Organisation möglich. Ursprünglich jedoch sollte die am 7. August 1952 gegründete Organisation der allgemeinen gemeinschaftlichen Freizeitgestaltung von Heranwachsenden dienen und deren technische Kenntnisse schulen, ähnlich wie dies während der NS- Zeit bei der HJ geschah. Wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stand die "Militarisierung" aller gesellschaftlichen Ebenen noch nicht derart auf der Agenda des SED- Regimes oder wurde zumindest noch nicht offensiv propagiert. Den reinen Charakter einer "zivilen" Massenorganisation zur Freizeitgestaltung von Heranwachsenden konnte die GST allerdings nicht lange wahren, da mit der Wiederaufrüstung der beiden deutschen Staaten und der Gründung von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee auch die Ausrichtung der GST nachhaltig beeinflußt wurde.
    Dementsprechend standen zunehmend der Wehrsport und die vormilitärische Wehrerziehung im Fokus der GST, die sich verstärkt als "Schule des Soldaten von Morgen" verstand. Entsprechend paramilitärisch wurde auch die Organisation der GST, bei der es ab den beginnenden 60er Jahren für die Teilnehmer Uniformen mit entsprechenden Dienstgraden und Auszeichnungen für besonders gute Leistungen gab. Die Vorstände der GST wurden allmählich von militärisch geschultem Personal besetzt; in der Regel handelte es sich um ehemalige Berufssoldaten der NVA.
    Viele junge Menschen der damaligen Jahrzehnte wurden vor allem deshalb Mitglied in der GST, da sie dort äußerst kostengünstig ihren Führerschein machen konnten. So kostete in den 80er Jahren ein Motorradführerschein lediglich 58,60 Mark, und ein LKW- Führerschein konnte bereits für 75,- Mark erworben werden. Nach offizieller Lesart sollten die Absolventen der entsprechenden Fahrausbildung später ihren obligatorischen Wehrdienst in der NVA antreten und dort möglichst lange dienen. Diesem Zweck dienten eine Reihe von Broschüren, die vom Zentralvorstand der GST herausgegeben wurden, so z.B. "Unser Wehrdienst- Dienst für den Frieden" oder "Soldat am Lenkrad", die u.a. die Ausbildung zum Militärkraftfahrer thematisierten.
    Die regelmäßig veranstalteten Wehrspartakiaden boten den Mitgliedern der GST die Möglichkeit, sich im Wehrsport mit anderen zu messen. Darüber hinaus wurden von der GST diverse Zeitschriften herausgegeben, so z.B. "Sport und Technik", die für fünfzig Pfennig käuflich zu erwerben war.
    In den 80er Jahren hatte die GST über eine halbe Million Mitglieder, die in rund zehntausend lokale Sektionen gegliedert waren. In diesem Jahrzehnt gestaltete sich dennoch die Gewinnung von Nachwuchs für die NVA über die GST zunehmend schwieriger, da die Stagnation in vielen gesellschaftlichen Bereichen und die zunehmende Ablehnung des SED- Staates auch vor der Gesellschaft für Sport und Technik nicht Halt machte. Nach der Wende wurde dann im Frühjahr 1990 die als nicht mehr zeitgemäß erachtete Organisation endgültig aufgelöst und abgewickelt.

    www.youtube.com/watch?v=exWXcS7z5S0
    www.youtube.com/watch?v=RfK54XpscVs

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    Dienstag, 15. August 2023, 16:25

    Für die Verteidigung des Arbeiter- und Bauernstaates - Zur Geschichte der NVA

    Als nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges von den alliierten Siegermächten mit dem Potsdamer Abkommen die Demilitarisierung des Deutschen Reiches beschlossen wurde, galt diese Verfügung zunächst auch in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Lediglich zur Gewährleistung der inneren Sicherheit begann man mit dem Ausbau von Einheiten der Deutschen Volkspolizei (DVP), zu deren Aufgabe auch die Sicherung der Zonengrenze gehörte. Zunächst hatten die Grenzpolizeieinheiten lediglich eine Gesamtstärke von rund 2.500 Mann, die bis 1948 bis auf 10.000 Mann verstärkt wurde. Bei diesen Verbänden handelte es sich ganz überwiegend um kasernierte Einheiten der Deutschen Volkspolizei, die mehr oder weniger militärisch organisiert waren.
    Erst im Jahre 1956 wurden gleichzeitig mit der Gründung der Nationalen Volksarmee (NVA) von der Polizei unabhängige Grenztruppen ins Leben gerufen. Die bereits existierenden Einheiten zur Grenzsicherung wurden nun der NVA als Teilstreitkraft unterstellt. Waren sowohl die NVA als auch die Grenzeinheiten zunächst eine reine Freiwilligen- Armee, erfolgte mit der Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes von 1962 die endgültige Umwandlung zu einer Streitmacht aus Berufsoffizieren, Zeitsoldaten und Wehrpflichtigen.
    Nach dem Mauerbau bestand die vorrangige Aufgabe der Grenztruppe in der Sicherung der Staatsgrenze nach innen. Zwar wurde diese Hauptfunktion von offizieller DDR- Seite stets negiert und die Berliner Mauer z.B. als "Antifaschistischer Schutzwall" schöngeredet, jedoch änderte dies nicht an dem tatsächlichen Charakter der Sperranlagen, die die eigene Bevölkerung an einer Flucht in die Bundesrepublik hindern sollten. Seit 1966 erfolgte dann ein systematischer Ausbau der Grenzüberwachungsanlagen mittels "wirksamer Pionieranlagen". Darunter verstand man sowohl elektrische Warnsysteme wie Selbstschußanlagen, Stacheldrahtsicherungen, Metallgitterzäune, Mauern aus Stahbeton, KfZ- Sperrgräben, Bunker, Beobachtungstürme, Hundelaufanlagen, Kolonnenwege für Transport- und Kontrollfahrten sowie ein ausgedehntes Meldenetz. Unterstützt wurden die Grenzer durch sogenannte "Grenztruppenhelfer" in einer Stärke von etwa zwei- bis dreitausend Mann, die bei der Überwachung der Grenze Hilfsdienste wie Straßenkontrollen u.ä. ableisteten. Der Einsatz wurde in Zivilkleidung abgeleistet, und lediglich eine Armbinde kennzeichnete sie als "Freiwillige Helfer der Grenztruppen".
    Auch für die Masse der NVA- Einheiten, die keinen direkten Grenzdienst leisten mußten, stellte der Wehrdienst in der NVA eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Trotz der Vorgabe, lediglich eine Verteidigungsarmee zu sein, befand sich die Truppe in einer permanent hohen Gefechtsbereitschaft. Denn der Kernsatz der sozialistischen Militärdoktrin lautete, daß der Gegner auf seinem eigenen Territorium zu vernichten sei. Die Theorie ging davon aus, daß nach einer Aggression der NATO die Truppen des Warschauer Pakts zur Gegenoffensive übergehen und den Feind auf NATO- Territorium vernichten würden. Für den einzelnen Wehrdienstleistenden bedeutete diese permanente Gefechtsbereitschaft eine hohe Beanspruchung: wenig Urlaub, kaum Ausgang und damit eine längerfristige Trennung von Familie und Freunden. Hinzu kam ein relativ rigides disziplinarisches System. Während die Waffentechnik und die militärische Ausrüstung meist in sehr gutem Zustand waren, galt dies für Mannschaftsunterkünfte, Sanitäreinrichtungen, Mannschaftsküchen und Speiseräume bereits deutlich weniger, da Haushaltsmittel vorrangig für die Sicherstellung der technischen Kampfkraft genutzt wurden.
    Die Musterung für den Wehrdienst erfolgte in der Regel im Alter von 17 Jahren, wobei sich der Jugendliche bereits zu diesem Zeitpunkt entscheiden mußte, ob er sich für eine längere Dienstzeit verpflichten wollte. Eine Wehrdienstverweigerung aus weltanschaulichen oder religiösen Gründen stand bis 1964 außer Frage. Erst in diesem Jahr schuf der Nationale Verteidigungsrat die Möglichkeit eines waffenlosen Militärdienstes als sogenannter "Bausoldat". Eine völlige Verweigerung, wie sie z.B. von den Zeugen Jehovas praktiziert wurde, war gesetzeswidrig und wurde entsprechend hart bestraft.
    Der Grundwehrdienst war im Alter von 18 bis 26 Jahren für 18 Monate abzuleisten. Er wurde mit dem obligatorischen Wehrkundeunterricht an den Schulen vorbereitet und setzte sich in Form von Reserveübungen teilweise noch viele Jahre nach dem aktiven Wehrdienst fort. Bis zum Alter von 50 Jahren konnte man insgesamt bis zu 24 weiteren Monaten einberufen werden. Eine Laufbahn als Berufsunteroffizier dauerte 10 Jahre, als Fähnrich 15 Jahre und als Berufsoffizier 25 Jahre. Während eines Ausgangs bestand zumindest in der Theorie laufend Uniformpflicht in der Öffentlichkeit. Zur Durchsetzung disziplinarischer Maßnahmen waren die Vorgesetzten mit einem weitreichenden Instrumentarium ausgestattet; so konnten sie Urlaub und Ausgang gewähren oder auch verbieten, Arrest und Degradierungen aussprechen, aber auch Belobigungen in Form von Beförderungen oder Sonderurlaub. Ein eher dunkles Kapitel der NVA bildete dabei die "EK- Bewegung", bei der es sich um Verhaltensmuster von Entassungskandidaten handelte, die meist ihr letztes Diensthalbjahr bei der NVA ableisteten und ihre Frustrationen sowie ihren Status dazu benutzten, sich an Neuzugängen abzureagieren, wobei es nicht selten zu Gewalt und Schikanen kam.

    www.youtube.com/watch?v=rDAQA5_qrFU
    www.youtube.com/watch?v=G9QC8nICyh0

    13

    Dienstag, 15. August 2023, 20:18

    RE: Über die Geschichte der Gesellschaft für Sport und Technik (GST)

    Tolle Geschichte mit der Uniform!
    Mitte der 70er Jahre befand ich mich mit meinem alten Herrn zu einem Besuch der etwas entfernteren Verwandtschaft in Halle- Seeben. Wie damals üblich, brachten wir einiges an dort dringend benötigten Waren mit, z.B. Keramikfliesen. Im Gegenzug erhielt ich von unserer dankbaren "Tante Paula" ein erkleckliches Sümmchen an DDR- Mark, sowie u.a auch eine ausrangierte GST- Uniform, die ich mir bei der Ausreise aus der DDR einfach unterzog und damit anstandslos die Grenze passierte und die bei Freunden damals einiges Aufsehen erregte.

    14

    Dienstag, 15. August 2023, 21:37

    RE: RE: Über die Geschichte der Gesellschaft für Sport und Technik (GST)

    Tolle Geschichte mit der Uniform!
    Mitte der 70er Jahre befand ich mich mit meinem alten Herrn zu einem Besuch der etwas entfernteren Verwandtschaft in Halle- Seeben. Wie damals üblich, brachten wir einiges an dort dringend benötigten Waren mit, z.B. Keramikfliesen. Im Gegenzug erhielt ich von unserer dankbaren "Tante Paula" ein erkleckliches Sümmchen an DDR- Mark, sowie u.a auch eine ausrangierte GST- Uniform, die ich mir bei der Ausreise aus der DDR einfach unterzog und damit anstandslos die Grenze passierte und die bei Freunden damals einiges Aufsehen erregte.


    Da gibt es noch eine bessere, die gut zum NVA- Thema paßt. Ein entfernterer Verwandter aus Halle war Offizier (nach meiner Erinnerung Oberleutnant) bei der NVA. Es muß 1975 oder 1978 gewesen sein, als wir unsere Hallenser Verwandtschaft besuchten. Mein Vater fuhr damals einen Mercedes 350 SLC mit einigen zu dieser Zeit noch seltenen Gadgets wie elektrischen Fensterhebern, was schon an der Grenze einiges Aufsehen erregte. Als wir den NVA- Angehörigen besuchten, schlug der kurzerhand vor, mit dem Wagen in seine Kaserne zu fahren, was mein Vater und er nach einigem Für und Wider (Gefahr der Beschlagnahme !) auch umsetzten, während ich bei meiner Großtante verblieb. Einige Stunden später klopfte es plötzlich an meine Zimmertür, und ein Mann in NVA- Offiziersuniform trat herein und erklärte mich kurzerhand für verhaftet. Nach dem ersten Riesenschreck stellte sich heraus, daß es sich um meinen Vater höchstselbst handelte, der sich gemeinsam mit den Offizieren in der Kaserne einen Riesenjux erlaubt hatte und kurzzeitig in Uniform herumlief. Zum "Schadensausgleich" bekam ich von meinem Verwandten ein Paar lederne Offiziersstiefel geschenkt, die mir ein paare Jahre gute Dienste bei der Arbeit leisteten und mit denen ich sogar einmal in der Disco herumlief. :thumbsup:
    Später erfuhr ich, daß da auch noch andere Dinge liefen, die dem sozialistischen Wunschbild diametral entgegenstanden. So wurden unter den Offizieren in dieser Einheit eifrig Briefmarken und Umschläge mit Militärmotiven aus der Zeit des Dritten Reiches gehandelt, während diese offiziell verpönt waren und auch nicht in DDR- Briefmarkenkatalogen gelistet wurden. 8o

    15

    Mittwoch, 16. August 2023, 10:01

    RE: RE: RE: Über die Geschichte der Gesellschaft für Sport und Technik (GST)

    Sagenhaft! Du hast echt viel erlebt in der Ex-DDR.
    Mitte der 70er Jahre befand ich mich mit meinem alten Herrn zu einem Besuch der etwas entfernteren Verwandtschaft in Halle- Seeben. Wie damals üblich, brachten wir einiges an dort dringend benötigten Waren mit, z.B. Keramikfliesen. Im Gegenzug erhielt ich von unserer dankbaren "Tante Paula" ein erkleckliches Sümmchen an DDR- Mark, sowie u.a auch eine ausrangierte GST- Uniform, die ich mir bei der Ausreise aus der DDR einfach unterzog und damit anstandslos die Grenze passierte und die bei Freunden damals einiges Aufsehen erregte.


    Da gibt es noch eine bessere, die gut zum NVA- Thema paßt. Ein entfernterer Verwandter aus Halle war Offizier (nach meiner Erinnerung Oberleutnant) bei der NVA. Es muß 1975 oder 1978 gewesen sein, als wir unsere Hallenser Verwandtschaft besuchten. Mein Vater fuhr damals einen Mercedes 350 SLC mit einigen zu dieser Zeit noch seltenen Gadgets wie elektrischen Fensterhebern, was schon an der Grenze einiges Aufsehen erregte. Als wir den NVA- Angehörigen besuchten, schlug der kurzerhand vor, mit dem Wagen in seine Kaserne zu fahren, was mein Vater und er nach einigem Für und Wider (Gefahr der Beschlagnahme !) auch umsetzten, während ich bei meiner Großtante verblieb. Einige Stunden später klopfte es plötzlich an meine Zimmertür, und ein Mann in NVA- Offiziersuniform trat herein und erklärte mich kurzerhand für verhaftet. Nach dem ersten Riesenschreck stellte sich heraus, daß es sich um meinen Vater höchstselbst handelte, der sich gemeinsam mit den Offizieren in der Kaserne einen Riesenjux erlaubt hatte und kurzzeitig in Uniform herumlief. Zum "Schadensausgleich" bekam ich von meinem Verwandten ein Paar lederne Offiziersstiefel geschenkt, die mir ein paare Jahre gute Dienste bei der Arbeit leisteten und mit denen ich sogar einmal in der Disco herumlief. :thumbsup:
    Später erfuhr ich, daß da auch noch andere Dinge liefen, die dem sozialistischen Wunschbild diametral entgegenstanden. So wurden unter den Offizieren in dieser Einheit eifrig Briefmarken und Umschläge mit Militärmotiven aus der Zeit des Dritten Reiches gehandelt, während diese offiziell verpönt waren und auch nicht in DDR- Briefmarkenkatalogen gelistet wurden. 8o

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    Mittwoch, 16. August 2023, 16:11

    Über die Kampfgruppen der Arbeiterklasse (KdA)

    Die in der Bundesrepublik oft kaum bekannte Organisation war quasi die "offizielle" Antwort der SED auf den Aufstand des 17. Juni 1953 , als auf der 14. ZK- Tagung am 21.6.1953 die Bildung von sogenannten "Arbeiterwehren" vorgeschlagen wurde. Auf seiner Folgetagung Ende Juli 1953 wurde dann bereits die Bildung von "Kampfgruppen der Arbeiterklasse" in Großbetrieben, VEG, MTS sowie in staatlichen Institutionen und Verwaltungen beschlossen. Ihre Mitglieder rekrutierten sich in den Folgejahren meist aus "zuverlässigen Genossen" mit SED- Parteibuch, jedoch nahmen die KdA seit Mai 1954 auch Parteilose auf, die bereits ihre Zuverlässigkeit gegenüber Staat und Partei unter Beweis gestellt hatten. Bei der Propagierung für den Eintritt in die KdA nahm die SED- Führung Bezug auf proletarische Traditionen z.B. der Volksmarinedivision, der Roten Ruhrarmee während der bürgerkriegsähnlichen Kämpfe von 1923, des Roten Frontkämpferbundes und der Internationalen Brigaden während des Spanischen Bürgerkriegs.
    Paramilitärische Formationen existierten vereinzelt bereits im zweiten Halbjahr 1952, als auch gleichzeitig der Aufbau der Kasernierten Volkspolizei seinen Anfang nahm. Erste Hundertschaften der zunächst als Betriebskampfgruppen bezeichneten KdA wurden seit September 1953 aufgestellt. Die erste Uniformierung bestand aus einem blauen Overall, einer blauen Skimütze und einer roten Armbinde. Während der Kundgebungen zum 1. Mai 1954 erfolgte bereits ein erster öffentlicher Aufmarsch von Verbänden der KdA. Ihren ersten aktiven Einsatz erlebten die KdA, als sie von der Staats- und Parteiführung der DDR demonstrativ bei Beginn des Mauerbaus im August 1961 als Sicherungskräfte in Berlin eingesetzt wurden. Im Jahre 1970 nahmen Kampfgruppen- Einheiten erstmals an einem Manöver des Warschauer Pakts teil, nachdem ein Politbürobeschluß auf den allmählichen Umbau der bis dahin im Wesentlichen zum Betriebs- und Objektschutz verwendeten Verbände abzielte.
    Nachdem im Januar 1956 offiziell mit dem Aufbau der Nationalen Volksarmee (NVA) begonnen wurde, entwickelten sich die KdA parallel dazu zu einem integralen Bestandteil der DDR- Landesverteidigung. Alle wesentlichen Entscheidungen im Hinblick auf die Strukturen der KdA fielen ausschließlich im engeren Kreis der SED- Staatsführung, wobei diese Verbände im Kriegsfall umgehend der NVA- Führung unterstellt werden sollten. Die Kommandeure der KdA waren Generalmajor Willi Seifert (1957-1961), Oberst Karl Mellmann (1961-1972) sowie Oberstleutnant Wolfgang Krapp (1972-1989).
    Ihr Personal rekrutierten die Kampfgruppen der Arbeiterklasse teils auf freiwilliger Basis, teilweise auch durch politischen Druck vorwiegend aus den SED- Mitgliedern in Produktionsbetrieben, Verwaltungen und vielen anderen Einrichtungen, wobei die Beschäftigung in kleineren Betrieben einen relativ guten Schutz vor der Hinzuziehung zu Verbänden der KdA gewährleistete. Die Mitglieder dieser Verbände waren ausschließlich erwachsene Männer im Alter zwischen 25 und 55 Jahren, die zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr in die "KdA- Reserve" versetzt wurden. Frauen durften, sofern sie überhaupt zu den KdA hinzugezogen wurden, ausschließlich im Sanitäts- und Funkdienst eingesetzt werden.
    Die Grundstruktur der KdA bestand aus der in drei Züge zu je drei Gruppen gegliederten Hundertschaft. Drei Hundertschaften bildeten wiederum ein leichtes Bataillon, darüber hinaus befanden sich ebenfalls schwere Kampfgruppen- Bataillone in der Bezirksreserve, die jeweils zwei motorisierte Hundertschaften und eine schwere Hundertschaft mit Pak- Geschützen, mittleren und schweren Granatwerfern, schweren MG´s und leichter Flak umfaßten.
    Insgesamt gehörten den Kampfgruppen der Arbeiterklasse ca. 400.000 Mitglieder an. Ausbildung und Übungen sollten grundsätzlich außerhalb der regulären Arbeitszeit erfolgen, doch gab es auch zahlreiche Ausnahmen von dieser Regel. Für die Beschaffung und Lagerung der Waffen war die Volkspolizei zuständig. Die Ausbildung der Hundertschafts- und Zugführer erfolgte an der Zentralschule Für Kampfgruppen "Ernst Thälmann" in Schmerwitz (Bez. Potsdam), die Ausbildung der Bataillonskommandeure erfolgte an der Lehranstalt "Hans Beimler" in Wartin (Bez. Frankfurt/ O.). Weitere Kampfgruppenschulen gab es ebenfalls in Biesenthal, Dommitzsch und Weimar.
    Die KdA wurden auf den Einsatz bei inneren Unruhen sowie die Sicherung von Betrieben, Verkehrseinrichtungen, auf logistische Aufgaben, die Bekämpfung gegenerischer Luftlandetruppen und den taktischen Kampfeinsatz im Verbund mit der NVA vorbereitet. Mitglieder dieser Verbände besaßen den Vorteil, nicht der Reservistenpflicht der NVA zu unterliegen. Nach 25- jähriger Dienstzeit wurden sie aus dem aktiven Dienst verabschiedet und erhielten eine Ehrenurkunde des ZK der SED; auch erhöhte sich ihr monatlicher Rentenbezug um hundert Mark.
    Während der Wende im Jahre 1989 verzichtete die DDR- Staatsführung auf den Einsatz von Kampfgruppen der Arbeiterklasse. Am 6. Dezember 1989 wurden die KdA auf Anweisung des Innenministers entwaffnet, in den Folgemonaten aufgelöst und wurden so zu einem Teil der DDR- Geschichte, der heute weitgehend vergessen ist.

    www.youtube.com/watch?v=UghrDTJC4Qw

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    Donnerstag, 17. August 2023, 16:12

    Luxus für verdiente Werktätige - Die FDGB - Urlauberschiffe

    Eigentlich stellten sie nur die Fortsetzung der KdF- Urlauberschiffe dar, wie sie in der Zeit des Dritten Reiches zum Einsatz kamen, jedoch hatte die DDR mit diesem Konzept zwei ganz spezifische Probleme: das der überbordenden Kosten und die Tatsache, daß eine ganze Reihe von derart privilegierten Urlaubern kurzerhand an geeigneten Plätzen "von der Reling sprangen". Darüber aber weiter unten mehr.
    Noch in den frühen 90er Jahren konnte man im Hafen von Stralsund ein schlank gebautes Kreuzfahrtschiff bewundern, auf dem noch wenige Jahre zuvor DDR- Bürger die Sektkorken knallen ließen, sich auf dem Sonnendeck entspannten oder sich im Tanzsalon vergnügten, während ihr Schiff über die Ostsee oder das Mittelmeer fuhr. Dahinter stand, daß der erste Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden zwischen 1960 und 1990 mit dem Hochseedampfer "Fritz Heckert" und zwei anderen Kreuzfahrtschiffen insgesamt über dreihunderttausend verdiente Werktätige in eine Art Luxusurlaub schickte. Zwar wurde von offizieller Seite stets kolportiert, daß Werftarbeiter den Bau eines derartigen Luxusliners vorgeschlagen hätten, jedoch sah die Wirklichkeit dergestalt aus, daß das Projekt von "ganz weit oben" angeordnet worden war. Vor allem die staatstragende Klasse der Arbeiter sollte durch das Versprechen von luxuriösen Reiseerlebnissen zu noch höheren Produktionsleistungen animiert werden. Doch dem Schiffbau der DDR fehlten in den 50er Jahren zunächst die Kapazitäten und dem Staatshaushalt die Mittel für derart kostspielige Vorhaben. Erst Im Jahre 1958 schien die Zeit reif für die sozialistische Kreuzfahrtsidee. Auch Parteichef Walter Ulbricht lobte das Vorzeigeprojekt mit den Worten: "Es ist sehr schön, daß wir die politische Macht haben, aber wir müssen auch beweisen, daß unser Wohlstand wächst !"
    Nach der "Fritz Heckert" sollten zwei weitere Kreuzfahrtschiffe folgen, denn noch während der erste Luxusliner in Wismar zusammengebaut wurde, kaufte Ost- Berlin einen schwedischen Passagierdampfer, die ehemalige "Stockholm". Tatsächlich stach das Schiff im Jahre 1960 unter seinem neuen Namen "Völkerfreundschaft" dann auch in See, und die DDR- Gazetten brachten Bilder von verdienten Werktätigen auf dem Sonnendeck, am Fuße der Pyramiden oder im Olympiastadium von Helsinki. Sie alle sollten der daheimgebliebenen Bevölkerung signalisieren, daß sich auch und gerade in der Deutschen Demokratischen Republik harte Arbeit lohnen würde, was damals durchaus nicht allen Werktätigen einsichtig war.
    Über die Kosten des ganzen Vergnügens hatten sich die Hauptverantwortlichen allerdings kaum Gedanken gemacht, denn ökonomisches Kalkül mußte damals hinter ideologischem Wunschdenken zurückstehen. Nachdem selbst Walter Ulbricht diesen schwierigen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt hatte, zog man parteiintern die kleine Notbremse, und kurz darauf zogen die Ticketpreise kräftig an.
    Am 1. Mai 1961 brach die "Fritz Heckert" zu ihrer ersten Reise nach Helsinki, Leningrad und Riga auf, und drei Monate später ließ DDR- Staatschef Walter Ulbricht die Mauer errichten. Somit bildeten Kreuzfahrten eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten für DDR- Bürger, andere Länder zu sehen, was damals nicht wenige nutzten, um ihr sozialistisches Vaterland für immer zu verlassen. Infolge verschwanden die Pläne zum Bau weiterer Kreuzfahrtschiffe recht schnell in den Archiven, und Häfen des kapitalistischen Auslands wurden umgehend aus den Routenplänen gestrichen. Fortan durchleuchtete die Staatssicherheit alle Passagiere mehr oder weniger gründlich bereits vor Reisebeginn, auch mischten sich informelle Mitarbeiter (IM) der Stasi unter Reisende und Besatzung. Dennoch gelang im Laufe der Jahre mehr als zweihundert Besatzungsmitgliedern und Passagieren die Flucht ins kapitalistische Ausland. So sprangen immer wieder besonders Wagemutige bei Fehmarn über Bord, um sich von Booten des Bundesgrenzschutzes aus der Ostsee fischen zu lassen. Auch der Bosporus galt unter Eingeweihten als beliebter Fluchtpunkt, wobei vor allem junge, gut trainierte, alleinstehende Männer den nicht ganz ungefährlichen Sprung über die Reling wagten. Um weitere derartige "Blamagen" zu verhindern, durften ab 1964/65 nur noch ältere Gewerkschaftsfunktionäre und Parteiveteranen, denen man derartige sportliche Aktivitäten nicht mehr zutraute, durch die Meerenge bei Istanbul mitfahren.
    Blieb bis zuletzt das Problem der extrem hohen Kosten der FDGB- Urlauberschiffe. Die "Fritz Heckert" hatte außerdem immer wieder Probleme mit dem Antrieb, so daß der "weiße Schwan der Ostsee" bereits nach neun Jahren Dienstzeit außer Dienst gestellt werden mußte und fortan in Stralsund auf Reede lag. Die mit schwedischer Technologie gebaute "Völkerfreundschaft" erwies sich dagegen als deutlich langlebiger, verschlang allerdings auch Subventionen in Millionenhöhe. So drängten DDR- Wirtschaftsexperten auf eine generelle Einstellung der sündhaft teuren Kreuzfahrten, konnten sich aber nicht gegen die Entscheidungsträger im Politbüro durchsetzen. Erst 1985 wurde die mittlerweile völlig marode "Völkerfreundschaft" außer Dienst gestellt und sogleich durch ein neues, modernes Schiff ersetzt: die "Arkona". Der ursprünglich in Hamburg als "Astor" vom Stapel gelaufene Luxusliner war auch bei vielen DDR- Bürgern als "ZDF- Traumschiff" zu einiger Berühmtheit gelangt.
    Wer zu den Eliten des DDR- Regimes gehörte, brauchte in der Regel nicht lange auf eine Ticketzuteilung zu warten, sondern besorgte sich dieses auf dem "kleinen Dienstweg". So genügte dem bekannten Kinderbuchautor und Parteisekretär Gerhard Holtz- Baumert ("Alfons Zitterbacke") ein Anruf bei der FDGB- Zentrale, um die Koffer für eine Kreuzfahrt packen zu können. Weniger privilegierte Werktätige mit überdurchschnittlichen Leistungen mußten dagegen jahrelang auf eine Ticketzuteilung durch den Feriendienst warten, oft genug auch vergeblich.
    Bereits wenige Wochen nach dem Fall der Mauer im Jahre 1989 ging die Nachfrage nach den zuvor so begehrten Seereisen schlagartig zurück, denn mit der nun gewonnenen Reisefreiheit verfügten die Bürger der DDR fast über Nacht über zahllose alternative Möglichkeiten, um die weite Welt zu entdecken.

    www.youtube.com/watch?v=Sb3KIGUYtuM

    18

    Freitag, 18. August 2023, 08:22

    RE: Luxus für verdiente Werktätige - Die FDGB - Urlauberschiffe

    Uwe, das war ein ganz besonders interessanter Beitrag von Dir. Vielen Dank.

    Ich muss gestehen, dass ich nie von diesen Schiffen gehoert habe, obwohl ich Grosseltern, Onkel und Tante und Cousins/Cousine zwischen 1960 und 1973 jedes Jahr in der Ex-DDR besucht habe.
    Allerdings gehoerte mein Onkel nicht zu der Masse der Werktaetigen, die mit so einer Schiffsreise belohnt wurden.
    Er machte sich 1969 mit einer Autowerkstatt in Eberswalde selbststaendig, als die meisten Betriebe VEB waren (volkseigener Betrieb).
    Dadurch waren mein Onkel und meine Tante unabhaengig und konnten zumindest in der Ex-DDR, Polen und Ungarn reisen, soviel sie wollten und so lange sie wollten. Fuer den Zweck hatten sie ein Wohnmobil.
    Kreuzfahrtschiffe entdeckten sie erst nach der Wende und kamen mit der AIDA in die USA.
    Da sie kein Englisch sprechen und mit gesundheitlichen Problemen zu kaempfen haben, war die AIDA jahrelang eine gute Loesung, weil AIDA Kreuzfahrtsschiffe stets einen deutschen Arzt an Bord haben.
    Eigentlich stellten sie nur die Fortsetzung der KdF- Urlauberschiffe dar, wie sie in der Zeit des Dritten Reiches zum Einsatz kamen, jedoch hatte die DDR mit diesem Konzept zwei ganz spezifische Probleme: das der überbordenden Kosten und die Tatsache, daß eine ganze Reihe von derart privilegierten Urlaubern kurzerhand an geeigneten Plätzen "von der Reling sprangen". Darüber aber weiter unten mehr.
    Noch in den frühen 90er Jahren konnte man im Hafen von Stralsund ein schlank gebautes Kreuzfahrtschiff bewundern, auf dem noch wenige Jahre zuvor DDR- Bürger die Sektkorken knallen ließen, sich auf dem Sonnendeck entspannten oder sich im Tanzsalon vergnügten, während ihr Schiff über die Ostsee oder das Mittelmeer fuhr. Dahinter stand, daß der erste Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden zwischen 1960 und 1990 mit dem Hochseedampfer "Fritz Heckert" und zwei anderen Kreuzfahrtschiffen insgesamt über dreihunderttausend verdiente Werktätige in eine Art Luxusurlaub schickte.

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    Freitag, 18. August 2023, 15:34

    MS "Fritz Heckert"

    Die MS "Fritz Heckert" kannte ich bereits im Kindesalter, allerdigs nicht aus eigenem Erleben, denn die Postverwaltung der DDR hatte zum Stapellauf dieses Schiffes im Jahre 1960 einen speziellen Briefmarkensatz mit vier Werten herausgegeben, aus dem ich eine Marke in meiner Schülersammlung hatte. :thumbsup:

    20

    Freitag, 18. August 2023, 16:46

    Über die Urlaubsmöglichkeiten der DDR- Bürger

    Einmal im Jahr machte der erste Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden große Ferien, denn zwischen Anfang Juli und Ende August fuhren viele Schüler in die sogenannten "Kinderferienlager". Deutlich knapper waren dagegen Ferienplätze für die ganze Familie in den zwar äußerst preiswerten, aber auch recht einfach gehaltenen FDGB- Ferienheimen. Wer einen der begehrten Plätze erhielt und wer nicht, entschieden in der Regel die dafür speziell eingesetzten Ferienkommissionen der einzelnen Betriebe. Alternativ gab es auch die Möglichkeit, seinen Urlaub privat zu gestalten, aber auch hier kam der durchschnittliche DDR- Bürger im wahrsten Sinne des Wortes schnell an seine Grenzen.
    Für viele Familien war es beinahe wie ein Lottogewinn, wenn sie einen FDGB- Ferienscheck bekamen. Wer sich gesellschaftlich engagierte oder in einer der für besondere Leistungen ausgezeichneten Brigaden arbeitete, hatte in der Regel größere Chancen auf eine Zuteilung. Gelegentlich soll auch eine Partie Westkaffee oder ähnliches der Ferienkommission des jeweiligen Betriebes die Entscheidungsfindung ungemein erleichert haben...
    Der Urlaub in Heimen des FDGB war vor allem deshalb beliebt, weil ihn sich praktisch jeder leisten konnte und weil ein Auslandsurlaub oft nur sehr eingeschränkt möglich und für viele Werktätige auch zu teuer war. Während die Staats- und Parteiführung der DDR den gewerkschaftlich organisierten Familienurlaub als sozialistische Errungenschaft feierte, reichten die angebotenen Plätze in der Praxis nie vollständig aus. Dennoch entwickelte sich das bereits 1947 begonnene Ferienprogramm im Laufe der Folgejahrzehnte beträchtlich. Bereits in den 70er Jahren boten rund eintausendzweihundert FDGB- Ferienheime entsprechende Plätze in allen Regionen der DDR an. Und ein Sieben- Tage- Urlaub im Harz kostete im Jahre 1960 lediglich 17,50 Mark der DDR. Seit den frühen 60er Jahren kamen Betten in Interhotels und Kajüten auf der "Fritz Heckert" und der "Völkerfreundschaft", den Traumschiffen dieser Zeit für Arbeiter und Bauern, hinzu. Steuerten die Schiffe allerdings "republikfluchtverdächtige" Häfen an, wurde jeder einzelne Bewerber aufgrund leidvoller Erfahrungen durchleuchtet, bevor er allein oder mit seiner Familie in See stechen konnte.
    Wer dem Massenurlaub in einem der FDGB- Ferienheime mit geregelten Essenszeiten und organisiertem Frohsinn entgehen wollte, hatte es in der DDR nicht ganz einfach, sogar dann, wenn er willens und in der Lage war, dafür mehr Geld auszugeben. Denn die Möglichkeiten, seinen Urlaub privat zu gestalten, waren eher begrenzt. Hotels des Reisebüros der DDR waren eine Seltenheit und entsprechende Zimmer nur mit sehr viel Glück und Geduld zu erhalten. Selbst mit Privatquartieren sah es in den begehrten Urlaubsgebieten nicht viel besser aus. So regelte das DDR- Grenzgesetz, daß insbesondere an der Ostseeküste dortige Einheimische ihre Privaträume nur an Verwandte vermieten durften; eine Regelung, an die sich in der Praxis jedoch kaum jemand hielt und Schwarzvermietungen eher die Regel als die Ausnahme waren. Selten erhielt man über eine Anzeige in der "Wochenpost" ein nettes Privatquartier, das man sich dann über viele Jahre zu sichern wußte. Ansonsten half nur ein ganzes Netz von guten Beziehungen zu Freunden, Bekannten oder Verwandten. Gern wurde auch "kompensiert", so daß ein Sommerquartier an der Ostsee schon einmal einen Satz Autoreifen für den Trabi oder Wartburg der Gastgeberfamilie einbringen konnte. Wer individuell reisen wollte, z.B. in Form eines Angelurlaubs an einem der malerischen mecklenburgischen Seen, brauchte vielfältige Beziehungen.
    Zur Kindheit in der DDR gehörte für Millionen auch der Aufenthalt in einem Ferienlager. Viele erinnerten sich in späteren Jahren z.B. an Nachtwanderungen, Diskobesuche und erste kleine Romanzen. Mit dem eigenen Boot die Ostsee zu befahren, war dagegen streng verboten, da auch hier die stetige Gefahr einer Republikflucht im Raum stand. Jugendliche trampten stattdessen an den Sommerwochenenden mit wenig Gepäck und Gitarre an die Küste und campten wild in den Stranddünen, was offiziell ebenfalls streng verboten war, so daß die Sicherheitsorgane dort besonders häufig nach dem Rechten sahen und selbst Luftmatratzenschwimmer schnell wieder an den Strand zurückbeorderten. Zwar durften die Strandabschnitte ab 20 Uhr nicht mehr betreten werden, jedoch hielt sich in der Urlaubspraxis kaum jemand daran.
    Urlaub ganz privat konnte aber auch der Sommer im eigenen Garten oder der "Datsche" sein. Viele Familien hatten sich ihren Schrebergarten mit dem dazugehörigen Häuschen so ausgebaut, daß man hier bequem die Sommerferien mit der ganzen Familie verbringen konnte.
    Gute Beziehungen waren auch für das Campen nötig, denn auch die Campingplätze waren während der Sommerferien heillos überlaufen. Aber selbst das Anstehen nach Broiler, Bier oder Brause und die meist eher bescheidenen sanitären Anlagen schreckten die meisten Camper nicht ab. Im Jahre 1954 zählten die DDR- Statistiker erst 10.000 Camper, 1959 bereits 172.000 und zwanzig Jahre später schon eine halbe Million. Um jedoch einen der begehrten Zeltplätze ergattern zu können, mußte man sich mindestens ein halbes Jahr vorher anmelden. Doch nicht nur die Zeltpätze waren heiß begehrt, auch die Campingzelte entpuppten sich als ständige Mangelware, die oft nur unter der Hand zu bekommen waren.
    Die "Riviera" der DDR- Urlauber lag am Schwarzen Meer. Wer im Urlaub auf die Krim, nach Rumänien oder Bulgarien wollte, brauchte Geld, Geduld im Reisebüro und vor allem einen guten Leumund, um ein Visum ergattern zu können. Unbürokratisch gestaltete sich nur die Einreise in die CSSR und nach Polen, nachdem am 1. Januar 1972 Visafreiheit mit diesen Ländern vereinbart worden war. Diese wurde erst nach Verhängung des Kriegsrechts in Polen 1981 wieder aufgehoben. Tschechische Kronen gab es dagegen zum Bedauern vieler DDR- Touristen nur rationiert, denn das Angebot in tschechischen Läden war oft sehr bunt und reichhaltig.
    Goldstrand, Albena und der Sonnenstrand am Schwarzen Meer waren Bulgariens traditionsreichste Seebäder, doch galten derartige Urlaubsziele für DDR- Bürger als sehr teuer. Unkomplizierter waren Reisen mit den sogenannten "Freundschaftszügen". Wer dort mitfahren durfte, entschieden allerdings der Betrieb, das Jugendreisebüro oder die FDJ. Als das beliebteste sozialistische Urlaubsland galt dagegen Ungarn, wohin im Sommer ganze Trabi- Karawanen zogen, um am Balaton die Sonne und auch gelegentliche Westprodukte zu genießen. Auch Kuba oder Jugoslawien kamen in Betracht, jedoch erleicherten hier der offene Ozean oder die Grenze nach Italien deutlich eine mögliche Republikflucht, weshalb nur ideologisch völlig unbedenkliche Bürger in den Genuß dieser Reisen kamen.
    Seit dem Mauerbau am 13. August 1961 blieben Reisen ins kapitalistische Ausland für die Masse der DDR- Bürger unerreichbar. Ausschließlich Rentner konnten ab Mitte der 60er Jahre vorbehaltlos z.B. in die Bundesrepublik reisen, denn wenn sie "drüben" blieben, ersparten sie dem System die Kosten weiterer Rentenzahlungen.

    www.youtube.com/watch?v=gkM6Gk4j_Gw