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    Sonntag, 9. Juli 2023, 15:23

    Kinder, Mütter und ein General (D 1955)

    Im Vergleich zu anderen auch heute noch sehr bekannten deutschen Antikriegsfilmen der 50er Jahre wie "Die Brücke" oder "Hunde, wollt ihr ewig leben ?" scheint "Kinder, Mütter und ein General" im Gedächtnis vieler ein wenig untergegangen zu sein. Völlig zu Unrecht, wie ich finde, weshalb die Produktion an dieser Stelle noch einmal hervorgehoben werden soll.
    Hollywood- Regisseur Laszlo Benedek inszenierte im Jahre 1955 einen sehr realistisch verfilmten Kriegsstoff nach dem gleichnamigen Buch von Herbert Reinecker. Den Fimemachern der "Intercontinental- Film München" ging es rund zehn Jahre nach den tatsächlichen oder ähnlichen Geschehnissen vor allem darum, den Zuschauern die Sinnlosigkeit des Verheizens junger Menschen "kurz vor Toresschluß" eindrücklich vor Augen zu führen. Auch der Vater des Autors dieses Blogs ist derartigen Einsätzen laut Eigenbekundung nur deshalb entgangen, weil er dafür als Geburtsjahrgang 1932 ein Jahr zu jung war.
    Auffällig ist, daß "Kinder, Mütter und ein General" erheblich von den landläufigen Produktionen jener Tage abweicht und ein weitgehend ungeschöntes Bild der letzten Kriegswochen an der Ostfront aufzeigt. Produziert wurde der Film im Atelier Hamburg- Wandsbek, während die Nachaufnahmen im Atelier der Bavaria- Film in Geiselgasteig entstanden. Die Dreharbeiten zu den "Frontaufnahmen" fanden zwischen Oktober und Dezember 1954 in der Lüneburger Heide, in Walsrode und in Buchholz/ Nordheide auf Truppenübungsplätzen statt, unterstützt von einem Rudel dort stationierter britischer "Churchill"- Panzer. Heutigen Militaria- Fans sticht insbesondere die sehr authentische Ausstattung der Protagonisten und Nebendarsteller mit militärischer Bekleidung ins Auge, von der im Jahre 1954 im Fundus der Produktionsfirma wohl noch etliches auffindbar war, z.B. Wehrmachtsmäntel, Tarn- und Wendejacken sowie Zeltbahnen aus dieser Zeit.
    Der Film glänzt darüber hinaus durch die außergewöhnlich umfangreiche Besetzung mit dem "Who is Who" der damaligen deutschen Filmszene der frühen 50er Jahre, so spielten u.a. Hilde Krahl, Ewald Balser, Therese Giehse, Ursula Herking, Bernhard Wicki, Claus Biederstaedt, Rudolf Fernau, Klaus Kinski, Maximilian Schell und Otto Lüthje. Die Uraufführung erfolgte am 4. März 1955 in Hamburg; im Verleihbezirk Düsseldorf lief die Produktion aus unbekannten Gründen unter dem geänderten Titel "Hauen sie ab mit Heldentum". Anders als in der für den deutschen Markt vorgesehenen Verleihfassung endet die Auslandsversion mit der Abfahrt der Jugendlichen an die Front.
    Worum ging es ? Kinder, Mütter und ein General" spielt in den letzten Kriegswochen des Zweiten Weltkriegs. Zwar gilt der Krieg zu diesem Zeitpunkt jedem Klarsichtigen als bereits verloren, dennoch ziehen immer noch junge Erwachsene und Jugendliche freiwillig oder durch Zwangsrekrutierung für das Dritte Reich in den Krieg. In der Nähe von Stettin ist die Front bereits nah, worauf sich eine Gruppe von Gymnasiasten freiwillig in den Krieg begibt. Ihre Mütter wollen jedoch nicht akzeptieren, daß ihre Söhne noch kurz vor Toresschluß für den Endsieg in den Tod gehen sollen und machen sich auf die Suche nach ihnen. Sie erfahren, daß ihre Jungs der Kampfgruppe eines Hauptmann Dornberg (Bernhard Wicki) angehören und können in dieser Einheit tatsächlich ihre verlorengeglaubten Jungs aufspüren. An der Front bringen sie ihr Anliegen vor und treffen dort auf eine Mischung aus befehlsausführenden Offizieren und desillusionierten Soldaten. Ausgesprochen motiviert sind lediglich die eigenen Söhne, die auf keinen Fall mit ihren Müttern wieder nach Hause wollen. Ein älterer Landser mit reichlich Front- und Lebenserfahrung weiß die Motivation der Mütter schließlich zu schätzen und versteckt diese gemeinsam mit ihren Söhnen in einer Scheune, während die zusammengewürfelte Einheit erneut zu einem Gegenangriff abrückt, um dem russischen Vormarsch Einhalt zu gebieten.
    Therese Giehse wurde 1955 für ihre Rolle als "Elfriede Bergmann" mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Im Jahre 1956 erhielt der Film mit dem "Golden Globe Award" eine weitere Auszeichnung als bester fremdsprachiger Film. Die deutsche Filmbewertungsstelle der Länder verlieh "Kinder, Mütter und ein General" das Prädikat "wertvoll".
    Im Jahre 2017 wurde die Produktion von Pidax- Film als digital restaurierte DVD- Edition herausgegeben und ist aktuell zu Preisen zwischen zehn und fünfzehn Euro im Handel erhältlich.

    www.youtube.com/watch?v=g8XdnZR9HAc
    www.youtube.com/watch?v=LRUkD6op20Y
    www.youtube.com/watch?v=fFjLI8sa0kI
    www.youtube.com/watch?v=wwL1F6ingBw

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    Sonntag, 9. Juli 2023, 20:43

    RE: Kinder, Mütter und ein General (D 1955)

    Stimmt, mein Vater wurde im Juni 1931 geboren und konnte offensichtlich Hitler Jugend und spaeteres Verheiztwerden dadurch umgehen.
    Hat ein deutscher Bundeskanzler (mir faellt sein Name im Moment nicht ein) das nicht "Die Gnade der spaeten Geburt" genannt?
    Hollywood- Regisseur Laszlo Benedek inszenierte im Jahre 1955 einen sehr realistisch verfilmten Kriegsstoff nach dem gleichnamigen Buch von Herbert Reinecker. Den Fimemachern der "Intercontinental- Film München" ging es rund zehn Jahre nach den tatsächlichen oder ähnlichen Geschehnissen vor allem darum, den Zuschauern die Sinnlosigkeit des Verheizens junger Menschen "kurz vor Toresschluß" eindrücklich vor Augen zu führen. Auch der Vater des Autors dieses Blogs ist derartigen Einsätzen laut Eigenbekundung nur deshalb entgangen, weil er dafür als Geburtsjahrgang 1932 ein Jahr zu jung war.

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    Sonntag, 9. Juli 2023, 20:47

    Helmut Kohl und Vater Heinz

    @Crissie777: Das Bonmot mit der "Gnade der spaeten Geburt" stammte von Ex- Bundeskanzler Helmut Kohl. Er bezog das allerdings generell auf die Verstrickungen zur Zeit des Nationalsozialismus.
    Dein Vater dürfte aber mit einiger Wahrscheinlichkeit, ähnlich wie mein alter Herr, bei den Pimpfen (Jungvolk) gewesen sein. Bei einer Parade in Bromberg/ Westpreußen in den frühen 40ern versäumte er, rechtzeitig den rechten Arm zum "Deutschen Gruß" zu heben, und bekam deshalb von einem Ordner eine "geschwalbt". Seitdem war der Nationalsozialismus für ihn erledigt. Dennoch wäre er gerne Kradmelder bei der Wehrmacht geworden. Auto- Motor- Sport war schon immer sein Ding, so fuhr er 1955 bei einem Amateur- Motorradrennen auf dem Nürburgring mit. Davon gibt´s noch Originalfotos mit Wehrmachtsstahlhelm auf dem Kopf, da er sich einen Motorradhelm zu dieser Zeit nicht leisten konnte.

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    Dienstag, 11. Juli 2023, 14:40

    RE: Helmut Kohl und Vater Heinz

    Richtig, es war Helmut Kohl. Zwar sah ich sein Gesicht ganz deutlich vor mir, aber ich kam einfach nicht auf den Namen.
    Von den Pimpfen hat mein Vater nie erzaehlt. Vermutlich konnte mein Grossvater vermeiden, dass mein Vater Pimpf werden musste?
    @Crissie777: Das Bonmot mit der "Gnade der spaeten Geburt" stammte von Ex- Bundeskanzler Helmut Kohl. Er bezog das allerdings generell auf die Verstrickungen zur Zeit des Nationalsozialismus.
    Dein Vater dürfte aber mit einiger Wahrscheinlichkeit, ähnlich wie mein alter Herr, bei den Pimpfen (Jungvolk) gewesen sein. Bei einer Parade in Bromberg/ Westpreußen in den frühen 40ern versäumte er, rechtzeitig den rechten Arm zum "Deutschen Gruß" zu heben, und bekam deshalb von einem Ordner eine "geschwalbt". Seitdem war der Nationalsozialismus für ihn erledigt. Dennoch wäre er gerne Kradmelder bei der Wehrmacht geworden. Auto- Motor- Sport war schon immer sein Ding, so fuhr er 1955 bei einem Amateur- Motorradrennen auf dem Nürburgring mit. Davon gibt´s noch Originalfotos mit Wehrmachtsstahlhelm auf dem Kopf, da er sich einen Motorradhelm zu dieser Zeit nicht leisten konnte.

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    Dienstag, 11. Juli 2023, 15:47

    Dienst im Jungvolk

    Der Dienst bei den Pimpfen umfaßte alle Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und vierzehn Jahren und wurde ab 1939 obligatorisch. Demnach müßte Dein Vater ab 1941 dabeigewesen sein. Wie oft in solchen Fällen, gab es aber durchaus Mittel und Wege, sich dem Dienst zu entziehen. Eine ärzliches Attest o.ä. half da oft schon weiter. Sehr empfehlenswerte Literatur zum Thema: Walter Kempowski. Tadellöser und Wolff. Nach meiner Erinnerung beschreibt der Autor sehr detailliert, wie er sich häufig vor dem Dienst drücken konnte.

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    Dienstag, 11. Juli 2023, 18:23

    RE: Dienst im Jungvolk

    Dafuer war mein Vater zu gesund und zu sportlich. Aber vielleicht kannte sein Vater (Apotheker) ja einen willigen Arzt, der ihm so ein Attest schrieb.
    Mein Vater durfte in der Ex-DDR keine Medizin studieren, studierte dann Sport, und fluechtete schliesslich in den Westen. Seine Schwester tat es ihm nach, nur sein kleiner Bruder (Jahrgang 1944) blieb in der Ex-DDR bei meinen Grosseltern. Von den drei Geschwistern wurde mein Onkel beruflich der Erfolgreichste, als er 1991 eine VW dealership in Eberswalde eroeffnete, die es immer noch gibt.
    Der Dienst bei den Pimpfen umfaßte alle Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und vierzehn Jahren und wurde ab 1939 obligatorisch. Demnach müßte Dein Vater ab 1941 dabeigewesen sein. Wie oft in solchen Fällen, gab es aber durchaus Mittel und Wege, sich dem Dienst zu entziehen. Eine ärzliches Attest o.ä. half da oft schon weiter. Sehr empfehlenswerte Literatur zum Thema: Walter Kempowski. Tadellöser und Wolff. Nach meiner Erinnerung beschreibt der Autor sehr detailliert, wie er sich häufig vor dem Dienst drücken konnte.

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    Dienstag, 11. Juli 2023, 20:38

    Vitamin B im Dritten Reich

    Yup, das war´s, was ich meinte. Auch damals lief viel über "Gefälligkeitsatteste" oder "Unabkömmlich für den Dienst in der Wehrmacht, da wehrwirtschaftlich als hochgradiger Spezialist in der Produktion benötigt". Wenn Dein Vater bereits als Kind sehr sportlich war, könnte er durchaus bei den Pimpfen gewesen sein, denn derartiges wurde dort sehr gefördert und gern gesehen, und abgesehen vom Formaldrill wurde dort i.d.R. keinem der Kopf abgerissen. Nicht wenige waren gern dabei.