Schule,


lat. schola, stammt aus dem Griechischen und bedeutete ursprünglich "freie Zeit", "Nichtstun", "Müßiggang". Wer hätte das gedacht? Niemals wären wir in den 60ern darauf gekommen (und heutige Schüler wohl auch nicht). In der Schule lernt man lesen, schreiben, rechnen und viele andere Sachen, die man im späteren Leben mehr oder weniger (je höher die Klassen, desto weniger) gebrauchen kann. Dies dürfte heute nicht anders sein als in den 60ern.

Die große Überschrift dieses Abschnittes lautet "Wandel und Aufbruch". Etwas das man nicht gerade mit der Schule in Verbindung bringt. Was soll sich beim Lesen, Schreiben, Rechnen schon groß wandeln? Oder in Religion, Sport, Biologie und Englisch? Gut, in Erkunde haben sich einige Ländergrenzen etwas verschoben und ein paar Länder sind neu hinzugekommen und in Geschichte gibt es auch ein paar zusätzliche Jährchen, aber sonst hat sich am Stoff wohl nicht allzuviel geändert. Der Wandel liegt dann auch weniger an den Inhalten, als an der Art, wie er vermittelt wird und den jeweiligen Schwerpunkten.

So legte man in den 60ern noch besonderen Wert auf die Tugenden Fleiß und Disziplin. Die schulische Leistung setzte sich zusammen aus der Führung, d.h. dem Verhalten des Schülers und seinen Leistungen in den einzelnen Schulfächern. Die Führungsnoten Betragen, Fleiß, Aufmerksamkeit und Ordnung erhielt man vom ersten bis zum letzten Schuljahr.

Weiterhin wurde auf die Handschrift noch großen Wert gelegt, wurde doch zur damaligen Zeit noch sehr viel mit der Hand geschrieben. Schreiblernschrift war seit den 50er-Jahren die lateinische Ausgangsschrift. Auch unsere ersten kleinen Texte in den Lesefibeln waren noch in lateinischer Schreibschrift gedruckt. Gegen Ende der ersten Klasse wechselten wir dann beim Lesen so nach und nach auf die Druckschrift. Unsere ersten Lesebücher ab der 2. Klasse enthielten Texte sowohl in lateinischer Schreibschrift, in Druckschrift und sogar noch in altdeutscher Schrift (zu den Schriftarten siehe die Bilder links und rechts). Zwar lernten die Kinder spätestens in der 2. Klasse auch in Druckschrift zu schreiben, die übliche Handschrift blieb jedoch während der gesamtem Schulzeit die lateinische Schreibschrift. In den 80er-Jahren wurde zum Schreiben lernen diese Schreibschrift dann so nach und nach durch vereinfachte, schnörkellose Ausgangsschriften, die sich mehr an die Druckschrift orientierten, ersetzt.

Jeder Schüler besaß in den 60er Jahren in seinen ersten Schuljahren ein Schönschreibheft, dessen Seiten er mittels Feder, Federkiel und Tinte (nicht mit Füller!) in Schönschrift zu befüllen hatte. Die Handschrift wurde bis zum letzten Schuljahr benotet. Heute reicht es dagegen meist schon aus, wenn man nach der Schulzeit seine Unterschrift auf ein Papier kritzeln kann. Der Rest wird mittels einer Tastatur getippt. Da es auch noch keine Schreibprogramme mit automatischer Rechtschreibkorrektur gab, wurde sehr genau auf die Rechtschreibung geachtet. Die Rechtschreibung war nicht nur für die Noten der Diktate ausschlaggebend, auch die Note eines Aufsatzes setzte sich Zusammen aus: Inhalt, Rechtschreibung und Handschrift (Inhalt, Fehler, Schrift). Heute wird bei der Notenfindung meist nur noch der erste Aspekt berücksichtigt.

In Deutsch gab es noch zwei Noten, eine für mündlich und eine für schriftlich. Die Geometrie hieß noch Raumlehre, die Physik Naturlehre, Biologie hieß Naturkunde (oder Naturgeschichte) und der Sport hieß noch Leibeserziehung.

Die Noten in den Zeugnissen wurden noch handschriftlich eingetragen. Die Zeugnisse waren nicht wie heute computergedruckte DIN-A4 Zettel, sondern noch zusammenhängende Hefte im DIN-A5-Format, mit genügend Seiten vom ersten bis zum letzten Schuljahr.

Generell wurde das Gewicht mehr auf reines "Pauken" gelegt, also das Auswendiglernen von Gedichten, dem kleinen Einmaleins, geographischen Orten, historischen Jahreszahlen oder grammatikalischen Regeln. Als Merkhilfe benutzte man sogenannte Eselsbrücken, das waren kleine Merksätze, die man sich gut behalten konnte (Drei-drei-drei, bei Issos Keilerei. Trenne nie s-t, denn es tut ihm weh. Wer nämlich mit h schreibt ist dämlich und viele andere). Viele Schüler der 60er kennen heute noch solche Merkregeln oder Zeilen aus bekannten Gedichten und kennen deshalb auch die Antwort auf: Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

Die Kunsterziehung beschränkte sich auf das Fach Zeichnen, d.h. malen mit Pinsel, Malkasten und Zeichenblock. Zusätzlich lernten die Jungen in dem Fach Werken handwerkliche Tätigkeiten, während die Mädchen in den Fächern Nadelarbeit (nähen, häkeln, stricken) und Hauswirtschaft auf ihre Rolle als Hausfrau vorbereitet wurden.

In Biologie wurde Ende der 60er das Thema Aufklärung zaghaft angegangen. Hatte man in der ersten Hälfte der 60er Sexualität beim Menschen noch schamhaft verschwiegen, fanden jetzt Themen wie Fortpflanzung, Verhütung und Geschlechtskrankheiten Eingang in den Biologieunterricht, wobei sich sowohl etliche Lehrkräfte als auch Schüler, etwa beim Benennen der menschlichen Geschlechtsorgane, noch sichtlich unwohl fühlten.

Nicht zu vergessen ein Fach, das man nie auch nur in die Nähe des Verdachts eines Wandels bringen würde: die Mathematik. Auch hier haben sich natürlich nicht ihre grundlegenden Gesetze geändert, sondern ebenfalls nur die Weise ihrer Vermittlung. Welcher ehemalige Schüler einer höheren Klasse in den 60ern erinnert sich nicht mehr an die Rechen- und Zahlentafeln. Ob Werte von Quadratwurzeln, trigonometrischen Funktionen oder Logarithmen, alles musste mehr oder weniger umständlich aus diesen Tafeln ermittelt werden. Taschenrechner wie heute gab es nicht. Die ersten kommerziell vertriebenen Taschenrechner erschienen in den 70ern. Sie waren waren teuer und beherrschten nur die einfachen Rechenarten. Statt mit Taschenrechner wurde mit dem Rechenschieber gerechnet. Das dauerte zwar alles etwas länger, dafür war man aber von Zusatzgeräten (Taschenrechner, Batterien) unabhängig. Welcher Schüler (oder auch Lehrer) kann heute noch trigonomische Werte, Logarithmen oder auch nur die Quadratwurzel einer größeren Zahl berechnen, ohne den Taschenrechner zu Hilfe zu nehmen? (Können Sie noch Wurzeln ohne Taschenrechner ziehen? Falls es Sie interessiert, wie man das macht, gibt es dazu einen Beitrag unter Schule im Forum: Wurzelziehen ohne Taschenrechner)


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Meine Lesefibeln


Im Laufe meiner ersten Klasse auf der Volksschule (Jahre später wurde aus der Volksschule die Grundschule) arbeiteten wir uns durch 7 kleine Lesefibeln. Die Geschichten aus Bildern, Wörtern und kleinen Sätzen in diesen Fibeln waren an die Jahreszeiten unseres damaligen Schuljahres, das nach Ostern im April begann und nach dem Winter im März endete, angelehnt. Die ersten fünf Fibeln waren noch in Schreibschrift, die 6. in Schreibschrift und in Druckschrift und die 7. dann nur noch in Druckschrift. Spätestens nach dieser letzten Fibel konnten wir es dann auch mit umfangreicheren Büchern aufnehmen.


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Einige meiner Schulbücher



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Abbildungen (von oben nach unten):
1: Sportunterricht
2: Seite aus der Westermann-Fibel, Heft 6, in Schreib - Druckschrift (Georg Westermann Verlag)
3: Seite aus dem Lesebuch "Die gute Saat, Band 2", altdeutsche Schrift (Georg Westermann Verlag)
4: Zeugniseinträge aus den 60ern (Welche Lehrkraft kann heute noch so schreiben?)
5: Logarithmentafel aus "Logarithmen- und Zahlentafel", Verlag Moritz Diesterweg, 1968
6: Rechenschieber Mentor 52/80 von Faber-Castell
7: Westermann-Fibeln aus dem Georg Westermann Verlag für die Volksschule, Anfang/Mitte der 60er Jahre
8: Geschichtsbuch, 5. Klasse
9: Erkundebuch, 8. Klasse
10: Englischbuch, 6. Klasse
11: Biologiebuch, 5.-6. Klasse
12: Buch für Politische Bildung, 7.-10. Klasse
13: Mathematikbuch, 10. Klasse
14: Physikbuch, 9.-10. Klasse
15: Chemiebuch, 9.-10. Klasse


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