Filmpaläste


waren die Kinos in den 60ern, mit mitternachtsblauen, von unzähligen Silbersternen besetzten Decken und riesigen purpurfarbenen Samtvorhängen vor den großen Leinwänden. Ein Kinobesuch war ein einschneidendes Erlebnis mit unvergesslichen Momenten. Platzanweiser, mit Taschenlampen ausgerüstet, führten die Besucher zu ihren Plätzen. Filme kannten wir Kinder der 60er vor dem ersten Kinobesuch nur als schwarz-weißes Geflimmer auf den Mattscheiben der Fernsehapparate.

Das Vorprogramm zum Hauptfilm umfasste nicht nur Werbung und die Vorschau auf kommende Filme, sondern häufig noch einen kurzen Vorfilm und natürlich die Wochenschau, eine aktuelle Zusammenstellung von Filmberichten über politische, gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse. Die Wochenschau und manchmal auch der Vorfilm liefen noch in dem von uns gewohnten schwarz-weiß. Aber auch viele Hauptfilme wurden zu dieser Zeit noch in schwarz-weiß gedreht und waren damit auch in den Kinos nur in schwarz-weiß zu sehen.

Vor dem Hauptfilm gingen dann die Lichter noch einmal an, die Vorhänge schlossen sich, eine Eisverkäuferin schob einen kleines Wägelchen durch die Gänge und bot Eiskonfekt zum Kauf an. Nach einer kurzen Pause verlöschten die Lichter, der Vorhang öffnete sich erneut und unsere Helden betraten die Leinwand, in Lebensgröße, in Farbe und mit Stereoton.

Kinobesuche waren in den 60ern für mich noch die große Ausnahme. Das lag einmal an den wenigen, für mein Alter freigegebenen Filmen, vor allem aber an den damit verbundenen Kosten. So blieb meist nur das Betrachten der Filmplakate und der Bilder mit den Filmausschnitten in den Auslagen der Kinos. Meine ersten Kinofilme waren die Winnetou-Filme Mitte/Ende der 60er Jahre, also nicht die Erstausstrahlungen sondern schon die ersten Wiederholungen.

Auch die Kinos blieben in den 60ern nicht vom Wandel verschont. Das goldene Zeitalter der Hollywood-Filme ging zu Ende. Statt aufwändiger und teurer Hollywoodproduktionen liefen Low-Budget-Filme wie die Italo-Western oder Horror-Filme aus den britischen Hammerstudios. Der Sexfilm fand in den 60ern seinen Weg in die Kinos. Zunächst als Aufklärungsfilm getarnt, tauchte er immer öfter in den Kino-Charts auf und erreichte dort auch TOP-Positionen. Ende der 60er stand das Thema Sex in der Gunst der Kinobesucher ganz vorn (siehe Abbildung links, Filmhits im Sommer 1969). Vergangene Filmknüller aus den goldenen Hollywood-Zeiten zogen immer noch viele Besucher in die Kinos (siehe Abbildung rechts, Filmhits im Winter 1969).

Mit der Verbreitung des Fernsehens entstand ein großer Konkurrent, der zum Kinosterben in den 70ern führte. Die verbliebenen Kinos unterteilten ihre nur noch schwach besetzen Säle in mehrere kleinere Einheiten, um dadurch die einzelnen Räume besser auszulasten und durch ein vergrößertes Filmangebot die Einnahmen wieder zu erhöhen. Aus den Filmpalästen wurden die Kinoschachteln. Dieser Trend wurde durch das Aufkommen der Video-Technik in den 80ern noch verstärkt. Nach der Konsolidierung des Marktes erlebt das Kino in den 90ern wieder eine Renaissance, mitbegründet durch den Bau großer, mit modernster Technik ausgestatteter Multiplex-Kinos.





Abbildungen (von oben nach unten):
1: Film-Hits der Woche , HÖRZU Ausgabe 30/1969, Axel-Springer-Verlag
2: Film-Hits der Woche , HÖRZU Ausgabe 50/1969, Axel-Springer-Verlag


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