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    Freitag, 4. Januar 2019, 16:22

    Bewegende Momente der 60er Jahre - Die Schwabinger Krawalle 1962

    Die hier zu besprechenden Jugendunruhen werden heute von linken Sozialromantikern gern als politisch inspirierte Vorstufe zur 68er Studentenrevolte interpretiert. Ich halte dies für hanebüchenen Unsinn, ging es doch in den fünf lauen Sommernächten des Jahres 1962 primär um "kulturelle Selbstbestimmung" sowie um eine eher diffuse Auflehnung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gegen die damals aus heutiger Sicht noch sehr rigiden gesellschaftlichen Spielregeln, wie sie von der älteren Generation ausformuliert und auch durchgesetzt wurden. Insofern handelte es sich bei den zeitlich eng begrenzten "Schwabinger Krawallen" eher um eine "kulturelle Auflehnung" von damals oft noch mannigfaltig gegängelten Jugendlichen, die ihrem Unmut über die "Engstirnigkeit" der Erwachsenen Ausdruck geben wollten. Leider entstanden daraus auch beiderseitige Gewaltexzesse nicht zuletzt durch einheimische und zugereiste Krawalltouristen , die infolge zu zahlreichen Sachbeschädigungen und Körperverletzungen führten.
    Am 21. Juni 1962 trafen sich in einer lauen Sommernacht Jugendliche auf der Münchner Leopoldstraße, um gemeinsam zu singen und Gitarre zu spielen. Da es bereits auf 23 Uhr zuging, fühlten sich Anwohner in ihrer Nachtruhe gestört und alarmierten die Polizei. Diese rückte mit Streifenwagen an und wollte die vermeintlichen "Unruhestifter" und ihren Anhang nach fruchtlosen Ermahnungen schließlich verhaften. Die Situation eskalierte, nachdem sich weitere jugendliche Flaneure mit den "Musikanten" durch lautstarken Protest solidarisierte. Was folgte, waren aufgestochene Autoreifen, weitere Sachbeschädigungen und massive körperliche Gewalt auf beiden Seiten.
    Die Vorgänge sprachen sich in Jugendkreisen erstaunlich schnell herum, so daß sich die Ereignisse in den vier folgenden Nächten weiter hochschaukelten, in denen sich zehntausende Demonstranten und teils berittene Einsatzkräfte der Polizei blutige Straßenschlachten lieferten. Unterschiedliche Quellen sprechen von 10.000 bis zu 40.000 Demonstranten, die meisten davon Schüler, Studenten und Auszubildende, die teils auch aus anderen Städten zugereist waren. Letztendlich gab es hunderte Festnahmen und zahlreiche Verletzte, die in den Münchner Krankenhäusern ambulant versorgt werden mußten. Im Verlauf der Demonstrationen bekamen auch Unbeteiligte, Touristen sowie vereinzelt Anwohner die Schlagstöcke der Polizisten zu spüren, was für weiteren Unmut über die harte Vorgehensweise der Einsatzkräfte sorgte.
    Schließlich schaltete sich der damalige Münchner Oberbürgermeister Hans- Jochen Vogel (SPD) ein und versuchte, mit den Demonstranten ins Gespräch zu kommen, was ihm jedoch nicht gelang.
    Vornehmlich protestierten die meist jungen Menschen gegen das unverhältnismäßige Vorgehen der Münchner Polizei. Kaum politisch motiviert, waren die Schwabinger Krawalle vielmehr der Ausdruck eines Umbruchs in der Jugendkultur. Während die ältere Generation traditionell Gehorsam und Respekt einforderte, strebten die Jüngeren nach größeren persönlichen Freiheiten, die sich in mehr "Lockerheit" und Selbstbestimmung, einer eigenen musikalischen Jugendkultur sowie an äußeren Attributen wie längeren Haaren und legerer Kleidung ausdrückte.
    Schlechtes Wetter beendete schließlich die fünftägige "Schwabinger Schönwetterrevolte" des Sommers 1962. Der erste Funke einer offenen Jugendrebellion gegen die etablierte Erwachsenenwelt sollte in den Folgejahren mit der zunehmenden Politisierung von Teilen der Studentenschaft und der darauf folgenden "68er Kulturrevolution" nicht mehr zum Erlöschen kommen.
    An den Schwabinger Krawallen war auch der damals 19- jährige Andreas Baader beteiligt, für den die Demonstrationen und die darauf folgende Überreaktion der Polizei mitentscheidend für seinen späteren politischen Werdegang werden sollten.