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    Montag, 26. November 2018, 16:36

    Bewegende Momente der 60er Jahre - Die Bundestagswahl 1969

    Ich kann mich noch recht gut an den Frühherbst 1969 erinnern, als an den Laternenmasten unserer Wohnstraße zahlreiche Plakate mit dem Konterfei des damals amtierenden Bundeskanzlers Kurt- Georg Kiesinger mit der Inschrift "Auf den Kanzler kommt es an" hingen. Interessanter waren für mich als damals 12-jähriger Bengel die Lautsprecherwagen, die mit scheppernden Werbeansagen durch unsere Straßen fuhren und bei denen man Fähnchen, Luftballons, Kugelschreiber und andere Werbeartikel der jeweiligen Parteien ergattern konnte.
    Die Bundestagswahl 1969 fand am 28. September 1969 statt und sollte zu tiefgreifenden Änderungen in der bundesdeutschen Politik führen, während sich die lange Phase der bundesdeutschen Hochkonjunktur allmählich dem Ende zuneigte.
    Bereits im Vorfeld kriselte es in der zwischen 1966 und 1969 bestehenden "Großen Koalition" zwischen CDU/ CSU und SPD. In den Wahlumfragen des Sommers 1969 lagen die beiden großen Volksparteien nahezu gleichauf.
    Die CDU sah sich jedoch im Besitz des "Kanzlerbonus" und richtete dementsprechend ihren Wahlkampf ganz auf die Person von Bundeskanzler Kurt- Georg Kiesinger aus. Die SPD konterte dagegen mit einer Führungsriege um Willy Brandt und dem Slogan "Willy wählen !". Unterstützt wurde sie von sog. "progressiven Kräften" aus Kunst und Kultur, die sich zur "Sozialdemokratischen Wählerinitiative (SWI)" zusammengeschlossen hatten. Die Aktivitäten der SWI waren insoweit ein Novum, da sich die meisten Intellektuellen der ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte mit öffentlichen politischen Bekenntnissen bisher eher zurückgehalten hatten. Initiatoren der SWI, der es tatsächlich in erster Linie nur darum ging, Willy Brandt bei der Bundestagswahl 1969 zu unterstützen, waren in den Jahren 1967/68 Günter Grass, Siegfried Lenz und Eberhard Jäckel. In der Folgezeit schlossen sich zahlreiche Schriftsteller, Schauspieler, Sportler, Künstler und Hochschullehrer der Initiative an. 1969 stellte nach erstem Zögern die SPD der SWI ein Büro in Bonn zur Verfügung, die daraufhin zahlreiche Wahlkampfauftritte insbesondere ihrer prominenten Unterstützer organisierte und die auch zwei Wahlkampfzeitungen herausgab. Adressaten der SWI waren weniger die Arbeiterschaft, die ohnehin meist sozialdemokratisch wählte, sondern das liberale Bürgertum.
    Das Archiv der SWI, die erst 1993 offiziell aufgelöst wurde, wird heute von der Friedrich Ebert- Stiftung aufbewahrt.
    Die FDP setzte in ihrer Wahlwerbung auf Reformen und brachte dies mit ihrem neuen Parteikürzel unter Weglassung der "Punkte" deutlich zum Ausdruck. Gerechnet wurde auch mit dem erstmaligen Einzug der NPD unter Adolf von Thadden in den Bundestag. Eifrige "Klebekolonnen" (welcher Partei auch immer) versahen daraufhin in Nacht- und Nebelauktionen viele NPD- Wahlplakate mit Banderolen, die die Inschrift "Ein Adolf war schon zuviel !" aufwiesen.
    Am Wahltag gaben von 38,67 Millionen bundesdeutschen Wahlberechtigten beachtliche 86,7 % ihre Stimme ab.
    Erste Hochrechnungen ergaben zunächst einen eindeutigen Wahlsieg der Union, während die NPD überraschend mit einem amtlichen Endergebnis von 4,3 % an der 5 %- Hürde scheiterte. Die Liberalen erzielten lediglich 5,8 %.
    Im Laufe des Wahlabends kristallisierte sich zunehmend heraus, daß es zu einer knappen Mehrheit von SPD und FDP kommen würde. Gegen Mitternacht trat SPD- Kanzlerkandidat Brandt vor die Mikrophone und erklärte: "Ich habe die FDP wissen lassen, daß wir zu Gesprächen mit ihr bereit sind. Dies ist jetzt der fällige Schritt von unserer Seite, über alles andere wird morgen zu reden sein" .
    Sehr bald verständigten sich SPD und FDP auf die Bildung einer Regierungskoalition. Obwohl CDU/ CSU die größte Fraktion im Bundestag bildeten, wurden sie nach zwanzig Jahren Regierungsverantwortung erstmalig in die Rolle der politischen Opposition gedrängt.
    Am 21. Oktober 1969 wählte der Deutsche Bundestag Willy Brandt mit 251 gegen 231 Stimmen zum ersten sozialdemokratischen Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Seinem Kabinett gehörten elf SPD- Minister, drei Minister der FDP und ein Parteiloser an. Außenminister und Vizekanzler wurde der FDP- Parteivorsitzende Walter Scheel.
    Die sozialliberale Koalition bestand unter den Kanzlern Willy Brandt bis 1974 und Helmut Schmidt bis 1982 fort.
    Die Bundestagswahl 1969 war die letzte Wahl dieser Art, bei der das Mindestalter für das aktive Wahlrecht noch bei 21 Jahren lag.
    Zeitgeschichtlich interessante Videos zum Thema:
    www.youtube.com/watch?v=lqo9SV1vE2l
    www.youtube.com/watch?v=kPRRYKDDH