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    Montag, 12. Juni 2017, 17:31

    Onkel Lou und der erste große Skandal der bundesdeutschen Fernsehgeschichte

    Als der Conferencier und Entertainer Lou van Burg 1986 an den Folgen einer Leukämieerkrankung in München starb, war sein Stern mittlerweile so stark erloschen, daß nur noch seine letzte Lebensgefährtin und ein Stuttgarter Schauspieler an der Beerdigung teilnahmen. Lediglich die Bildzeitung widmete dem Verstorbenen einige Zeilen und berichtete von dem ganz in Lila ausgeschlagenen Sarkophag und dem violetten Smoking, in dem "Onkel Lou" zur letzten Ruhe gebettet wurde.
    Louis van Weerdenburg, so sein bürgerlicher Name, hatte bereits in den 50er Jahren den Ruf eines äußerst charmanten Chansonniers, galt als weltgewandt und "echter Kavalier der alten Schule". "Heut´ gehn wir ins Maxim" hieß dementsprechend 1956 die TV- Premiere des Mannes mit dem Menjoubärtchen, der zwei Jahre später seinen ersten großen Erfolg als Entertainer im österreichischen Fernsehen mit der Show "Jede Sekunde ein Schilling" feierte.
    Auch den deutschen Programmverantwortlichen gefiel der temperamentvolle Plauderer, und so übernahm auch Deutschland die Sendung.
    Ab 1962 ließ der WDR aus Wien mit "Sing mit mir, spiel mit mir" eine neue Lou van Burg- Show ausstrahlen, in der Musikstücke erraten werden mußten und die 21- jährige Friseuse Brigitte Franke zum "Musikchampion" wurde. Alles lief gut, bis bekannt wurde, daß Brigittes Tante zufällig Mitarbeiterin des Showmasters war und Brigittes Onkel gelegentlich im Orchester der Sendung mitspielte. Zwar wurde nie eine konkrete Schiebung nachgewiesen, doch das Format hatte seitdem ein deutliches "Gschmäckle" und wurde nach 14 Sendungen im Dezember 1962 wieder abgesetzt.
    Lou van Burg gab sich völlig ahnungslos, rief aber kurze Zeit später dazu auf, zur Weihnachtszeit jedes Altersheim in Deutschland und Österreich mit einem Fernseher zu beglücken. "Onkel Lou" vergaß dabei auch nicht, zwei konkrete Markengeräte zu empfehlen, was den "Spiegel" zu der Bemerkung veranlaßte: "Hier hat erstmals einer die Macht über millionenfaches Sentiment und zugleich die Ohnmacht öffentlich- rechtlicher Rundfunkanstalten bis zur Neige genossen". Zur Ehrenrettung Lou van Burgs sei angemerkt, daß dieses Verhalten kein Alleinstellungsmerkmal war, sondern daß z.B. auch sein damaliger Fernsehkollege Clemens Wilmenroth in dieser Hinsicht kein unbeschriebenes Blatt war.
    Gespendet wurden letztendlich 1500 Fernsehgeräte, dafür war es für "Onkel Lou" vorläufig erst einmal vorbei mit weiteren Fernsehangeboten. Nur die zeitgenössische Regenbogenpresse beschäftigte sich weiterhin eifrig mit dem vorläufig kaltgestellten, verheirateten Entertainer, insbesondere was sein Verhältnis mit der Schlagersängerin Angele Durand betraf, für die er seine Frau verlassen hatte.
    Das frischgegründete ZDF fand dennoch Gefallen an dem quirligen Entertainer und engagierte ihn 1964 für die große Samstagabend- Show "Der goldene Schuß". "Der goldene Schuß heißt unser Spiel, daß Sie sich freuen, ist mein Ziel !" sang Lou in der Intro und wurde dabei vom Orchester Max Greger begleitet. Kandidaten auf der Bühne absolvierten kleine, unterhaltsame Spiele, wobei das Wesentliche allerdings der Schuß mit der Tele- Armbrust war, die auch Telefon- Kandidaten aus der Ferne steuern konnten. Der Goldene Schuß brachte, wenn man exakt traf, Gold im Wert von 8.000,- DM ein. Der Ausruf der Assistentin: "Der Kandidat hat 99 Punkte !" wurde so populär, daß er für einige Jahre in die deutsche Umgangssprache Einzug fand. Lou´s begeistertes "Wunnebar !" war ebenso beliebt wie sein Kommando "Kimme- Korn- ran !".
    Neben Peter Frankenfeld´s "Vergißmeinnicht" war Lou van Burg´s "Der Goldene Schuß" der absolute Unterhaltungsrenner in der Mitte der 60er Jahre. Wenn "Onkel Lou" sein Publikum mit "Hallo, Freunde !" begrüßte, schallte es tausendfach zurück: "Hallo, Lou !".
    Auf dem Höhepunkt seiner Popularität zog Lou van Burg noch mit dem Zirkus Franz Althoff durch die Lande und bot in der Arena eine 45- Minuten- Show. Zu dieser Zeit, wir schreiben mittlerweile 1967, sah der Entertainer in Marianne Krems ein neues Objekt seiner Begierde. Frau Krems war Assistentin des "Goldenen Schuß", und Angele Durand revanchierte sich prompt mit ausführlichen Berichten über dieses Verhältnis an die Boulevardpresse. Damit nahm der vielleicht größte Fernseh- Skandal der 60er Jahre seinen Lauf, denn der bereits in den Fünfzigern stehende "Onkel Lou" hatte nicht einkalkuliert, daß auf dem Mainzer Lerchenberg Entscheidungsträger mit hehren moralischen Ansprüchen saßen, die Derartiges nicht durchgehen ließen.
    Die tragische Konsequenz war, daß der trotz seiner Eskapaden beim Publikum äußerst beliebte Entertainer im Juli 1967 das ZDF verlassen mußte.
    An der Spitze des ZDF stand damals Intendant Karl Holzamer, der bekennender Katholik, Vater von vier Kindern, CDU- Stadtrat in Mainz und Mitglied des päpstlichen Ritterordens vom heiligen Grab zu Jerusalem war. Holzamer begriff seinen Sender als "Augenweide und Lebenshilfe" und ließ verlauten: "Die Visitenkarte des Zweiten Deutschen Fernsehens wurde beschmutzt, sie muß und soll sauber bleiben." Bereits 1965 ließ Holzamer die Ansagerin Edelgard Stössel feuern, da sie auf einer privaten Pyjama- Party im Baby Doll- Kostüm getanzt hatte.
    Für Lou van Burg sollte der am Beginn seiner Karriere stehende Rudi Carrell einspringen, der jedoch absagte.
    Letztendlich kam Vico Torriani zum Zug, der auch mit seinem ersten "Goldenen Schuß" am 24. September 1967 den Beginn des ZDF- Farbfernsehens einläutete. Torriani konnte aber nicht mehr an den ganz großen Erfolg seines Vorgängers anknüpfen.
    Lou van Burg brachte es immerhin auf 24 Folgen seiner beliebten Show und erhielt nach seinem Ausscheiden im außergerichtlichen Vergleich eine Entschädigung von 120.000,- DM. 1968 bekamen der Ex- Showmaster und seine Ex- Assistentin Marianne eine Tochter, 1969 kam eine weitere Tochter hinzu, und auch einer Eheschließung stand nun nichts mehr im Wege. Was ausblieb, waren weitere Angebote der beiden Fernsehsender, was Lou van Burg zu der bitteren Bemerkung veranlaßte: "Warum ist der Äther für mich auf ewig gesperrt ? Meine Lebensverhältnisse sind doch längst geordnet, aber ich kriege keine Sendung mehr, ich bin ausgesperrt, auch vom Hörfunk."
    Lou mußte in den Folgejahren durch die Lande tingeln, trat in Festzelten, Freizeitparks, Einkaufszentren auf und reiste mit Tagesausflüglern auf der "Wappen von Hamburg" durch die Nordsee nach Helgoland. Gleichzeitig wurde sein Karriereabstieg genüßlich von der Regenbogenpresse begleitet.
    1976 holte ihn das ZDF endlich noch einmal für die Show "Wir machen Musik" zurück ins Boot, mit der er gleichermaßen gut beim Publikum und der zeitgenössischen Medienkritik ankam. Mit "So wird´s nie wieder sein" erzielte er 1980 für das ZDF noch einmal stattliche 56 Prozent Einschaltquote. Selbst den 1970 eingestellten "Goldenen Schuß" erhielt er 1983 zurück, scheiterte damit aber grandios. Immer mehr kristallisierte sich heraus, daß Lou´s "Goldene Jahre" endgültig vorbei waren. Der mittlerweile drei Zentner- Mann galt als überkommener Unterhaltungsstar der 50er und 60er Jahre, hatte hohe Schulden , seine Ehe war in die Brüche gegangen, seine neue Freundin kannte er noch aus seinen Glanzzeiten, als sie in einem Preisausschreiben "Drei Tage mit Onkel Lou" gewann. Zuletzt trat der ehemals beliebte Entertainer vor kleinem Publikum in der Kleinen Komödie München auf.
    Im Jahre 2012 wurde das Grab Lou van Burg´s in München aufgelassen. Der Grabstein soll sich heute im Garten seiner Tochter befinden. Sic transit Gloria mundi...