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    Sonntag, 11. Juni 2017, 13:07

    Kultur und Wissen für alle - Das bundesdeutsche Bildungsfernsehen der 60er und 70er Jahre

    Mitte der 60er Jahre beherrschte ein Schlagwort die bildungspolitische Diskussion: der Begriff der drohenden "Bildungskatastrophe". Man hatte entdeckt, daß im europäischen Vergleich die Zahl der westdeutschen Abiturienten und Studenten auffallend niedrig lag, verwechselte prompt Quantität mit Qualität und trug sich mit der Sorge, daß sich daraus auf absehbare Zeit ein eklatanter Mangel an höher qualifizierten Arbeitskräften entwickeln könnte.
    Was sich daraus in den Folgejahrzehnten entwickelte, ist allgemein bekannt: der erleichterte Zugang zur allgemeinen Hochschulreife und der massive Hochschulausbau mit zahlreichen neuen Standorten führte seit den 70er Jahren keineswegs zu einer "Behebung des Problems", sondern zu einer Aufweichung von Bildungsstandards, der schleichenden Entwertung des allgemeinbildenden Schulsystems bis hin zur partiellen Akademikerschwemme.
    Die Hoffnung auf eine Behebung der vermeintlichen "Bildungskatastrophe" richtete sich in den 60ern zum Teil auch auf das noch junge Medium Fernsehen, das von bildungsbeflissenen Entscheidungsträgern lange Jahre eher im Gegensatz zu den traditionellen Bildungs- und Kulturangeboten gesehen wurde. Durch seine visuellen Möglichkeiten bot es jedoch einige Vorteile und war durch seine weite Verbreitung in der Lage, auch bildungsfernere Schichten zu erreichen.
    Die Bildungsvermittlung war in den 60ern i.W. ein Schwerpunkt der Dritten Programme, deren Akzentuierung je nach Bundesland unterschiedlich ausfiel. So eröffnete der Bayrische Rundfunk bereits 1964 sein Drittes Programm mit dem Anspruch, ganz konkret Schul- und Weiterbildung zu vermitteln. Das seit 1967 ausgestrahlte "Telekolleg" ermöglichte den ambitionierten Fernsehzuschauern sogar, die Fachhochschulreife zu erlangen.
    WDR und HR behandelten auch regionale Themen, bei NDR, Radio Bremen und dem SFB lag der Schwerpunkt vor allem auf kulturellen Sendeangeboten. Im Gegensatz zu den meisten heutigen quotenträchtigen Kultursendungen, die Information meist mit Entertainment verbinden, herrschte in den 60er/ 70er Jahren auf diesem Gebiet noch der "heilige Ernst". Z.B. trafen sich in Ernst Schnabel´s Sendung mit dem etwas abschreckenden Titel "Akademie III" hochrangige zeitgenössische Dichter und Schriftsteller zum intellektuellen Gespräch. Ohne die geringsten Zugeständnisse an das Unterhaltungsbedürfnis wurde auf hohem Niveau das Wort gepflegt und zur Interpretation moderner Gedichte auch schon einmal die gute alte Schultafel herangezogen.
    Kulturmagazine liefen auf allen Kanälen, ob es sich nun um das "Studio Frankfurt" des Hessischen Rundfunks handelte, um die langlebigen "Titel, Thesen, Temperamente" der ARD, die "Aspekte" des ZDF, die "Horizonte" des Bayerischen Rundfunks oder um das "Spectrum" auf WDR 3.
    Vielen erinnerlich sind ebenfalls noch Sprachkurse wie "Englisch mit Walter und Connie", Sendereihen zur deutschen Geschichte sowie Mathematikkurse.
    Am populärsten wurden jedoch dokumentierend- erklärende Tiersendungen wie "Ein Platz für Tiere" mit dem unvergessenen Professor Bernhard Grzimek oder in Folge die "Expeditionen ins Tierreich", die ein breites Publikum generationenübergreifend ansprachen.
    Zum Pflichtprogramm des Bildungsbürgers dieser Jahrzehnte gehörte immer noch der Theaterbesuch, und so durfte auch im Fernsehen die Präsentation der alten und modernen Theaterklassiker nicht fehlen. Theater war in den 60er Jahren ein wesentlicher Bestandteil des Programms, und Inszenierungen wie die von Peter Zadek schrieben Fernseh- und Theatergeschichte und erreichten -zumindest in der Theorie- bundesweit große Zuschauerkreise. Jedoch veränderten die importierten Fernsehserien vorwiegend aus den USA und die im Fernsehen ausgestrahlten Kinofilme zunehmend die Sehgewohnheiten der Zuschauer, so daß sich bei TV- Theaterinszenierungen immer weniger Begeisterte vor den Bildschirmen einfanden, sieht man von den Aufführungen der Volkstheater wie Ohnsorg oder Millowitsch einmal ab.
    In den 70ern erreichte das Publikumsinteresse an klassischen TV- Theaterinszenierungen einen derartigen Tiefpunkt, daß die Programmverantwortlichen die Reißleine zogen und derartige Darbietungen fortan nur noch selten im Programm vorkamen.
    Parallel dazu entwickelte sich das Fernsehspiel zu einem eigenständigen Genre, das sich filmischer Erzählformen bediente und sich schließlich gänzlich vom Muster einer Theateraufführung entfernte.
    Eine weitere Form der Wissensvermittlung im TV bestand seit jeher in der praktischen Lebenshilfe für jedermann und erfreute sich außerordentlicher Beliebtheit. Das Angebot umfaßte fast alle Lebensbereiche. Formate wie "Das Rasthaus" oder "Der 7. Sinn" mit seinen Darstellungen authentischer Unfälle richteten sich mit Tipps und Warnungen an die rasant steigende Zahl der Autofahrer.
    "Die Sprechstunde" und "Gesundheitsmagazin Praxis" behandelten Gesundheitsfragen, und in der "Fernseh- Elternschule" kamen weitgefächerte Erziehungsprobleme zur Sprache. Eine Sendung forderte die Zuschauer zu Hause auf: "Werden Sie schöner, bleiben Sie jung". Küche, Hobbys, Sport, Kino- und Büchertipps lieferten Themen für ganze Sendereihen wie z.B. "Film als Hobby" für Super 8- Schmalfilmer.
    Die Euphorie um das Schulfernsehen und Bildungsprogramme aller Art ließ schon in den 70er Jahren erheblich nach, als sich zeigte, daß damit auf Dauer keine nennenswerten Einschaltquoten zu erzielen waren. Es stellte sich heraus, daß die Masse der Zuschauer von ihrer "Glotze" vor allem Unterhaltung und Zerstreuung erwartete. Auch war diese spezielle Form der TV- Wissensvermittlung doch etwas spröde, da zwischen den Dozierenden und ihren Zuschauern keine Interaktion in Form von Rückfragen stattfinden konnten. Infolge sind die Kursangebote im Fernsehen in den Folgejahrzehnten deutlich reduziert worden. Ratgebersendungen und Magazine haben sich dagegen zwar mit den Jahren in Bezug auf die Präsentationsformen geändert, wurden vom Publikum jedoch deutlich besser angenommen und behaupten nach wie vor ihren Platz im Programm.