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    Dienstag, 5. Juli 2016, 08:13

    Probealarm und Bombendrohungen

    In Zeiten des kalten Krieges gab es noch Probealarme. Hätte ja sein können, daß der Iwan eine Atombombe wirft, und da mußte man vorbereitet sein...
    Die Alarme fanden zweimal im Jahr statt. Wenn ich mich nicht irre, war das im März und im September von 10:00 bis 10:15.
    Bei uns Schülern war das sehr beliebt, denn der nächstgelegene Heuler stand auf dem Dach unseres alten Schulgebäudes. Da war für eine Viertelstunde kein gescheiter Unterricht möglich.

    Mitte der Siebziger, in Zeiten von RAF, RZ und 2. Juni, gab es ab und an Bombendrohungen. Dann wurde die gesamte Schule in den angrenzenden Park evakuiert, die Polizei kam mit Suchhunden und fand nichts, und nach einer Weile wurde wieder entwarnt.
    Auch diese Unterbrechungen waren sehr beliebt.

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    Mittwoch, 19. September 2018, 13:25

    Feueralarm

    Ich kann mich noch heute an "meinen" ersten Feueralarm erinnern. Das war wohl in der zweiten Klasse. Zu der Zeit war die neue Schule (also diese Kästen, die hessenweit dann in jedem Dorf gebaut wurde) noch nicht fertig, und wir wurden in einem etwas größeren Raum im ehemaligen Rathaus unterrichtet. Das war etwas abgelegen vom eigentlichen Schulkomplex, aus heutiger Sicht ein gemütlicher Raum, Holzdielenboden gewachst (typischer Duft), im Winter ein Kohlefeuer im Ofen, Eisblumen an den Fenstern, das "Fräulein Oder" , welcher ich sehr zugetan war , am Lehrerpult und plötzlich fliegt die Tür auf, ein etwas älterer Junge (heute würde man sagen "aus bildungsfernen Schichten") brüllt in das Klassenzimmer "HEY FEUERALARM" . Das kam so überraschend und laut, dass sogar das Fräulein Oder etwas blass um die Nase wurde. Der Schreck saß tief, auch wenn es nirgendwo brannte. Der "Melder" hat noch gegrinst und ist dann weggerannt. So ist auch er mir auf schräge Weise bis heute in Erinnerung geblieben, obwohl er mit knapp 20 bei einem Autounfall ums Leben kam.

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    Mittwoch, 19. September 2018, 18:36

    Feuermelder und Kinder aus prekären Verhältnissen

    Einen falschen Feueralarm herauszuposaunen, hätte in unserer Grundschule wohl kaum jemand gewagt.
    Allerdings gab es in meiner Klasse einen Jungen namens z.St., der auch in meiner Straße wohnte, wegen seines Strubbelkopfs wie "Mecki" ausschaute und wohl aus eher "prekären" Verhältnissen kam. Dieser sollte angeblich darauf spezialisiert gewesen sein, die damals noch überall anzutreffenden roten Feuermelder einzuschlagen und somit Fehlalarme auszulösen.
    Wie gesagt, das war "Schülerhörensagen" zwischen 1963 und 1966. Nach der vierten Kurzschulklasse trennten sich unsere Wege unwiderruflich. Ich habe von dem Jungen nie wieder etwas gehört, auf eine der mir bekannten weiterführenden Schulen (Haupt- oder Realschule) ist er wohl nicht gegangen.
    Ein weiterer Schüler aus meiner Grundschulklasse, J. J., beging wenige Jahre, nachdem sich unsere Wege trennten, Selbstmord. Die kinderreiche Familie galt als nicht einfach, wohnte in einem heruntergekommenen Haus am Rande einer Kiesgrube und gehörte zu den wenigen Bewohnern, die nichts während des Martinssingens herausrückte.

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    Montag, 24. September 2018, 13:08

    Kleine Korrektur

    Um das Missverständnis aufzuklären: das war kein Fehlalarm, der Junge hatte tatsächlich den Auftrag, die Klasse bzw. die Lehrkraft, zu alarmieren. Es war nur eine Übung, von der weder die Klasse noch das "Fräu'n Oder" etwas wussten. Ob man die Lebenssituation des jungen T. "prekär" nennen kann, vermag ich nicht zu sagen. Die Gemeinde hatte damals drei Blocks gebaut, in denen die Menschen wohnten, die wenig verdienten oder eben nur kleine Renten bezogen. "Rumlungern" gab es eher nicht, die jungen Leute machten eine Lehre oder gingen als "Ungelernte" arbeiten. Mädchen vorzugsweise in den Versand bei Neckermann in Frankfurt (weil die ja sowieso heiraten ... :) ) , ein Mann mittleren Alters machte auf der nahegelegenen Mülldeponie "in Altmetall" usw. Die gesamte Anlage machte einen gepflegten Eindruck, so lange die Bauten Eigentum der Kommune waren. Mittlerweile wurden die Häuser an eine private Baugesellschaft verkauft, was man auch daran erkennen kann, dass der Außenputz von den Wänden fällt und die Anlage verkommt. -passt das noch zum Thema- ? :rolleyes:

    PS: vermutlich wäre man beim Martinssingen dort auch leer ausgegangen, aber das gab es nicht in dem Dörfchen :whistling:

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    Montag, 24. September 2018, 16:00

    Feueralarm und die GeSoLei

    Nun, es ist in einem Forum völlig normal, daß man bei seinen Ausführungen auch mal (nach rheinischer Lesart) von "Höcksgen auf Stöcksgen" kommt.
    Ich kann mich an einzigen Probealarm in unserer Mittelschule erinnern, der um 1969 auch noch in der ersten Stunde von unserem Klassenlehrer für 10 Uhr angekündigt wurde. Wir wurden instruiert, was zu tun sei, und verließen nach Einsetzen des Alarmsignals völlig entspannt das Schulgebäude, um es rund zehn Minuten später wieder zu betreten.
    Am westlichen Ende unserer Wohnstraße befand sich das 1936 errichtete städtische Gebäude zur Aufnahme von Obdachlosen, die sog. "GeSoLei". Zur Entstehung der entsprechenden Ausstellung von 1926 und weitergehender Maßnahmen lohnt es sich durchaus, einmal zu googlen. Wir Kinder im damaligen Grundschulalter verballhornten den Begriff umgehend in "Giselei", und ich habe mich über einige Jahre hinweg stets gefragt, was denn dieses Gebäude um alles in der Welt mit der Schwester meines Nachbarn und Freundes K.-P. , Gisela L., zu tun haben könnte ?( .
    Wie auch immer: soweit mir erinnerlich, wohnten in dem Gebäude zur Zeit der Hochkonjunktur weniger Obdachlose, als vielmehr Familien aus einfachen bis schwierigen Verhältnissen. Erzählt wurde, daß die damaligen Gasherde, die sich in dem Gebäude befanden, mit Münzeinwurfsschlitzen versehen waren. Beim Einwurf von fünfzig Pfennig setzte sich der Herd dann für einige Zeit in Betrieb.
    Wie gesagt, das war Kinderhörensagen der damaligen Zeit. Mit den Kiddies dieser Wohnanlage hatten wir weder schulisch noch privat jemals irgendetwas zu tun. Sie kamen nicht in unsere Straße, und wir nicht auf ihren Hof. Das Gebäude sah ich lediglich alle paar Wochen von außen, da sich davor eine Bushaltestelle befand, von der unser Bus in die "große weite Welt", nämlich in die nahe gelegene Großstadt Düsseldorf abfuhr. Meine Mutter benutzte die Linie alle ein bis zwei Monate, um dort Textilien o.ä. einzukaufen, und nahm mich mit schöner Regelmäßigkeit mit, damit ich Schuhe und ähnlichen "Schnickschnack" anprobieren konnte.
    Das Gebäude "GeSoLei" soll bereits vor Jahren abgerissen worden sein. Heute befindet sich ein Netto Marken- Discount darauf.

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    Mittwoch, 26. September 2018, 12:55

    Münzeinwurf

    Die Sache mit dem Münzeinwurf habe ich seinerzeit auch kennengelernt. Ich war Anfang der 70er mit einem Jungen befreundet, der aus einer Familie von Halbgeschwistern stammt. Fünf mal die gleiche Mutter, aber alle haben einen anderen Vater. Gemeinsam war noch die Hautfarbe, den die Väter waren allesamt Afroamerikaner (in der Gegend gab es eben 2 große Kasernen) Drei der Kinder waren noch bei der Mutter. Ich habe damals einiges gelernt über Sozialhilfeempfänger (was der Freundschaft keinen Abbruch tat). Und da war es dann in der Wohnküche ab und zu mal plötzlich dunkel, bis der nächste Fuffziger in den Schlitz gesteckt wurde, denn der Strom (hier gab es kein Gas) musste im Voraus bezahlt werden :D .

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    Mittwoch, 26. September 2018, 17:03

    Sozialhilfeempfänger und gemischte Ehen in den 60er/ 70er Jahre

    Dann stimmt´s ja scheinbar mit den Münzautomaten in den Wohnungen für sozial schwächer Gestellte. Ich selbst habe das nie in Augenschein nehmen können, das haben wohl damals einzelne Nachbarskinder von den Eltern oder sonstigen Angehörigen aufgeschnappt und weitererzählt.
    In dem von uns abgesteckten Zeitrahmen galt der Bezug von Sozialhilfe noch als großer persönlicher Makel, ja sogar so etwas wie eine persönliche Bankrotterklärung. In den Zeiten der Hochkonjunktur gab´s Arbeit für alle, und wer sich davor drückte, galt mehr oder weniger als asozial und der Solidargemeinschaft auf der Tasche liegend.
    Geändert hat sich das nach meiner Einschätzung erst in den späten 70er/ frühen 80er Jahren, als sich gewisse Anspruchshaltungen im mittlerweile gut ausgebauten bundesdeutschen Sozialstaat verfestigten und auch die Zahl der Sozialhilfeempfänger arbeitsmarktbedingt deutlich anstieg.
    Ehen, geschweige denn nichteheliche "Beziehungen" mit gemischtethnischen Partnern wurden in den 60ern ebenfalls oft schief angesehen. Das betraf insbesondere Verhältnisse mit farbigen Partnern (wie von Dir beschrieben) oder mit Gastarbeitern. Eine spanischstämmige Gastarbeiterin hier im Ort heiratete in den 60ern einen Ortsansässigen und wurde über viele Jahre sowohl von ihren Schwiegereltern als auch von der "Dorfgemeinschaft" weitgehend ausgegrenzt. Die Verbitterung darüber merkt man ihr bei gelegentlichen Gesprächen heute noch an.

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    Donnerstag, 27. September 2018, 15:40

    Wie man sich durch das Leben schlagen kann

    In dem von mir geschilderten Fall lag keine (wenn ich das mal so formulieren darf) Arbeitsfähigkeit mehr vor. Die Mutter meines Freundes war hochgradig alkoholabhängig. Hätten meine Eltern gewusst, welchen Umgang ich damals hatte, die hätten mir das glatt verboten. Aber ich habe damals eine ganze Menge gelernt, wie Menschen in dieser Lebenssituation "ticken". Mein damaliger Freund und sein kleinerer Bruder haben es geschafft, aus diesem Milieu herauszukommen, Familien gegründet und diese aus eigener Kraft ernährt. Das war in den 70ern. In den 90ern habe ich eine Familie kennengelernt, da wurden den Kindern schon vorgelebt, wie man sich auch ohne Arbeit durchs Leben schlagen kann.

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    Donnerstag, 27. September 2018, 16:51

    Gesellschaftliche Außenseiter in den 60ern

    Deine Schilderungen wecken bei mir so manche Erinnerungen. Meine besten Freunde, mit denen ich aufwuchs, stammten aus der Nachbarschaft und aus einer Familie mit sechs Kindern. Vater Maurer, Mutter Hausfrau. Eine Doppelhaushälfte konnte Ende der 50er Jahre aus Lastenausgleichszahlungen gestemmt werden.
    Zwecks Aufbesserung des Einkommens wurde gegen Ende der 60er Jahre ein Zimmer an einen alleinstehenden Herrn vermietet. Dieser zeichnete sich u.a. dadurch aus, daß er seine Wäsche nie wusch oder waschen ließ, sondern nach Gebrauch stets in die Mülltonne beförderte. Auch soll er in strömendem Regen mitten auf der Straße unter Verwendung einer Klobürste "geduscht" haben. Wie es hieß, war er in früheren Jahren Profiboxer und soll dadurch einen leichten Dachschaden erlitten haben.
    Jedenfalls wurde der Mutter meiner Kumpels, J.F., nach einer Reihe weiterer Vorkommnisse Angst und bange, so daß sie ihrem Mieter letztendlich die Kündigung aussprechen mußte.
    Meine Mutter erlebte ca. Mitte der 60er, wie vor ihrem Haus ein wohl renitent gewordener "Tippelbruder" (auch die gab´s damals) von zwei Schutzpolizisten übel zusammengedroschen wurde. Obwoh sie eher der "Law and Order"- Fraktion angehörte, gab sie uns dieses Erlebnis doch einigermaßen empört zur Kenntnis.
    Ansonsten bin ich in einem eher durchschnittlich- bürgerlichem Viertel großgeworden, in dem die Väter tagsüber "auf Arbeit" waren und die Mütter den Haushalt schmissen und die Kinder versorgten. Unsere Straße bestand bis Mitte der 60er Jahre überwiegend aus Lastenausgleichshäusern, die um 1957 erstellt und von Ostvertriebenen bewohnt wurden. Einige der Hauseigentümer standen bereits in den 70ern, bedingt durch den beruflichen Aufstieg und auch durch den Wertzuwachs der Immobilien im Speckgürtel von Düsseldorf, wieder recht gut da.