Das waren noch Zeiten!

Die meisten Angehörigen meiner Generation verorten den ersten Fernsehkoch Deutschlands, Clemens Wilmenrod, in die 50er Jahre. Das stimmt nur bedingt, da seine Kochshow bis 1964, also noch weit bis in die 60er Jahre ausgestrahlt wurde.
Mir persönlich wurde Wilmenrod erst in späteren Jahren bekannt, da seine Sendungen erst nach 21 Uhr begannen und ich in dieser Zeit bereits das Bett hüten mußte.
Geboren wurde Clemens Wildenrod, mit bürgerlichem Namen Hahn, 1906 in einer Gemeinde im Westerwald.
Er starb bereits 1967, 60- jährig, durch Suizid in einer Münchner Klinik. Im kollektiven Gedächtnis insbesondere meiner Elterngeneration ist er durch zahlreiche kullinarische Erfindungen wie den "Toast Hawaii", das "Arabische Reiterfleisch" und die "Gefüllte Erdbeere" verblieben. Auch soll er den Rumtopf sowie den weihnachtlichen Putenbraten in weiten Teilen Deutschlands populär gemacht haben.
Wilmenrod hatte keine Ausbildung als Koch, sondern war gelernter Schauspieler. Als solcher hatte er während einiger Engagements in den 30er/ 40er Jahren eher mäßigen Erfolg. 1945 wurde er noch zu den Panzergrenadieren einberufen und leicht am Ohr verletzt.
Ab 1950 besetzte er kleinere Rollen in Wiesbaden, Lübeck und Hamburg.
Nach seiner Bewerbung beim damaligen NWDR trat er von Februar 1953 bis Mai 1964 in der WDR- Sendung "Bitte, in zehn Minuten zu Tisch !", mit Ehefrau Erika und dem Schnellbräter Marke Heinzelmann in 185 Sendungen als populärer Fernsehkoch auf. Die jeweils fünfzehnminütige Sendung lief zunächst vierzehntägig, ab 1957 monatlich am Freitagabend um 21.30 Uhr.
Bekannt wurde Wilmenrod durch seine originelle Küchenschürze und seine blumige, sehr gewählte Ausdrucksweise. So begrüßte er seine Zuschauer in den ersten Jahren mit der Floskel "Ihr lieben, goldigen Menschen", später mit "Liebe Freunde in Lucullus" und schließlich etwas sachlicher mit "Verehrte Feinschmeckergemeinde". Alle Gerichte wurden innerhalb einer Viertelstunde live zubereitet und nach der Sendung von den Mitwirkenden verzehrt. Kritik kam in den Medien der damaligen Zeit auf, nachdem Wilmenrod in zahlreichen Fällen Schleichwerbung für diverse Produkte nachgewiesen wurde. Auch wurde er gelegentlich der Hochstapelei bezichtigt, da seine Fachkompetenz und seine vermeintlichen Reiseerlebnisse in Ländern, die damals für den Durchschnittsdeutschen unerreichbar waren, angezweifelt wurden. Dies war damals selbst dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" einen Leitartikel wert und soll letztendlich 1964 zu Wilmenrods Entlassung geführt haben.
Deutschlands erste Kochshow war dennoch in ihrer damaligen Wirkung immens und fast jedes Mal ein Straßenfeger.
2008 wurde das Leben Wilmenrods unter dem Titel "Es liegt mir auf der Zunge" mit Jan Josef Liefers in der Hauptrolle verfilmt und 2009 ausgestrahlt.
2014 unterlief Fernsehkoch Frank Rosin ein schwerer Fauxpas, da ein Mitwirkender der Sendereihe "Rosins Restaurants" den "Toast Hawaii" für eine neue Speisekarte vorschlug und Rosin später behauptete, daß der greise Wilmenrod sich für die Würdigung seines Produkts per Email bei Rosin bedankt hätte.
Einzelne der alten Kochshows sind z.Zt. bei youtube zu sehen und für Fernsehnostalgiker ein absolutes Muß.