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    Mittwoch, 14. September 2011, 06:29

    Gelöst - Alltagsfrage Nr VI

    Was ist eine Wüstung? Was ist in der Neuzeit der häufigste Grund für die Entstehung von Wüstungen?

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    Mittwoch, 14. September 2011, 14:29

    Eine Wüstung ist eine aufggebene Siedlung, deren Reste oftmals noch zu erkennen sind. Heute entstehen Wüstungen in Tagebaugebieten (abbaggern von Dörfern) aber auch auf ehemals
    militärisch genutzten Geländen oder stillgelegten Industrieflächen.

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    Mittwoch, 14. September 2011, 15:42

    Richtig! Die Hauptursache für Wüstungen dürfte der Braunkohletagebau darstellen, dafür werden ganze Dörfer umgesiedelt und abgebaggert. Gerade in NRW kommt das regelmäßig vor, vor ein paar Jahren beispielsweise Etzweiler, Pesch und Immerath.

    Militärisch genutzt wurde bis 2005 das Dorf Wollseifen, das wurde von den britischen Streitkräften geräumt, die Bewohner wurden innerhalb von drei Wochen zwangsweise umgesiegelt und das Dorf wurde dann zunächst von den Briten, dann von den Belgiern als Truppenübungsplatz genutzt.

    Und was die Belgier angeht, sie haben hier in Köln zwar keine Wüstungen, aber regelrechte Geistersiedlungen hinterlassen.

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    Donnerstag, 15. September 2011, 08:13

    In der Region Leipzig gilt dasselbe bzgl. der Braunkohle. Auch die
    ehemaligen Militärgelände der Russen kann man als Wüstung betrachten. Die sind wahrscheinlich in einem noch viel schlimmeren Zustand als die der Briten. Stillgelegte Industriebetriebe, die nicht einer anderen Nutzung zugeführt werden,bezeichnet man wohl eher als Industriebrachen.

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    Donnerstag, 15. September 2011, 10:33

    Na ja, was die Belgier hier hinterlassen haben, das sind halt die leerstehenden Wohnsiedlungen, Kasernen, Schulen, etc. Leider hat der Bund sich da zu einem großen Teil zu spät um die Nachnutzung gekümmert, besonders bei den Wohnhäusern, da ist leider vieles zum Opfer von Vandalismus und der Witterung geworden. Das ist was, worüber ich mich herrlich aufregen kann: Einerseits hat der Staat kein Geld, andererseits gammelt ein Milliardenvermögen in anfangs durchaus brauchbaren Immobilien vor sich hin, weil das Bundesvermögensamt jahrelang den Arsch nicht hoch gekriegt hat, die ganzen Häuser zügiger zu verkaufen! Jetzt sind etliche davon leider schon in desolatem Zustand.

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    Freitag, 16. September 2011, 07:31

    Für einen desolaten Zustand hatten die Russen schon selbst gesorgt, wobei die fast abrissreifen Gebäude das wenigste waren. Die Böden dort sind kontaminiert mit Treibstoff-u. Munitionsrückständen. Bisher hat der Bund wohl die immensen Kosten einer Sanierung gescheut. Zum anderen haben weder die
    Länder oder Kommunen Interesse daran, solche Liegenschaften zu
    übernehmen, denn dann wären sie ja für die Sanierung zuständig.
    In aufgegebenen Braunkohlegruben hat man durch Flutung eine regelrechte Seenlandschaft entstehen lassen, die sich inzwischen
    zu einem attraktiven Naherholunggebiet entwickelt. Leider wurde
    beim Fluten nicht bedacht, daß sich auch der Grundwasserspiegel
    verändert, so daß etliche Häuser in der Nähe mittlerweile massive
    Probleme mit feuchten Kellern haben. Die Fehler sind also überall
    dieselben. Allerdings hätte sich in den 60ern wahrscheinlich keiner über vergammelte Kasernen aufgeregt. Die wären abgerissen worden und fertig. Schließlich gab es etliche Anlagen
    aus den 30ern, mit denen man so verfahren ist. Erst Jahre später
    (in den 90ern) stellte man dann fest, daß man Häuser auf dem
    Gelände einer ehemaligen Munitionsfabrik gebaut hatte und der
    verseuchte Boden nur durch eine etwa 30cm starke Erdschicht
    abgedeckt war.

    7

    Freitag, 16. September 2011, 14:26

    Die Truppenübungsplätze sind nicht das Problem, die meisten bei uns werden zu Naturschutzgebieten, weil sich da im Laufe der Jahrzehnte geschützte Tier- und Pflanzenarten angesiedelt haben. Und auch für die meisten Kasernen hat sich schon eine Nachnutzung gefunden. Zwei Kölner Kasernen, die in Junkersdorf und die in Ossendorf, wurden zu Wohnhäusern umgebaut, ein paar benutzt der Bund jetzt weiter, die Kaserne, die in meiner fußläufigen Nähe liegt, beherbergt jetzt zum Beispiel das Zollkriminalamt, und einige Gebäude wurden an Firmen verkauft. Das Problem sind definitiv die Wohnhäuser. Ich weiß nicht, wie die Russen bei euch gehaust haben, aber die Engländer und die Belgier waren definitiv keine Dreckschweine! Was sie an Wohnhäusern zurückgelassen haben, waren lauter nette, wenn auch etwas altmodische (immerhin 50er und 60er Jahre) Häuschen und Mehrfamilienhäuser, die mit Sicherheit schnell einen Abnehmer gefunden hätten, wenn sie zügiger verkauft worden wären. Das konnte man ja bei den viel zu seltenen Verkaufsaktionen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sehen, die Häuschen gingen mit Kusshand weg! Gerade deshalb finde ich es, gerade in einem Wohnungsmangelgebiet wie Köln auch so verwerflich, dass einfach zu lange mit dem Verkauf gewartet wurde. In der Zeit konnten Witterung und Vandalismus aus schönen Häuschen Ruinen machen, von denen jetzt wahrscheinlich viele abgerissen werden müssen. Irgendwelche Immobiliengesellschaften kaufen dann den Grund für einen Appel und ein Ei, wie wir Kölner sagen, und bauen dann potthässliche Betonklötze hin. Teilweise schon passiert.

    Mit der Braunkohle finde ich es einfach nur schlimm. Was da gemacht wird, ist nicht nur für die Menschen, die dem Tagebau weichen müssen, furchtbar. Sie kriegen, wenn sie umgesiedelt werden, für ihre Häuser nur den Zeitwert, und weil es oft genug die Elternhäuser waren, müssen sie sich, um sich wieder woanders anzusiedeln, oft gewaltig verschulden. Von diesen Riesen-Eingriffen in die Natur mal ganz zu schweigen, ich würde mich nicht wundern, wenn sich das irgendwann nicht nur in Form von ein paar nassen Kellern rächt. Es wird wirklich höchste Zeit, dass da mal nach anderen Lösungen gesucht wird, denn unerschöpflich ist die Kohle schließlich auch nicht.