•         *[Home] *[Fernsehen] *[Bücher] * [Comics] *[Musik] *[Alltag] * [Zeitgeschichte] *[Über mich]

    Sie sind nicht angemeldet.

    1

    Mittwoch, 22. März 2023, 13:57

    Renate Kern - Eine gescheiterte Schlagerkarriere ?

    Ähnlich wie Peter Beil kannte ich Renate Kern in erster Linie durch die Plattencovers in den entsprechenden Abteilungen der Kaufhäuser während der 60er Jahre. Darüber hinaus konnte ich mich dunkel an ihre verhältnismäßig tiefe Gesangsstimme erinnern, die einen hohen Wiedererkennungswert hatte. Von ihrem tragischen frühen Tod erfuhr ich allerdings erst jetzt während der Recherchen zu diesem Blog.
    Aber fangen wir von vorne an. Geboren wurde sie am 23. Januar 1945 unter ihrem bürgerlichen Namen Renate Poggensee in Thann/ Rhön und wuchs in der Kleinstadt Wildeshausen bei Bremen auf. Ihre Mutter Gertraud war Caféhauspianistin, ihr Vater Wissenschaftler und Erfinder, der u.a während der Kriegsjahre an der Entwicklung der legendären V 2- Rakete beteiligt war. Während eines Versuchs sprengte Vater Poggensee das kleine Familienanwesen in die Luft und hatte fortan aus naheliegenden Gründen in der Familie einen schweren Stand.
    Bereits als Kind erhielt Renate von ihrer Mutter Klavierunterricht, später brachte sie sich autodidaktisch das Gitarrespielen bei und ging im Jahre 1962 für ein Jahr als Austauschschülerin in die USA, wo ein amerikanischer DJ einige Lieder mit ihr aufnahm und sie in seinem Radioprogramm vorstellte.
    1964 begann dann Renate Kerns eigentliche Gesangskarriere, als sich die talentierte Sängerin in Harpstedt an einem Talentwettbewerb beteiligte und dort von Kai Warner, dem Bruder von James Last und gleichzeitigen Produzenten bei Polydor Hamburg, entdeckt wurde. Warner nahm Renate Kern unter Vertrag und produzierte mit ihr die erste Single "Kiss and Shake" im gerade angesagten Beat- Sound, die sich sofort in den Charts plazieren konnte. Als langfristig erfolgreicher erwies sich allerdings die B- Seite "Die Welt ist so schön wie ein Traum", ein sanfter Schlager, der den weiteren musikalischen Weg Renate Kerns vorgeben sollte. Als sie durch ihren ersten Erfolg in den Medien präsent wurde, hatte sie sich nach ihrem Abitur eigentlich für eine Ausbildung zur Textilverkäuferin entschieden und kaufte sich von ihrer ersten Gage eine solide Nähmaschine.
    Im Jahre 1966 war Renate Kern mit nunmehr drei erfolgreichen Singles bereits eine etablierte Schlagersängerin auf dem deutschen Markt. 1968 nahm sie mit "Lieber mal weinen im Glück" beim Deutschen Schlagerwettbewerb teil und landete auf einem enttäuschenden Platz in den hinteren Rängen, jedoch verkaufte sich diese Einspielung als Top Ten- Hit deutlich besser als alle anderen Wettbewerbsbeiträge. Bei der alljährlichen Umfrage der Jugendzeitschrift "Bravo" nach der beliebtesten Sängerin des Jahres landete sie noch vor Gitte, Peggy March und Marion auf einem respektablen zwölften Platz. Mit dem von ihr selbstgetexteten Lied "Du mußt mit den Wimpern klimpern" war Renate Kern im Jahre 1969 Gast in der allerersten Ausgabe der ZDF- Hitparade mit Dieter Thomas Heck und erreichte im darauffolgenden Jahr den absoluten Höhepunkt ihrer Schlagerkarriere, als sie mit James Last auf Welttournee ging. Unter anderem trat sie in Kanada, Hongkong, Großbritannien, Spanien, Luxemburg sowie in Frankreich auf und füllte die Jahrhunderthalle in Frankfurt- Höchst. Sie beteiligte sich an diversen Festivals und Schlagerwettbewerben wie dem Internationalen Lieder- Festival in Zoppot und erneut beim Deutschen Schlagerwettbewerb, wo sie mit ihrem Titel "Alle Blumen brauchen Sonne" diesmal den zweiten Platz belegte.
    Ihr frisch erworbenes Vermögen ermöglichte es der erfolgreichen Sängerin, sich den Traum vom Eigenheim in Hoyerswege, Kreis Oldenburg, zu erfüllen, während die Plattenfirmen sie mit ihrer fast schon unscheinbaren, etwas zurückhaltenden Art vermarkteten. Schlagertexter Günter Loose beschrieb das ihr zugewiesene Image wie folgt: "Schon wegen ihrer leicht burschikosen Ausstrahlung und ihrer etwas herben Stimme war sie in der deutschen Musikszene damals etwas Besonderes, und die klassischen Schlagerthemen paßten nicht so recht zu ihr...Also schrieb ich Texte, die entweder einen guten Ratschlag enthielten oder in irgendeiner Form Mut gaben, was meistens schon im Titel zum Ausdruck kam". Auf diese Art wurde Renate Kern zu einer Art "Seelentrösterin der Nation", ein künstliches Image, das ihr selbst jedoch absolut nicht behagte. Auch mit ihrer allgemeinen Karriere kam die junge Sängerin, die eher auf der Suche nach Geborgenheit und Sicherheit war, immer weniger zurecht. Eher introvertiert veranlagt, fand sie sich in dem ständigen Trubel und in der rauhen Wirklichkeit des Schlagerbusiness nie wirklich zurecht. Zwar verfügte sie über eine ausgezeichnete Stimme, lernte jedoch nur bedingt, ihr Outfit und ihr Verhalten den Gegebenheiten anzupassen, was sich z.B. in ständig veränderten Frisuren äußerte und den kommerziellen Wiedererkennungswert und damit die Verkäuflichkeit der "Marke Renate Kern" deutlich erschwerte. Einer ihrer größten Wünsche, die Chansons von Edith Piaf aufzunehmen und damit in seriösere Gefilde zu gelangen, wurde von ihrer Plattenfirma Polydor rundweg abgelehnt.
    Inzwischen war allerdings die deutsche Schlagerbranche in einem allmählichen Umbruch, als die Möglichkeiten von Fernsehvermarktungen seltener wurden und die Plattenumsätze sanken, und dies auch bei der einst erfolgsgewohnten Renate Kern. So wurde Peter Orloff zu ihrem neuen Produzenten, der mit Titeln wie "Das macht diese Welt erst richtig schön" oder "Morgen früh, da lachst du schon wieder" noch einmal an ihre alten Erfolge anknüpfen wollte, jedoch weitgehend ohne Erfolg. 1973 kündigte Polydor den Plattenvertrag, und Renate Kern wechselte zur BASF. Mit dem Titel "Wenn du gehst" gelang ihr dort ein guter Einstand, doch alle weiteren Singles entwickelten sich zu ausgesprochenen Flops.
    1974 erfolgte ihre Hochzeit mit dem Toningenieur Klaus- Dieter Hildebrandt, und nach ihrem letzten Auftritt in der ZDF-Hitparade im gleichen Jahr beauftragte Renate Kern ein Meinungsforschungsinstitut, das herausfand, daß beachtliche fünfzig Prozent der Bundesbürger die Schlagersängerin kannten. Derart ermutigt, versuchte sie ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, betätigte sich als Komponistin, gründete ihren eigenen Musikverlag und produzierte mit ihrem Mann das Duo "Mona & Michael". Doch all diese ambitionierten Pojekte scheiterten, so daß sie einen neuen Versuch startete und im Obergeschoß ihres Wohnhauses ein kostspieliges Tonstudio einrichtete, in dem u.a. ein Roger Whittacker einige seiner Platten aufnahm, während die eigene künstlerische Weiterentwicklung der talentierten Sängerin in den späten 70er Jahren weitgehend stagnierte.
    Im Jahre 1980 reiste Renate Kern für drei Wochen in die USA und nahm in Nashville/ Tennessee zwei Tage lang unter dem Künstlernamen Nancy Wood Countrysongs auf, von denen die Single "Imagine That" es 1981 tatsächlich auf Platz 79 der Hot 100- Country Charts schaffte. Beflügelt von diesem Erfolg , kehrte Reate Kern nach Deutschland zurück, doch gelang es ihr nicht, in ihrer neuen Rolle als Countrysängerin Nancy Wood auf dem relativ kleinen hiesigen Absatzmarkt für Produktionen dieser Art Fuß zu fassen. Einen neuen Karrieretiefpunkt erreichte sie, als sie in Autobahnraststätten und auf Stadtfesten auftreten mußte und eine kleine Hörfunksendung bei Radio Bremen unter dem Titel "Nancy´s Country Drive Inn" hatte. Als sie bereits aufgrund schwerer Depressionen in einer Klinik behandelt werden mußte, produzierte sie Sendungen dieser Art als angebliche Live- Veranstaltungen.
    Das Jahr 1990 brachte ihre letzte Karrierestation auf dem Fährschiff "Helsinki- Stockholm", auf dem Renate Kern zusammen mit einer bulgarischen Tanz- Band als Countrysängerin auftrat. Anfang 1991 wurde die seit den späten 80er Jahren zu starken Depressionen neigende Künstlerin ein letztes Mal in der Dr. Heine- Klinik bei Bremen stationär behandelt und als nicht suizidgefährdet erlassen. Bereits wenige Tage darauf erhängte Renate Kern sich am 18. Februar 1991 im Alter von nur 46 Jahren in ihrem Wohnhaus. Ihre letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Neuen Friedhof in Rostock, wo auch ihre Schwiegereltern bestattet sind.
    Im Jahre 1998 wurde ein Dokumentarfilm unter dem Titel "Und vor mir die Sterne..." veröffentlicht, der das Leben und die Karriere von Reate Kern nachzuzeichnen versuchte. Zusätzlich erschien 2003 unter dem Titel "Butterfahrt" ein Theaterstück, in dem die Autorin Margit Rogall einen Annäherung an den Menschen Renate Kern wagte.
    Literatur zum Thema: Wolfgang Miko. Singen und Suizid. Aufstieg und Niedergang einer deutschen Sängerin. Edition Octopus, Münster 2006. ISBN 3-86582-259-2. Der Autor stellt in diesem biographischen Roman das Leben der Sängerin vor und vergleicht sie mit anderen Schicksalen der Schlagerbranche, insbesondere mit Alexandra und mit Roy Black.

    www.youtube.com/watch?v=6m55d_fY2XI
    www.youtube.com/watch?v=yOm-GcumDp0
    www.youtube.com/watch?v=YJPp3TtR1ds

    2

    Donnerstag, 23. März 2023, 23:14

    Renate Kern war mir natuerlich ein Begriff, aber Schlager haben mich nach 1964 nicht mehr angesprochen.
    Mit Manuela ging es mir genauso, am ehesten gefiel mir noch Alexandra.
    Um das Austauschjahr in den USA 1962 beneide ich sie sehr!