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    Sonntag, 23. Oktober 2022, 14:04

    Kit Carson - amerikanischer Nationalheld oder Indianerschlächter ?

    Die zwischen Dezember 1966 und Juni 1967 in nur 16 Heften verlegte Lehningreihe "Kit Carson" war als Nachfolgeserie von "Karl May" und "Winnetou" konzipiert und wurde von Walter Lehning wahrscheinlich im Rahmen eines Tauschpakets aus Frankreich übernommen. Ich kann mich noch daran erinnern, damals mit staunenden Kinderaugen die Ankündigung der Nachfolgeserie in dem Winnetou- Heft 80, der Schlußausgabe dieser Reihe, gelesen zu haben. Leider gelang mir im Dezember 1966 nur der Erwerb der ersten beiden "Kit Carson"- Hefte, da danach aus unerklärlichen Gründen der Nachschub bei dem Tabak- und Zeitschriftenhändler meines Vertrauens versiegte. Sei es aus verlagsinternen Gründen (was ich mir angesichts der ausgefeilten Vetriebsstruktur bei Lehning eigentlich nicht vorstellen kann), oder, weil der Händler sein Comic- Sortiment nicht zu breit aufgestellt sehen wollte oder weil die Abenteuer des Trappers und Scouts bei ihm nicht so recht liefen.
    Wie auch immer: ab Januar 1967 besorgte ich mir stattdessen regelmäßig jede Woche die "Micky Maus" so daß ich gegen Ende des Jahres den kompletten Jahrgang vorliegen hatte. Diese Reihe stellte dann auch weitgehend den Abschluß meiner aktiven Comic- Zeit dar, da ich ab 1968 zunehmend auf Briefmarken umschwenkte, die in unserer Realschule damals eifrig gesammelt und getauscht wurden.
    Wer aber war Kit Carson wirklich ? Der 1809 in Kentucky geborene und 1868 in Colorado gestorbene Carson gilt als eine der schillerndsten Persönlichkeiten der amerikanischen Pioniergeschichte im Südwesten des 19. Jahrhunderts. Er war Trapper, Scout, Rancher, Indianeragent und zeitweise auch Soldat im Rang eines Brigadegenerals.
    Kit Carson galt in seiner Kindheit als hartnäckiger Schulverweigerer, brach mit 16 Jahren seine Sattlerlehre ab und ging in den Westen, um dort als Trapper und Fallensteller Biber zu jagen und die Besatzung von Fort Bent mit Fleisch zu versorgen. Auf diese Weise wurde er zum "Mountain Man" und erwarb sich Kenntnisse und Fähigkeiten, die im 19. Jahrhundert sehr wertvoll waren, um den nordamerikanischen Kontinent als Siedlungsgebiet zu erschließen. Kurz: Leute wie Kit Carson mit ihrem umfangreichen Wissen wurden damals gebraucht, sodaß selbst ein Mann wie er, der Analphabet war, zu einer wichtigen Persönlichkeit der amerikanischen Geschichte werden konnte. Er selbst hat im Vergleich zu etwa Buffalo Bill allerdings wenig dazu beigetragen, seine Rolle hervorzuheben, denn ihm lag nicht allzu viel daran, sich selbst dazustellen. Einerseits haben erst seine Weggefährten seine beachtlichen Leistungen hervorgerufen, und zum anderen wurde Carson zu einem Helden von "Dime Novels", die an der Ostküste verlegt wurden und in denen mehr der mythische Carson als die wahre Persönlichkeit geschildert wurde. Gegen seinen späteren Bekanntheitsgrad sprach dagegen zunächst, daß Carsons Leben nicht zu jener Epoche gehörte, die im amerikanischen Western viel stärker thematisiert wurde, nämlich die Jahrzehnte nach dem Bürgerkrieg bis etwa 1890, dem Ende der "Frontierbewegung". Denn Carson starb bereits am 28. Mai 1868.
    Insbesondere ab den 1970/80er Jahren gab es eine Zeit, in der das junge Amerika "umdachte" und in der ein wahres Carson- Bashing stattfand. Plötzlich ging es darum, den "Frontiersman" als Indianerschlächter hinzustelllen. Mit dieser Behauptung räumen dagen jüngere Autoren wie Kuegler sehr gründlich auf. Carson lebte in seiner Zeit als Fallensteller auch von und mit den Indianern. Auch als er in Fort Bent seinen Unterhalt als Jäger verdiente, lebte er überwiegend bei den Cheyenne. Er war zweimal mit Indianerinnen verheiratet, adoptierte einen Indianerjungen und sorgte für dessen Ausbildung. Auch Carsons eigene Kinder sahen den Jungen als Bruder und vollwertiges Familienmitglied an. Carson war darüber hinaus Indianeragent bei den Ute und genoß bei beiden Parteien einen ausgezeichneten Ruf, da er als Streitschlichter und Bewahrer des Friedens galt. Für die US- Armee führte er einen Feldzug gegen die Navajo und hatte den Befehl, alle aufständischen Krieger zu töten. Letztlich blieb es bei 23 Toten, was auch der Tatsache geschuldet war, daß Carson diesen Feldzug eher wie ein Indianer führte. Gern wird heute auch vergessen, daß die Kultur der Indianer durchaus nicht immer nur aus einem friedlichen Zusammenleben in der Prärie bestand. Bei vielen Völkern, zum Beispiel den Comanche, herrschte eine ausgeprägte Krieger- und Eroberungskultur. Auch die Navajo machten da keine Ausnahme und galten als regelrechte Geißel der Pueblo- Indianer und anderer benachbarter Stämme.
    Für Carson spricht weiterhin, daß er das von Chivington befohlene Massaker am Sand Creek für glatten Mord hielt. Dazu paßt die Äußerung eines Senators, daß Carson nicht zuletzt auch den weißen Mann für viele der Konflikte mit den Indianern verantwortlich machte. Das klingt durchaus nicht nach dem Indianerfresser, den man noch vor einigen Jahrzehnten aus ihm machen wollte. Heute gilt es, diese Persönlichkeit differenzierter zu erfassen.
    Kit Carson war durchaus ein Kind seiner Zeit und neigte dazu, wie viele seiner Zeitgenossen auch, die Kulturen der amerikanischen Ureinwohner als der europäischen unterlegen zu verstehen. Diese in zivilisatorischer Hinsicht durchaus richtige Ansicht vertrat nicht nur er, sondern fast jeder Europäer und ebenso das aus Europa entwachsene weiße Amerika.
    Carson erschloß mit seiner Erfahrung insbesondere den Südwesten für die Besiedlung, trug einiges zum gegenseitigen Völkerverständnis bei und stand im Bürgerkrieg auf Seiten der Union. Beinahe ein Treppenwitz der Geschichte ist die Episode, als Carson erstmalig seiner Popularität gewahr wurde. Er hatte versucht, eine von Indianern entführte weiße Frau zu retten, scheiterte aber. Bei der Leiche der Frau fand man eine "Dime Novel", in der Kit Carson den Held darstellte. Natürlich ließ sich der Analphabet Carson die Geschichte zumindest in Ansätzen vorlesen, worauf er eher mit Befremdung reagierte.
    In diesem Zusammenhang besonders empfehlenswert: Dietmar Kuegler. Kit Carson- Ein amerikanischer Held. Verlag für Amerikanistik. ISBN 978-3-89510-140-3

    www.youtube.com/watch?v=B50rxgMgS_E