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    Samstag, 27. August 2022, 22:52

    Die besten Jahre - Erinnerungen an meine Grundschulzeit in der Verlach

    Meine Grundschuljahre lagen exakt zwischen meiner Einschulung nach den Osterfeiertagen 1963 und der Weihnachtszeit 1966. Aus der heutigen, naturgemäß etwas verklärenden Sicht, gehörte diese Zeit zu den besten Jahren meines Lebens. Bedingt durch die Einführung von Kurzschuljahren aufgrund des Lehrermangels, hatten wir keine vier, sondern lediglich etwas über dreieinhalb Grundschuljahre.
    Mit den Leistungsanforderungen der Grundschule "Zur Verlach" hatte ich keine Probleme, sondern war sogar abwechselnd mit meinem Klassenkameraden Kai Jessen Primus der 1b bis 4b, und an den Nachmittagen konnte ich mit meinen Kumpels Hartmut, Siegfried und Klaus- Peter auf den großen Grundstücken, der Straße oder im nahegelegenen Wald ausgiebig spielen. Gesammelt haben wir zwischen 1964 und 1966 bereits auch, nämlich die damals ungemein populären Karl May- Sammelbilder aus dem Eikon- Verlag, die wir, abgepackt in Wundertüten zu zwanzig Pfennig, in einem Büdchen am Waldrand bei Frau Fuchs erwarben.
    Unsere Grundschule "Zur Verlach" in Hilden- Süd war ein Neubau aus den frühen 60er Jahren, der von dem Haus des Hausmeisters, dem Schulhof und einer Baumgruppe aus Eichen eingegrenzt wurde. Die Benutzung des Schulhofs nach Schulschluß z.B. als Bolzplatz war "aus Sicherheitsgründen" damals ausdrücklich untersagt.
    Zwar war die Schülerschaft konfessionell gemischt (Gastarbeiterkinder gab es dort zu dieser Zeit noch keine), jedoch wurden katholische und evangelische Kinder jeweils getrennt voneinander unterrichtet. Unsere erste Klassenlehrerin war ein Fräulein Just, welche uns in der allerersten Schulstunde mit Buntstiften einen Marienkäfer zu Papier bringen ließ. Sehr enttäuscht war ich, als sie beim Vorbeigehen die meines Erachtens sehr gelungene Arbeit mit keinem Blick würdigte. Kurz darauf heiratete sie, wurde zu Frau Pfeffer, einige Zeit später schwanger und verschwand darauf auf Nimmerwiedersehen aus unserem Blickfeld. So jedenfalls erzählte es mir damals meine Mutter, die Fräulein Just aus mir unerklärlichen Gründen nicht besonders mochte. Ersetzt wurde sie durch Eva- Maria Klophaus, eine bereits deutlich ältere Lehrerin, die sich nach meiner Erinnerung sehr liebevoll um uns bemühte. Im Jahre 1964 machte sie auf dem Schulhof ein Klassenfoto von uns, das ich heute noch besitze und das neben dem beim Fotografen gemachten Einschulungsfoto und meinem Zeugnisheft die einzig verbliebene Memorabilie aus meiner Grundschulzeit darstellt. Ein Jahr später grassierte eine Masernepedemie an der Verlach, die auch mich erwischte und aufgrund derer ich ca. zwei bis drei Wochen das Bett hüten mußte. Erinnern kann ich mich noch an den damit verbundenen Ausschlag und Schwindelgefühle beim Aufstehen.
    Klassenfahrten gab es mit unserer Frau Klophaus keine, da sie gehbehindert war und wohl aus diesem Grund darauf verzichten mußte.
    Lesen und Schreiben haben wir mit Hilfe unserer "Sonnenfibel" gelernt, einem Lehrbuch, das insbesondere in den 50er und 60er Jahren in Nordrhein- Westfalen weite Verbreitung gefunden hat. Einzelne Gedichtreime aus diesem Buch kann ich noch heute einigermaßen vollständig rezitieren.
    Vermutlich im Jahre 1966 bereitete sich unsere Klasse auf die erste und einzige Aufführung eines "Theaterstücks" an unserer Grundschule vor. An den Titel und die Inhalte kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, sondern nur daran, daß ich den Prolog mit recht viel Text zu sprechen hatte. Auch Fotos existieren von dieser Aufführung, zu der die Elternschaft eingeladen war, meines Wissens nicht.
    Im Dezember 1966 war schließlich unsere Grundschulzeit, verbunden mit einer kleinen Klassenfeier, beendet. Einige Schüler, die freiwillig Weihnachtsgedichte gelernt hatten, so auch ich, sagten diese auf ("Von drauß´vom Walde komm ich her..."), und einem Mitschüler kamen vor Trennungsschmerz sogar die Tränen.
    Jahrzehnte später habe über "stayfriends" noch einmal sporadische Kontakte zu einzelnen Mitschülern dieser Jahre knüpfen können, die aber zeitlich eng begrenzt blieben, da sich unsere Wege bereits ab 1967 trennten. Einige besuchten das weiterführende Gymnasium, ich ging im ersten Halbjahr 1967 übergangsweise auf die ev. Volksschule Richrather Straße und nach den Sommerferien für sechs Jahre auf eine "Realschule für Jungen", und die gefühlte Mehrheit meiner Klassenkameraden besuchte die Hauptschule, wie das damals noch durchaus üblich war.
    Für mich waren diese Jahre in der Rückschau eine schöne Zeit, vielleicht sogar die angenehmsten Jahre meines Lebens ^^ .

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    Sonntag, 28. August 2022, 18:27

    RE: Die besten Jahre - Erinnerungen an meine Grundschulzeit in der Verlach

    Was fuer ein schoener Bericht!
    Bei mir war es aehnlich, Uwe.
    Eingeschult wurde ich 1961 mit 6 Jahren, und zu meiner grossen Freude wurden all meine SpielgefaehrtInnen aus dem Kindergarten mit mir eingeschult, was das Gewoehnen an die Volksschule leichter machte.
    Dies war in Treuchtlingen/Altmuehltal, wo ich eine idyllische Kindheit (leider nur fuer 2 Jahre von 1960 bis 1962) am Fusse des Schlossbergs erlebte. Gegenueber war das Krankenhaus, in dem mein Vater arbeitete, und seitlich gegenueber (dazwischen lag die wenig befahrene Strasse, die den Schlossberg hoch zur Schlossruine fuehrte) lag das Haus des Oberfoersters.
    Zwischen der Strasse und dem Haus des Oberfoersters gab es einen winzig kleinen Tunnel, durch den wir Kinder gern krochen. Ausserdem klauten wir Kirschen aus dem Garten des Oberfoersters.
    Er war ein strenger alter Mann mit einem weissen Bart. Mit meiner Freundin Jutta Luber fuhr ich im Winter gern den kaum befahrenen Schlossberg mit dem Rodelschlitten hinunter.
    Einmal hatten wir nicht soviel Glueck, der Oberfoerster kam mit seinem riesigen schwarzen Mercedes angefahren, und ehe er auf das Grundstueck einschwenken konnte, landete unser stark abgebremster Schlitten in seiner Stossstange. Wir beide waren unverletzt, aber die Stossstange war vermutlich zerkratzt, und es gab viel Gezeter von Seiten des Oberfoersters.
    Im Herbst gab es in Treuchtlingen einen Umzug am St. Martins Tag und wir Kinder sangen "Ich gehe mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir" und "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne".
    Ausserdem liessen wir einmal im Jahr im Herbst Luftballons mit unseren Adressen vom Schlossberg fliegen, die dann in der Regel in der Tschechoslowakei landeten und hin und wieder von einem tschechischen Kind beantwortet wurden.
    Mein Vater haette mit einem Kollegen eine Gemeinschaftspraxis in Treuchtlingen eroeffnen koennen, und ich waere nach der Volksschule nach Weissenburg auf die Oberschule gekommen, aber leider verstand sich meine Mutter nicht mit der Frau des anderen Arztes, und so verwarfen die Maenner diesen Plan wieder.
    Stattdessen zogen wir 1964 nach Braunschweig (von 1962 bis 1964 lebten wir in Friedrichshafen am Bodensee, wo es sehr lange dauerte, ehe ich neue Freundschaften schloss, was auch am Kurzschuljahr lag bzw an der Tatsache, dass man in Baden-Wuerttemberg erst mit 7 Jahren eingeschult wurde).
    In Braunschweig dauerte es etwa ein Jahr, ehe ich Anschluss fand. Zu meinem 10. Geburtstag im August 1965 bekam ich einen Langhaardackelwekpen und erzaehlte davon in meiner Klasse, drei Maedchen kamen mit zu mir nach Hause, um sich unser Maeuschen anzusehen und daraus entstanden neue Freundschaften.
    Zuerst lebten wir in der idyllischen Georg-Westermann-Allee am Prinzenpark und viele meiner Kindheitserinnerungen sind mit diesem riesigen Park verbunden.
    Jeden Samstagnachmittag nach der Schule holte ich im Kiosk an der Ecke des Prinzenparks/Herzogin-Elisabeth-Strasse die HOER ZU mit meinem Hund, dann las ich sie und kreuzte die wenigen Sendungen an, die ich mir anschauen konnte (ich durfte von Montag bis Freitag nur eine Stunde am Tag fernsehen, denn meinen Eltern war es wichtiger, dass ich stundenlang ueber den Hausaufgaben sass).
    Im Kreuzteich in Riddagshausen versuchten die aelteren Brueder meiner besten Freundin Katti mir das Schlittschuhlaufen beizubringen, aber ich hatte wohl schwache Fussgelenke und konnte die Balance nicht halten.
    Erfolgreicher war ich auf Rollschuhen, damals waren Rollschuhe noch zweigleisig mit 4 Rollen bestueckt, was die Balance enorm erleichterte. Im Prinzenpark hatte die Braunschweiger Polizei eine Rollschuhbahn, die wir Kinder benutzen durften.

    Irgendwo in der Naehe der Kastanienallee gab es Mitte der 60er Jahre bereits einen ersten ALDI Markt, der ganz primitiv mit selbstgezimmerten Regalen und fensterlos eingerichtet war.
    Meiner Mutter war er zu weit weg, statt Geld zu sparen ging sie lieber zum Tante Emma Laden in unserem Haeuserblock.
    Gegenueber von unserem Mietshaus, in dem wir mit zwei anderen Parteien wohnten (eine war die Hausbesitzerin mit ihrem Sohn, der Fotograf wurde), lag der Georg-Westermann Verlag. Meine Mutter kannte den Verlagsleiter (der in der Villa neben unserem Grundstueck lebte), und sie uebersetzte fuer ihn ab und zu.
    Zweimal wurden wir zu Herrn Demel und dessen Frau zu Kaffee und Kuchen eingeladen, ich bekam jedesmal ein spannendes Norman Dale Buch geschenkt (Das Schloss des Erfinders, Ein Zelt, ein Rad und ein Kamerad).
    Damals ging ich noch in die Streitberg Volksschule, musste aber bereits Nachhilfe in Mathematik zweimal pro Woche aufsuchen und den Aufnahmetest fuer's Gymnasium (Ina-Seidel-Schule, eine reine Maedchenschule) bestand ich erst im 2. Anlauf, wegen Mathe. Mein Schwachpunkt.

    Bis heute frage ich mich, warum mich meine Eltern nicht auf die Montessori Schule schickten, wo ich ohne Mathe meinen Neigungen entsprechend haette lernen koennen?

    Leider beschlossen meine Eltern im Dezember 1966, sich ein haessliches, winziges Endreihenhaus in Broitzem zu kaufen, und das war das Ende meiner schoenen Kindheit.
    Nicht nur wurde ich von all meinen FreundInnen fortgerissen, es gab in Broitzem auf dem Huegel, wo wir lebten, nur junge Familien mit kleinen Kindern, mein neues Kinderzimmer war nur ein Viertel so gross wie das in der Georg-Westermann-Allee, es gab keinen alten Baumbestand (ergo in den langen heissen Sommern keinen Schatten), und der Bus fuhr nur einmal pro Stunde nach Braunschweig rein.
    Da der Unterricht an der Ina-Seidel-Schule um 7:45 Uhr begann, musste ich den Bus um 6 Uhr in Broitzem nehmen, dann war ich um 7:20 Uhr in der Schule. Das bedeutete jahrelang fruehes Aufstehen und fruehes Schlafengehen. Ein Muster, an das ich mich ein Leben lang gewoehnte.
    Meine Grundschuljahre lagen exakt zwischen meiner Einschulung nach den Osterfeiertagen 1963 und der Weihnachtszeit 1966. Aus der heutigen, naturgemäß etwas verklärenden Sicht, gehörte diese Zeit zu den besten Jahren meines Lebens. Bedingt durch die Einführung von Kurzschuljahren aufgrund des Lehrermangels, hatten wir keine vier, sondern lediglich etwas über dreieinhalb Grundschuljahre.

    Für mich waren diese Jahre in der Rückschau eine schöne Zeit, vielleicht sogar die angenehmsten Jahre meines Lebens ^^ .

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    Sonntag, 28. August 2022, 19:26

    Die dunkle Seite des Mondes

    Ein sehr schöner Bericht über Deine Schulzeit, Chrissie, gerne mehr davon !
    Sinn dieses Threads soll es auch sein, Erinnerungen an die Schulzeit, die bereits an die 50 bis 60 Jahre auf dem Buckel haben, hier ein wenig zu konservieren, bevor sie altersbedingt dem Vergessen anheimfallen.
    Zu meiner Grundschulzeit fällt mir noch eine kleine Geschichte ein, die weniger erfreulich war. Ich muß vorausschicken, daß ich Einzelkind war, von meinen Eltern meist in Ruhe gelassen wurde und von den kleinen und großen Intrigen des menschlichen Daseins Mitte der 60er Jahre noch völlig unbelastet war.
    Zu dieser Zeit geschah folgendes: einige meiner Mitschüler brachen den in unserem Klassenraum befindlichen Lehrmittelschrank auf und entwendeten daraus ein großes Holzlineal, wie sie damals an den Tafeln Verwendung fanden. Das Ganze wurde publik, meine Klassenlehrerin fragte einige Schüler, wer dies gewesen sei, und zwei der Übeltäter beschuldigten mich des Vergehens. Alles in meiner Abwesenheit; umso mehr fiel ich am nächsten Schultag aus allen Wolken, als ich von Frau Klophaus der Missetat beschuldigt wurde. Natürlich war ich auf diese Anschuldigungen völlig unvorbereitet, verneinte diese, es flossen dabei wohl auch Tränen, und soweit ich mich noch erinnern kann, verlief die ganze Sache letztendlich im Sande und wurde nie restlos aufgeklärt.
    Gelernt habe ich als damals ca. Achtjähriger daraus, daß es nicht nur "Sonnenkinder" unter meinen Mitmenschen, sondern auch kleine "Kanalratten" gab, die bereits in diesem zarten Alter mit allen Tricks und Ösen arbeiteten. Eine Erfahrung, die ich in den Folgejahrzehnten noch desöfteren machen sollte. Doch von Stund an war ich darauf vorbereitet :thumbup: .

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    Sonntag, 28. August 2022, 19:54

    Das war ausgesprochen gemein von Deinen Klassenkameraden, Uwe.
    Ich habe etwas Aehnliches waehrend der Schulzeit nie erlebt, erst im Berufsleben, wo ich in zwei verschiedenen Jobs, einer in Vechelde und einer hier in den USA in Ashland, zwei weibliche Bullies hatte (wie nennt man solche Menschen auf Deutsch?).
    Da ich mich aber nicht einschuechtern liess, wurden sie immer impertinenter.
    Das ist auch der Hauptgrund, warum ich seit 8. Mai 2008 aeusserst gluecklich und zufrieden mit meinem Leben bin - keine Bullies mehr. Ich umgebe mich nur noch mit Menschen, die mir gut tun. Der Segen des Rentnerdaseins. :D

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    Sonntag, 28. August 2022, 20:19

    Internat

    Um mich von meinem Freund in Braunschweig raeumlich zu trennen, steckten mich meine Eltern am 1. Februar 1974 gegen meinen Willen in die Jugenddorf Christophorus Schule in Altensteig/Schwarzwald. Das war ein Internat, eine gemischte Schule.
    Wir Maedchen waren im Terwiel Gebaeude untergebracht, die Jungen in einem anderen.
    Das Terwiel war nagelneu erbaut und erst im Jahr zuvor bezogen worden.
    Ich hatte sogar ein Zimmer fuer mich allein und freundete mich mit einer Sabine aus Stuttgart an, bei der ich zwei Wochenenden verbrachte.
    Meine Eltern hatten ausgesprochen viktorianische Vorstellungen, was meine Jugend betraf, und waren ganz entschieden dagegen, dass ich einen Freund hatte. Dass ich mir das mit 18 Jahren nicht mehr gefallen liess, ist verstaendlich.

    Meine Eltern hatten einerseits Angst, dass ich ungewollt schwanger werden koennte, wollten andererseits aber nicht, dass ich die Pille nahm, also war ich gezwungen, heimlich zu PRO FAMILIA bei der Uni zu gehen und sie mir dort umsonst geben zu lassen.
    Da meine Eltern regelmaessig mein Zimmer durchsuchten, meine Tagebuecher durchlasen und mir Romane wie "Das Tal der Puppen" oder "Peyton Place" einfach wegnahmen, entdeckten sie auch die Anti-Baby-Pillenvorraete und nahmen sie mir weg (woraufhin ich mir bei PRO FAMILIA natuerlich eine Ersatzpille holte).
    Sobald mein Freund aus Braunschweig mit seiner Grundausbildung bei der Bundeswehr fertig war (ich meine, das dauerte 6 Wochen), kam er mich regelmaessig im Schwarzwald besuchen und nahm sich in Enzkloesterle ein Hotelzimmer.
    Meine Eltern wiederum unterliessen es, mir mitzuteilen, wann sie mich besuchen wollten, und so kam es, wie es kommen musste: Eltern und Freund kamen ausgerechnet am selben Wochenende nach Altensteig.
    Zum Glueck hatte ich eine verstaendnisvolle Hausmutter, Frau Schlesinger, die unten im Terwiel mit ihrem kleinen Sohn wohnte, und die mich unbemerkt aus ihrer Wohnung rauschluepfen liess, nachdem ich vorher ihr Telefon benutzen durfte, um meinen Freund in Enzkloesterle anzurufen.
    Meine Eltern warteten morgens um 7 Uhr vor dem Terwiel vergebens auf mich, waehrend ich hinter dem Terwiel ueber die Wiesen unbemerkt zur Strasse nach Enzkloesterle schlich. Mein Freund kam in seinem roten Karmann Ghia angefahren, und wir verbrachten einen herrlichen Samstag.
    Dasselbe spielte sich nochmal am Sonntagmorgen ab, wieder entkam ich unbemerkt von meinen Eltern und verbrachte den Tag mit Michael.
    Am Montag Morgen gingen meine aeusserst empoerten Eltern zum Internatsleiter, Herr Broesel, der sehr modern und aufgeschlossen war (von dem haetten sich meine Eltern eine Scheibe abschneiden koennen!), er sagte ihnen, dass ich 18,5 Jahre alt sei und damit bis 23 Uhr wegbleiben darf und er mich nicht einsperren kann.

    Er schlug ihnen vor, mir das naechste Mal doch vorher Bescheid zu geben, wenn sie die lange Fahrt von Braunschweig in den Schwarzwald antreten.
    Es tat mir richtig gut, dass sich da ein einziges Mal eine Autoritaetsperson fuer mich eingesetzt hat, statt wie meine Eltern und alle anderen (so auch das Jugendamt, das ich vor der Zwangseinweisung ins Internat zu Hilfe rufen wollte) gegen mich.
    Gottseidank wurde zum 1.1.75 das Volljaehrigkeitsalter von 21 auf 18 Jahre heruntergesetzt, ich war ab Oktober 1974 nicht mehr laenger der Willkuer meiner Eltern ausgesetzt und zog zu meinem Freund.
    Meine Rache: ich wanderte in die USA aus und sah sie nur alle 7 Jahre mal, wenn wir nach Germany kamen.

    Ein schoenes Erlebnis waehrend der Internatszeit waren die Osterferien 1974, die ich mit der Kanugruppe des Internats an der Ardèche in Suedfrankreich verbracht habe, aber ich glaube, das hatte ich bereits erzaehlt?

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    Sonntag, 28. August 2022, 21:23

    Unsere Eltern und Bullies

    Da hattest Du für diese Zeit (70er Jahre) ungewöhnlich strenge Eltern, die vielleicht auch gewissen Kontrollzwängen unterlagen. Aber in dem Alter noch "Durchsuchungen" des Zimmerinventars ? Ein bißchen "weirdo", das Ganze.
    Bei mir war es eher umgekehrt. Meine Mutter starb sehr früh, und mit 15 bekam ich Kostgeld von meinem alten Herrn und mußte ansonsten weitgehend selber zusehen, wie ich klarkam. Mit 19 machte ich dann mein Abi, und einige Monate später stellte mein Vater die finanziellen Zuwendungen an mich ein. Ich mußte also seither selber schauen, wie ich finanziell zurechtkam, was mir durchaus eine wertvolle Lehre war.
    Unter "Bullies" versteht man Haus- oder auch Firmentyrannen. Die habe ich auch immer mal wieder auf allen Ebenen erlebt, auch und gerade während meines Unistudiums. Was sich da an menschlichen "Existenzen" als Dozenten oder Professoren tummelte, spottete teilweise jeder Beschreibung. Eine dieser Existenzen habe ich über einen Anwalt sehr schnell wieder auf Normalmaß zurechtstutzen können. Das ist nicht jedem gelungen. Ein Bekannter studierte in Hannover Lehramt für Gymnasien (Mathe und Englisch) und kam an seinem Matheprofessor in den Prüfungen nicht vorbei. Seine sinngemäße Begründung: "Ihre Nase gefällt mir nicht !". Wir haben um 1983 als Werkstudenten gemeinsam bei VW Hannover gearbeitet, und er hat dort kurz darauf eine Festanstellung bekommen. Sein Studium konnte er an den Nagel hängen, da er dem besagten Professor die Verfehlungen hätte nachweisen müssen, was außerordentlich schwierig gewesen wäre.

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    Montag, 29. August 2022, 00:30

    RE: Unsere Eltern und Bullies

    Ja, ich hatte ungewoehnlich strenge Eltern, wurde noch mit 19 Jahren 1974 verpruegelt und machte, seit ich 12 Jahre alt war, all das, was mir wichtig war, heimlich und hinter dem Ruecken meiner Eltern (wie beispielsweise BRAVO lesen, einen Freund haben, ins Kino gehen statt zum Nachmittagssport etc).
    Zwar besuchte ich mit 17 Jahren wochenlang einen Selbstverteidigungskursus, den die Braunschweiger Polizei anbot, aber gegen meinen kraeftigen Vater kam ich dennoch nicht an (deshalb staune ich immer, wenn ich mir domestic abuse Filme wie "Enough" mit Jennifer Lopez ansehe).
    Immerhin konnte ich von da an meine Mutter, die schnell die Geduld verlor, am Ohrfeigen hindern. :)

    Im Call Center in Ashland hatte ich dann vom ersten Tag an eine widerliche Vorgesetzte, die mir mehr und mehr Stress auflud, bis es mir zuviel wurde.
    Zwar versuchte ich bei HR (Personalamt), innerhalb der Firma versetzt zu werden, aber sie hatte leider zuviel Einfluss und so liess mich HR da, wo ich war, ihr ausgesetzt. Ich war die einzige Mitarbeiterin unter 400 Amerikenern, die Deutsch sprach und die deutschen Firmen anrufen konnte. Die wollte sie natuerlich nicht hergeben.

    Ich bekam meine Rache im Mai 2008, als ich diese Frau und den HR Mitarbeiter vors Arbeitsgericht brachte. Das Call Center wurde dazu verdonnert, mir 99 Wochen lang Arbeitslosengeld zu zahlen.
    Rache ist suess... :D :D :D
    Unter "Bullies" versteht man Haus- oder auch Firmentyrannen. Die habe ich auch immer mal wieder auf allen Ebenen erlebt, auch und gerade während meines Unistudiums. Was sich da an menschlichen "Existenzen" als Dozenten oder Professoren tummelte, spottete teilweise jeder Beschreibung. Eine dieser Existenzen habe ich über einen Anwalt sehr schnell wieder auf Normalmaß zurechtstutzen können. Das ist nicht jedem gelungen. Ein Bekannter studierte in Hannover Lehramt für Gymnasien (Mathe und Englisch) und kam an seinem Matheprofessor in den Prüfungen nicht vorbei. Seine sinngemäße Begründung: "Ihre Nase gefällt mir nicht !". Wir haben um 1983 als Werkstudenten gemeinsam bei VW Hannover gearbeitet, und er hat dort kurz darauf eine Festanstellung bekommen. Sein Studium konnte er an den Nagel hängen, da er dem besagten Professor die Verfehlungen hätte nachweisen müssen, was außerordentlich schwierig gewesen wäre.

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    Montag, 29. August 2022, 18:22

    Prügel im Elternhaus

    Geschlagen wurde in meinem Elternhaus eigentlich so gut wie nie. Zwar neigte meine Mutter etwas zum Jähzorn, und gelegentlich "rutschte ihr mal die Hand aus", aber das hielt sich alles in einem sehr vertretbaren Rahmen. Mein Vater war dagegen beruflich so eingespannt, daß ich ihn quasi fast nur am Wochenende zu sehen bekam. Geschlagen hat er mich während meiner Kindheit nur ein bis zwei Mal, und an einen der beiden Anlässe kann ich mich noch gut erinnern.
    Wir saßen am Sonntagstisch, und als Kind hatte ich eine unüberwindliche Abneigung gegen fettes Fleisch. Versehentlich aß ich dann doch einmal einen "Fettrand" mit , schmeckte dies auch sogleich und bekam einen Würgereiz. Daraufhin riß meinem alten Herrn der Geduldsfaden, er zog mich über den Tisch und versohlte mir tüchtig den Allerwertesten. Dahinter steckten sicher auch persönliche Traumata, denn er hatte als damals Zwölfjähriger an der Oderfront im Januar 1945 die Grauen des Krieges noch selbst miterlebt und in den darauffolgenden Jahren mitbekommen, was Hunger bedeuten kann. Im Jahre 1951 ging er dann als damals 19- jähriger aus der SBZ über die "grüne Grenze" in den Westen, um dort ein besseres Leben zu finden. Zwei seiner drei Brüder sowie seine Eltern folgten ihm in den Jahren bis ca. 1960 nach.
    Ansonsten hatten meine beiden Elternteile sich wohl von Anfang an vorgenommen, ihre Kinder ohne Prügel zu erziehen, was sie auch weitgehend durchgehalten haben. Wobei gesagt werden muß, daß sie mit ihrem Sohn ein durchaus "pflegeleichtes" Kind bekamen, das ihnen meist keine allzu großen Sorgen bereitete :thumbsup: .

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    Dienstag, 30. August 2022, 00:35

    RE: Prügel im Elternhaus

    Den Fettrand habe ich auch immer abgeschnitten und nie mitgegessen, auch Verbranntes beim Grillen (es verursacht uebrigens Krebs) schnitt ich grundsaetzlich ab.

    Seit ich in den USA lebe, grille ich nicht mehr (zuviele Muecken, zu hohe Luftfeuchtigkeit und Hitze).
    Wenn die Pruegel aufgehoert haetten, als ich 12 oder 13 Jahre alt war, damit haette ich leben koennen.
    Was mich bis heute stoert, ist die Tatsache, dass ich noch mit 19 Jahren geschlagen wurde, nur weil meinen Eltern mein Freund nicht passte und ich ihn trotzdem traf. Das setzte meinem Selbstwertgefuehl arg zu.

    Selbst in dem einzigen Buch zum Thema Pruegel in der Baby Boomer Generation (Die gepruegelte Generation)
    https://www.amazon.de/-/en/Ingrid-M%C3%B…ks%2C157&sr=1-1
    von Ingrid Mueller-Muench, ist bei 99% der Fallbeispiele bei 14 oder 15 Jahren Schluss mit dem Schlagen gewesen.
    Ich versuchte Anfang 1974 uebers Jugendgericht einen Vormund zu bekommen, um endlich den ewigen elterlichen Pruegeln zu entkommen, aber die Jugendrichterin in Braunschweig liess sich von meinem eloquenten Vater (der mir verbal ueberlegen war) einwickeln, und ich wurde keine zwei Wochen spaeter gegen meinen Willen 600 km weit ins Internat gesteckt. Unterwegs auf der Autobahn pruegelten sie nochmal auf mich ein, und nach dem Internat (ich war gerade 19 geworden) ein letztes Mal, weil ich mich nach wie vor weigerte, mit Michael zu brechen.

    Dann hoerte ich gluecklicherweise immer oefter, dass das Volljaehrigkeitsalter von 21 auf 18 herabgesetzt wird, was mich im wahrsten Sinne des Wortes gerettet hat.

    Mit 70 Jahren gab ich meiner Mutter 1999 die Gelegenheit, sich bei mir fuer die vielen sinnlosen Pruegel zu entschuldigen, indem ich das Thema nochmal ansprach (das war das letzte Mal), aber sie lebt in denial (wie sagt man das auf Deutsch?). Angeblich hielten das damals alle Eltern so.

    Ich bezweifle, dass viele Aerzte, die doch eigentlich Leben schuetzen/retten sollen, ihre erwachsenen Toechter am Hinterkopf blutig schlagen und dabei dermassen in Rage geraten, dass erst die entsetzten Schreie ihrer Frau (Hoer auf, sonst bringst du sie um) sie zur Raeson bringen.

    Ich hoffe, mein Vater schmort dafuer in der Hoelle (er starb mit 80 Jahren Ende November 2011). Verzeihen werde ich ihm das niemals.

    Entschuldigt hat er sich bei mir nie, obwohl ich ihm in den 80er Jahren einmal sagte, dass ich von den Pruegeln noch jahrelange Albtraeume hatte.
    Und nun im Alter kehren die Gedanken daran immer oefter zurueck, egal, wie sehr ich versuche, sie weg zu draengen.

    Dass ich ein ziemlich guterzogenes und gehorsames Kind gewesen bin, ist mir erst in den letzten 25 bis 30 Jahren klar geworden, seit ich mir TV oder Kinofilme mit tatsaechlich schwierigen Kindern ansehe, die alle erstaunlich verstaendnisvoll von ihren Eltern behandelt werden.
    Seit 2000 ist haeusliches Pruegeln in Germany verboten - das Gesetz kam gute 26+ Jahre zu spaet fuer mich.
    Geschlagen wurde in meinem Elternhaus eigentlich so gut wie nie. Zwar neigte meine Mutter etwas zum Jähzorn, und gelegentlich "rutschte ihr mal die Hand aus", aber das hielt sich alles in einem sehr vertretbaren Rahmen. Mein Vater war dagegen beruflich so eingespannt, daß ich ihn quasi fast nur am Wochenende zu sehen bekam. Geschlagen hat er mich während meiner Kindheit nur ein bis zwei Mal, und an einen der beiden Anlässe kann ich mich noch gut erinnern.
    Wir saßen am Sonntagstisch, und als Kind hatte ich eine unüberwindliche Abneigung gegen fettes Fleisch. Versehentlich aß ich dann doch einmal einen "Fettrand" mit , schmeckte dies auch sogleich und bekam einen Würgereiz. Daraufhin riß meinem alten Herrn der Geduldsfaden, er zog mich über den Tisch und versohlte mir tüchtig den Allerwertesten. Dahinter steckten sicher auch persönliche Traumata, denn er hatte als damals Zwölfjähriger an der Oderfront im Januar 1945 die Grauen des Krieges noch selbst miterlebt und in den darauffolgenden Jahren mitbekommen, was Hunger bedeuten kann. Im Jahre 1951 ging er dann als damals 19- jähriger aus der SBZ über die "grüne Grenze" in den Westen, um dort ein besseres Leben zu finden. Zwei seiner drei Brüder sowie seine Eltern folgten ihm in den Jahren bis ca. 1960 nach.
    Ansonsten hatten meine beiden Elternteile sich wohl von Anfang an vorgenommen, ihre Kinder ohne Prügel zu erziehen, was sie auch weitgehend durchgehalten haben. Wobei gesagt werden muß, daß sie mit ihrem Sohn ein durchaus "pflegeleichtes" Kind bekamen, das ihnen meist keine allzu großen Sorgen bereitete :thumbsup: .

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    Dienstag, 30. August 2022, 16:45

    Das Ende der Prügelei

    Es ist natürlich enorm schwer, ein derartiges Elternverhalten aus der Ferne und mit diesem zeitlichen Abstand erklären zu wollen, Chrissie. Aber bei derartigen Extremfällen könnte auch ein Hang zum Sadismus dahinterstecken, vielleicht von väterlicher Seite. Aber daß beide Eltern sich daran beteiligen, kenne ich sonst eigentlich nur aus Unterschichtsfamilien. Meist will die Frau ihren ehelichen oder auch nichtehelichen "Kerl" nicht verlieren und duldet daher dessen Ausfälligkeiten.
    In diesem Zusammenhang konnte ich mich an das Finale der Prügelei in meinem Elternhaus erinnern. Es muß Anfang der 70er Jahre gewesen sein, als meine Mutter mal wieder (wie bereits erwähnt, kam es relativ selten vor) zuschlagen wollte. Mittlerweile war ich jedoch kräftig genug und hielt ihr einfach beide Arme fest, worauf sie mich entsetzt anstarrte, die Arme sinken ließ und mich fortan mit Maßnahmen dieser Art nicht mehr behelligte.
    Hinzufügen muß ich, daß meine Mutter aus eher einfachen Verhältnissen und einer Familie mit zwei Töchtern stammte, in denen es "prügeltechnisch" auch oft hoch hergegangen sein soll. Um 1954/55 hat meine Mutter als 20/21- jährige junge Frau dann die Reißleine gezogen, ist wahrscheinlich über Berlin in den Westen gekommen und hat im Sommer 1955 meinen Vater geheiratet. Die beiden kannten sich bereits aus den gemeinsamen Stendaler Nachkriegsjahren.

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    Mittwoch, 31. August 2022, 10:50

    RE: Das Ende der Prügelei

    Vielen Dank fuer Deine mitfuehlenden Worte.
    Vielleicht habe ich es nicht erwaehnt: mit 17 besuchte ich 1972 einen Selbstverteidigungskurs der Braunschweiger Polizei, und lernte dort immerhin einen guten Trick, wie man Ohrfeigen abwendet (der rechte Unterarm schnellt vor und unterbricht die schlagende Bewegung der Mutter), daraufhin liess mich meine Mutter in Frieden und wagte es nicht mehr laenger, mich zu ohrfeigen - mal ganz davon abgesehen, dass Ohrfeigen geplatzte Trommelfelle hervorrufen koennen, wie ich selbst im Winter 1974/1975 beim Ohrenarzt verspaetet herausfand, als ich schon nicht mehr im Elternhaus lebte.
    Aber der Selbstverteidigungskurs dauerte nur ein paar Monate an, und gegen meinen Vater kam ich nach wie vor nicht an.
    Du hast recht, geschlagen wurde sonst eigentlich nur in Unterschichtsfamilien (deswegen wurde wohl auch keine meiner Klassenkameradinnen auf dem Gymnasium geschlagen), meine Eltern kamen jedoch beide aus guten Verhaeltnissen, hatten sich beim Studium kennengelernt, mein Vater erhob nie gegen meine Mutter die Hand.
    Auf Sadismus bin ich noch nicht gekommen, aber das klingt plausibel.
    Natuerlich habe ich zig Psychotherapien gemacht zwischen 1977 und 2009, glaube aber mittlerweile, dass sie manchen Menschen helfen, aber anderen nicht. Ist wohl Glueckssache, an wen man da geraet.
    Was Du mit Deiner Mutter gemacht hast, das machte mein Mann mit einer schlagenden Nonne in seiner katholischen high school. Daraufhin wurden seine Eltern zum principal zitiert, die ihrem Sohn recht gaben, und die Nonne schlug ihn nie wieder. Auch solche Eltern gab es in den 60er Jahren.
    Es ist natürlich enorm schwer, ein derartiges Elternverhalten aus der Ferne und mit diesem zeitlichen Abstand erklären zu wollen, Chrissie. Aber bei derartigen Extremfällen könnte auch ein Hang zum Sadismus dahinterstecken, vielleicht von väterlicher Seite. Aber daß beide Eltern sich daran beteiligen, kenne ich sonst eigentlich nur aus Unterschichtsfamilien. Meist will die Frau ihren ehelichen oder auch nichtehelichen "Kerl" nicht verlieren und duldet daher dessen Ausfälligkeiten.
    In diesem Zusammenhang konnte ich mich an das Finale der Prügelei in meinem Elternhaus erinnern. Es muß Anfang der 70er Jahre gewesen sein, als meine Mutter mal wieder (wie bereits erwähnt, kam es relativ selten vor) zuschlagen wollte. Mittlerweile war ich jedoch kräftig genug und hielt ihr einfach beide Arme fest, worauf sie mich entsetzt anstarrte, die Arme sinken ließ und mich fortan mit Maßnahmen dieser Art nicht mehr behelligte.
    Hinzufügen muß ich, daß meine Mutter aus eher einfachen Verhältnissen und einer Familie mit zwei Töchtern stammte, in denen es "prügeltechnisch" auch oft hoch hergegangen sein soll. Um 1954/55 hat meine Mutter als 20/21- jährige junge Frau dann die Reißleine gezogen, ist wahrscheinlich über Berlin in den Westen gekommen und hat im Sommer 1955 meinen Vater geheiratet. Die beiden kannten sich bereits aus den gemeinsamen Stendaler Nachkriegsjahren.

    12

    Mittwoch, 31. August 2022, 16:08

    Der pädagogische Ansatz unserer Grundschullehrerin

    Um nicht mißverstanden zu werden, Chrissie: das Prügeln von Kindern war in den 60er Jahren noch gang und gäbe, auch weitere damit verbundene Strafmaßnahmen. So gab es Kiddies, die über Nacht in den Keller gesperrt wurden (einer der "Empfänger" dieser pädagogischen Maßnahme ist ein guter Freund von mir), bis hin zu allen möglichen Utensilien zur "Züchtigung". Bei uns war´s der noch relativ harmlose Teppichausklopfer, bei anderen bereits der schwere Ledergürtel mit Metallschnalle. Erst seit den 70ern änderte sich das allmählich, als eine neue Elterngeneration die Bühne betrat.
    Zum eigentlichen Thema fiel mir noch der pädagogische Ansatz unserer verehrten Lehrerin Eva- Maria Klophaus ein. Dieser bestand darin, den Schülern "Leistungsanreize" dergestalt zu bieten, daß die Leistungssträger vorne sitzen durften, während die schwächeren sich mit den hinteren Plätzen begnügen mußten. Dadurch sollte letzteren ein Anreiz geboten werden, sich "nach vorne zu arbeiten". Nach meiner Erinnerung hat das aber kaum funktioniert, sondern die "Sitzordnung" blieb während der vier Grundschuljahre im großen und ganzen konstant. Entscheidender war wohl eher die soziale Herkunft. Zwar kam ich nicht aus einem Akademikerhaushalt, aber es wurde seitens meiner Mutter penibel darauf geachtet, daß die Hausaufgaben sofort nach dem Mittagessen erledigt wurden. Andere Kiddies stromerten nach der Schule lieber in Feld und Wald herum (was ich auch gern getan hätte) und verschoben die Erledigung ihrer Hausaufgaben auf den Abend oder gelegentlich sogar auf den St. Nimmerleinstag. Enstsprechend sahen dann auch ihre Benotungen und die entsprechende "Sitzordnung" in der Klasse aus.

    13

    Mittwoch, 31. August 2022, 16:47

    RE: Der pädagogische Ansatz unserer Grundschullehrerin

    In meiner Klasse sassen alle lieber hinten. Ich sass ganz vorn, weil ich kurzsichtig war (und zu eitel, um eine Brille zu tragen, was an den grottenhaesslichen Brillengestellen der 60er Jahre lag, die leider seit einigen Jahren wieder weltweit in Mode gekommen sind) und so noch das, was an der Tafel stand, erkennen konnte.
    Auch fiel mir im Laufe der Jahre auf, dass die Lehrer kaum jemanden von der ersten Reihe dran nahmen, sondern immer die aus den mittleren/hinteren Reihen. Und das kam mir sehr entgegen. :D
    Um nicht mißverstanden zu werden, Chrissie: das Prügeln von Kindern war in den 60er Jahren noch gang und gäbe, auch weitere damit verbundene Strafmaßnahmen. So gab es Kiddies, die über Nacht in den Keller gesperrt wurden (einer der "Empfänger" dieser pädagogischen Maßnahme ist ein guter Freund von mir), bis hin zu allen möglichen Utensilien zur "Züchtigung". Bei uns war´s der noch relativ harmlose Teppichausklopfer, bei anderen bereits der schwere Ledergürtel mit Metallschnalle. Erst seit den 70ern änderte sich das allmählich, als eine neue Elterngeneration die Bühne betrat.
    Zum eigentlichen Thema fiel mir noch der pädagogische Ansatz unserer verehrten Lehrerin Eva- Maria Klophaus ein. Dieser bestand darin, den Schülern "Leistungsanreize" dergestalt zu bieten, daß die Leistungssträger vorne sitzen durften, während die schwächeren sich mit den hinteren Plätzen begnügen mußten. Dadurch sollte letzteren ein Anreiz geboten werden, sich "nach vorne zu arbeiten". Nach meiner Erinnerung hat das aber kaum funktioniert, sondern die "Sitzordnung" blieb während der vier Grundschuljahre im großen und ganzen konstant. Entscheidender war wohl eher die soziale Herkunft. Zwar kam ich nicht aus einem Akademikerhaushalt, aber es wurde seitens meiner Mutter penibel darauf geachtet, daß die Hausaufgaben sofort nach dem Mittagessen erledigt wurden. Andere Kiddies stromerten nach der Schule lieber in Feld und Wald herum (was ich auch gern getan hätte) und verschoben die Erledigung ihrer Hausaufgaben auf den Abend oder gelegentlich sogar auf den St. Nimmerleinstag. Enstsprechend sahen dann auch ihre Benotungen und die entsprechende "Sitzordnung" in der Klasse aus.

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    Mittwoch, 31. August 2022, 21:56

    In der Klasse ganz weit hinten

    Das mit den hinteren Sitzplätzen kam bei mir erst in der 5./6. Klasse Realschule, als wir in Hans Stein einen recht strengen älteren Klassenlehrer hatten, vor dem wir uns bei seinem Erscheinen erheben mußten und der mit seinem Baststock bei berechtigten Anlässen auch noch "Hoonig", das waren jeweils zehn Hiebe auf´s Hinterteil, verteilte. Bei 42 Jungs Klassenstärke in der 5 b blieb ich immer schön auf den hinteren Rängen in Deckung und konnte auf diese Art derartigen Bestrafungen entgehen.
    Aus der Grundschule kannten wir keine derartigen Züchtigungen, und auch in der Realschule waren diese "Aktionen" auf einige wenige ältere Steißtrommler beschränkt. Erst Anfang der 70er Jahre wurde die körperliche Züchtigung von Schülern durch das Kultusministerium in Düsseldorf offiziell untersagt.

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    Donnerstag, 1. September 2022, 10:33

    RE: In der Klasse ganz weit hinten

    Auf dem Maedchengymnasium gab es keine Zuechtigungen mehr, aber auf der Volksschule (Streitberg Schule in Braunschweig) hat eine aeltere Klassenlehrerin noch auf die Handruecken Schlaege mit einem Lineal verteilt, wenn man keine Hausaufgaben gemacht hatte. Das war um 1965/1966, kurz vor meiner Einschulung auf dem Gymnasium. Die Eltern nahmen das damals klaglos hin.
    In den spaeten 70er Jahren muss dann ploetzlich ein Wandel durch die deutsche Gesellschaft gegangens ein, denn nun wagten es mehr und mehr Eltern, sich ueber die Lehrer zu beschweren und standen auf einmal auf der Seite ihrer Kinder. Wie sich die Zeiten doch aendern! Ein Segen!
    Das mit den hinteren Sitzplätzen kam bei mir erst in der 5./6. Klasse Realschule, als wir in Hans Stein einen recht strengen älteren Klassenlehrer hatten, vor dem wir uns bei seinem Erscheinen erheben mußten und der mit seinem Baststock bei berechtigten Anlässen auch noch "Hoonig", das waren jeweils zehn Hiebe auf´s Hinterteil, verteilte. Bei 42 Jungs Klassenstärke in der 5 b blieb ich immer schön auf den hinteren Rängen in Deckung und konnte auf diese Art derartigen Bestrafungen entgehen.
    Aus der Grundschule kannten wir keine derartigen Züchtigungen, und auch in der Realschule waren diese "Aktionen" auf einige wenige ältere Steißtrommler beschränkt. Erst Anfang der 70er Jahre wurde die körperliche Züchtigung von Schülern durch das Kultusministerium in Düsseldorf offiziell untersagt.

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    Donnerstag, 1. September 2022, 10:34

    RE: In der Klasse ganz weit hinten

    Schade, dass man damals die elterliche Zuechtigung nicht auch gleich unter Strafe gestellt hat. Das dauerte bis 2000.
    Erst Anfang der 70er Jahre wurde die körperliche Züchtigung von Schülern durch das Kultusministerium in Düsseldorf offiziell untersagt.

    17

    Donnerstag, 1. September 2022, 21:22

    Lehrermangel

    Das Stichwort vom akuten oder latenten Lehrermangel begleitete mich durch meine komplette Schulzeit zwischen 1963 und 1976. Das Seltsame daran war, daß in diesem Zeitrahmen zwar kurzfristig Kurzschuljahre eingeführt wurden oder bestimmte Fächer zeitweise nicht unterrichtet werden konnten, daß aber nach meiner Erinnerung "an der Unterrichtsfront" nie auch nur eine Stunde ausfiel. Lediglich in einem einzigen Fall ist es während meiner Mittelschulzeit vorgekommen, daß unser Englisch- und Französischlehrer Julius Boden den Unterricht um vielleicht eine Viertelstunde verkürzen mußte, da er noch zu einer Beerdigungsfeier eingeladen war.
    Bei meinen Töchtern sah es in den Jahren 2005 bis 2022 dagegen völlig anders aus. Fortbildungsmaßnahmen, Klassenfahrten, Krankschreibungen, Schwangerschaften, Mutter- und Vaterschaftsurlaub und vieles mehr führten zu zahlreichen Unterrichtsausfällen. In einem Fall ist es sogar vorgekommen, daß ein Studienrat, der laut Eigenbekundung "bereits über fünzig Länder bereist hatte", schlicht vergessen hatte, seinen Unterrichtsverpflichtungen nachzukommen. Ein abendfüllendes Thema wäre darüber hinaus die vorzeitige Pensionierung von Lehrern aufgrund "psychischer Erkrankungen".
    Zurück aber in die 60er/ 70er Jahre. Wie bereits geschildert, besuchte ich zwischen 1963 und 1966 die Grundschule Zur Verlach in Hilden, damals Kreis Düsseldorf- Mettmann. Die Klassen eins bis drei waren reguläre Schuljahrgänge, deren Ganzjahreszeugnisse mit dem Vermerk "Versetzt" jeweils um Ostern ausgestellt wurden. Klasse vier dagegen war ein sogenanntes "Kurzschuljahr", das wegen des kriegsbedingten Lehrermangels nur aus einem halben Schuljahr bestand und in dem ich bereits am 30. November 1966 für "Versetzt" erklärt wurde.
    Was folgte, war ein halbes "Übergangsjahr" an der evangelischen Volksschule Richrather Straße, einem alten wilheminischen Kasten mit einer eigenartigen Geruchsmischung aus Stockmief und Reinigungsmitteln. Klassenlehrer war unser Herr Trapper, ein Junggeselle, wie ich erst Jahrzehnte später erfahren sollte. In Erinnerung verblieb mir, daß während dieses ersten Halbjahres 1967 (in dem ich mir regelmäßig die neueste Ausgabe der Micky Maus zulegte :thumbsup: ) der Unterricht gelegentlich ausfiel und wir stattdessen in einen kleinen Flachbau außerhalb des eigentlichen Schulgebäudes geführt wurden, in dem uns Super 8- Schmalfilme (Märchenfilme aus den 50er Jahren) vorgeführt wurden, was uns natürlich mehr behagte als der eigentliche Unterricht. Eines Tages passierte etwas Merkwürdiges. Ein Handelsvertreter betrat gemeinsam mit unserem Direktor Janek die Klasse und verteilte Gratisexemplare der Jugendzeitschrift "Rasselbande". Dieser lagen Abobestellformulare bei, die wir bei Gefallen unseren Eltern vorlegen sollten. Erst Jahrzehnte später erfuhr ich, daß die "Rasselbande" 1967 längst ihr Erscheinen eingestellt hatte. Ein Betrugsversuch ? Ich weiß es nicht.
    An dieser Schule habe ich zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben Schülerlotsen im Einsatz erlebt. Ich meine mich ebenfalls für diese Tätigkeit beworben zu haben, wurde aber abgelehnt, da man wußte, das ich an dieser Einrichtung nur einer der vorübergehenden Gäste war.
    Nach den Sommerferien 1967 besuchte ich dann bis 1973 die weiterführende "Wilhelm Fabry Realschule für Jungen", an der ganze Fächer wie Physik oder Chemie für nach meiner Erinnerung zwei Jahre nicht unterrichtet werden konnten, da die entsprechenden Fachlehrer fehlten. Ansonsten war die "Fabry" zu dieser Zeit eine ausgesprochene Kaderschmiede mit relativ hohen Leistungsanforderungen, denen nicht jeder meiner Freunde aus der Grundschulzeit gewachsen war. Einige von ihnen sind dann auch nach der fünften oder sechsten Klasse wieder "gegangen worden". Daß Lehrer einmal fehlten oder die entsprechenden Unterrichtsstunden ausfielen, gab es an dieser Schule so gut wie nicht. Verglichen mit der heutigen Situation, sei dazu erklärend gesagt, daß Lehrer in den 60ern auch noch einen anderen gesellschaftlichen Stellenwert hatten als heute. Man war "Respektsperson", kam mit Anzug und Krawatte zur Arbeit und züchtigte die Schüler in Einzelfällen auch noch bei entsprechenden Unbotmäßigkeiten. Die heute oft hochgelobte "Elternarbeit" fand damals nur in zarten Ansätzen statt und erschöpfte sich in zweimal jährlich stattfindenden Elternabenden und bei Bedarf in Elternsprechstunden. Letztere fanden nach meiner Erinnerung meist dann statt, wenn die schulische Karriere des Zöglings auf der Kippe stand.
    1973 geriet ich schließlich durch die Oberstufenreform noch auf das Städtische Gymnasium in Wuppertal- Barmen, Siegesstraße. In schulischer Hinsicht gibt es über diese drei Jahre nicht viel zu berichten. Wir hatten bereits ein Kurssystem, das mit der Auflösung der alten Klassenverbände und einer gewissen Wahlfreiheit des Fächerkanons verbunden war. Unterrichtsausfall hatten wir nach meiner Erinnerung keinen, jedoch lagen zwischen den einzelnen Unterrichtsstunden nicht selten Leerstunden, die wir nur begrenzt mit anderen Tätigkeiten ausfüllen konnten. Gemeinschaftsräume gb es in dem altehrwürdigen und architektonisch durchaus reizvollen wilhelminischem Gebäude nicht, und so begaben wir uns entweder in das nahegelegene Bahnhofsrestaurant oder in die Barmer Fußgängerzone. Die dritte Möglichkeit bestand darin, den Unterricht in "Eigeninitiative" ausfallen zu lassen und einfach mit dem Bus nach Hause zu fahren, was ich bei ungünstiger Stundenlage auch gelegentlich getan habe. Anwesenheitskontrollen gab es seitens der uns unterrichtenden Studienräte keine, jedoch gab es zu einzelnen Lehrern ein durchaus nettes Verhältnis (Frau Dr. Hanni Schulze blieb mir in besonderer Erinnerung, zumal sie auch einmal den kompletten Deutsch- Leistungskurs zu sich nach Ronsdorf einlud), sodaß es in diesen Fällen weniger ratsam erschien, hier den Unterricht zu schwänzen.
    Im Sommer 1976 hatte ich schließlich mein Abiturzeugnis in der Tasche und war froh, die schulische Tretmühle endlich überstanden zu haben. Nicht ahnend, was in den Folgejahren noch alles auf mich zukommen würde. :whistling:

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    Sonntag, 4. September 2022, 10:22

    RE: Lehrermangel

    Kriegsbedingter Lehrermangel ist in den 60er Jahren schon verwunderlich, denn da lag der Krieg fast 20 Jahre zurueck und seitdem konnten schliesslich genug Frauen das Lehrerstudium ergreifen.
    An meinem Maedchengymnasium in Braunschweig unterrichteten fast nur aeltere Frauen (Deutsch, Englisch, Geschichte, Erdkunde, Sport, zeitweise Franzoesisch).
    Die Englischlehrerin war eine alte Nazisse, die ich verabscheute, und die mich nicht mochte und bei jeder Gelegenheit schickanierte. Obwohl ich in allen Englisch Klassenarbeiten und Nacherzaehlungen immer eine 1 schrieb (ich war die Beste in Englisch), erdreistete sich Frau Dr. Wicke tatsaechlich, mir im Zeugnis jedesmal eine 2 zu geben, weil ich mich weigerte, mich vor die Klasse zu stellen und etwas auswendig Gelerntes aufzusagen.
    Frau Dr. Wicke veranstaltete Jahr fuer Jahr einen Austausch mit England, und wenn sie nicht dafuer verantwortlich gewesen waere, dann haette ich sicher daran teilgenommen. Aber mir war es einfach zuwider, mehr als notwenig mit dieser Nazisse zu tun zu haben und so verzichtete ich auf den Schueleraustausch.

    Leider klappte es spaeter nicht mit dem Austauschjahr in den USA (einige Maedchen aus meiner Klasse hatten das Glueck, ein Jahr in den USA verbringen zu duerfen), und das habe ich ein Leben lang bedauert.

    Da bei uns leider kaum je eine Stunde ausfiel, liess ich regelmaessig den Nachmittagssport zweimal pro Woche ausfallen, um stattdessen ins Kino gehen zu koennen, was mir langfristig gesehen mehr gab als der ewige Sport (wir hatten auch vormittags zweimal Sport, was mir vollkommen reichte).
    Dank der Kinobesuche wurde aus mir ein movie buff, und das wiederum half mir 1990, als ich mich bei der Verlagsgruppe Milchstrasse in Hamburg bei CINEMA bewarb.
    Zurueckblickend muss ich sagen, dass ich froh bin, der Schule entronnen zu sein. Ich kann es wirklich nicht als die beste Zeit meines Lebens bezeichnen. Die beste Zeit meines Lebens erlebe ich seit 8. Mai 2008, aber das ist eine andere Geschichte...
    Klasse vier dagegen war ein sogenanntes "Kurzschuljahr", das wegen des kriegsbedingten Lehrermangels nur aus einem halben Schuljahr bestand und in dem ich bereits am 30. November 1966 für "Versetzt" erklärt wurde.
    Was folgte, war ein halbes "Übergangsjahr" an der evangelischen Volksschule Richrather Straße, einem alten wilheminischen Kasten mit einer eigenartigen Geruchsmischung aus Stockmief und Reinigungsmitteln. Klassenlehrer war unser Herr Trapper, ein Junggeselle, wie ich erst Jahrzehnte später erfahren sollte. In Erinnerung verblieb mir, daß während dieses ersten Halbjahres 1967 (in dem ich mir regelmäßig die neueste Ausgabe der Micky Maus zulegte :thumbsup: ) der Unterricht gelegentlich ausfiel und wir stattdessen in einen kleinen Flachbau außerhalb des eigentlichen Schulgebäudes geführt wurden, in dem uns Super 8- Schmalfilme (Märchenfilme aus den 50er Jahren) vorgeführt wurden, was uns natürlich mehr behagte als der eigentliche Unterricht. Eines Tages passierte etwas Merkwürdiges. Ein Handelsvertreter betrat gemeinsam mit unserem Direktor Janek die Klasse und verteilte Gratisexemplare der Jugendzeitschrift "Rasselbande". Dieser lagen Abobestellformulare bei, die wir bei Gefallen unseren Eltern vorlegen sollten. Erst Jahrzehnte später erfuhr ich, daß die "Rasselbande" 1967 längst ihr Erscheinen eingestellt hatte. Ein Betrugsversuch ? Ich weiß es nicht.
    An dieser Schule habe ich zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben Schülerlotsen im Einsatz erlebt. Ich meine mich ebenfalls für diese Tätigkeit beworben zu haben, wurde aber abgelehnt, da man wußte, das ich an dieser Einrichtung nur einer der vorübergehenden Gäste war.
    Nach den Sommerferien 1967 besuchte ich dann bis 1973 die weiterführende "Wilhelm Fabry Realschule für Jungen", an der ganze Fächer wie Physik oder Chemie für nach meiner Erinnerung zwei Jahre nicht unterrichtet werden konnten, da die entsprechenden Fachlehrer fehlten. Ansonsten war die "Fabry" zu dieser Zeit eine ausgesprochene Kaderschmiede mit relativ hohen Leistungsanforderungen, denen nicht jeder meiner Freunde aus der Grundschulzeit gewachsen war. Einige von ihnen sind dann auch nach der fünften oder sechsten Klasse wieder "gegangen worden". Daß Lehrer einmal fehlten oder die entsprechenden Unterrichtsstunden ausfielen, gab es an dieser Schule so gut wie nicht. Verglichen mit der heutigen Situation, sei dazu erklärend gesagt, daß Lehrer in den 60ern auch noch einen anderen gesellschaftlichen Stellenwert hatten als heute. Man war "Respektsperson", kam mit Anzug und Krawatte zur Arbeit und züchtigte die Schüler in Einzelfällen auch noch bei entsprechenden Unbotmäßigkeiten. Die heute oft hochgelobte "Elternarbeit" fand damals nur in zarten Ansätzen statt und erschöpfte sich in zweimal jährlich stattfindenden Elternabenden und bei Bedarf in Elternsprechstunden. Letztere fanden nach meiner Erinnerung meist dann statt, wenn die schulische Karriere des Zöglings auf der Kippe stand.
    1973 geriet ich schließlich durch die Oberstufenreform noch auf das Städtische Gymnasium in Wuppertal- Barmen, Siegesstraße. In schulischer Hinsicht gibt es über diese drei Jahre nicht viel zu berichten. Wir hatten bereits ein Kurssystem, das mit der Auflösung der alten Klassenverbände und einer gewissen Wahlfreiheit des Fächerkanons verbunden war. Unterrichtsausfall hatten wir nach meiner Erinnerung keinen, jedoch lagen zwischen den einzelnen Unterrichtsstunden nicht selten Leerstunden, die wir nur begrenzt mit anderen Tätigkeiten ausfüllen konnten. Gemeinschaftsräume gb es in dem altehrwürdigen und architektonisch durchaus reizvollen wilhelminischem Gebäude nicht, und so begaben wir uns entweder in das nahegelegene Bahnhofsrestaurant oder in die Barmer Fußgängerzone. Die dritte Möglichkeit bestand darin, den Unterricht in "Eigeninitiative" ausfallen zu lassen und einfach mit dem Bus nach Hause zu fahren, was ich bei ungünstiger Stundenlage auch gelegentlich getan habe. Anwesenheitskontrollen gab es seitens der uns unterrichtenden Studienräte keine, jedoch gab es zu einzelnen Lehrern ein durchaus nettes Verhältnis (Frau Dr. Hanni Schulze blieb mir in besonderer Erinnerung, zumal sie auch einmal den kompletten Deutsch- Leistungskurs zu sich nach Ronsdorf einlud), sodaß es in diesen Fällen weniger ratsam erschien, hier den Unterricht zu schwänzen.
    Im Sommer 1976 hatte ich schließlich mein Abiturzeugnis in der Tasche und war froh, die schulische Tretmühle endlich überstanden zu haben. Nicht ahnend, was in den Folgejahren noch alles auf mich zukommen würde. :whistling:

    19

    Sonntag, 4. September 2022, 16:35

    Geschlechtertrennung

    In den 60er Jahren tickten die Uhren noch ein wenig anders, Chrissie. Wohl gab es an unserer Grundschule unterrichtende Damen, die fehlten allerdings bis ca. 1970 völlig an unserer "Realschule für Jungen". Erst Anfang der 70er kam mit Heidi Danckwerths die erste Frau an diese Einrichtung. Sie hatte es anfangs alles andere als leicht, denn wir Jungs waren auf stramme Autoritäten sozialisiert und übertönten Heidis Unterrichtsversuche mit einem vielstimmigen Gebrüll, während die ruhigeren unter uns einfach "Schiffe versenkten". Erst als nach einem Spaßanruf einige Jungs aus unserer Klasse Heidi bei dem Neuanstrich ihrer Wohnung halfen und befanden, daß die Dame "eigentlich ganz in Ordnung" wäre, legte sich das.
    Auch an unserm Gymmi waren weibliche Studienräte eher in der Minderheit. Zwar änderte sich das auch hier in den 70ern, jedoch nahmen wir trotz geschlechtlich gemischter Klassen die jungen Damen anfangs nicht für voll. Ich erinnere mich an eine Frau Dudda, die Kunst unterrichtete und damit ihre "Probleme" hatte. Diese bekam sie in den Griff, als sich bei uns herausstellte, daß sie sehr streng zensierte, was allerdings auch zur Folge hatte, daß eine Reihe von Oberstufenschülern, so auch ich, Kunst einfach abwählte. Wir waren in NRW meines Wissens der erste Jahrgang, der in der gymnasialen Oberstufe nicht mehr in Klassenverbänden, sondern in Kurskombinationen lernte. Was zur Folge hatte, daß nicht nur unliebsame Fächer, sondern auch unbeliebte Lehrer abgewählt werden konnten. In den Folgejahren wurde dieses System teilweise wieder eingeschränkt, da man an den Unis erkannt hatte, das durch das Kurssystem zahlreiche Grundlagenkenntnisse z.B. in Mathe, Physik, Chemie etc. bei den Studenten einfach nicht mehr vorhanden waren. Wir haben z.B. im ersten und zweiten Semester 1980/81 an der Hochschule noch Kurse in Mathematik und Statistik sowie in Physik und Chemie belegen müssen, um für einen Teil der Studenten überhaupt erst einmal die fachlichen Grundlagen schaffen zu können. Geschmeckt hat uns Jungstudenten das nicht, es war aber in den beiden ersten beiden Semestern neben VWL, Zoologie und Botanik obligatorisch.

    20

    Sonntag, 4. September 2022, 18:04

    RE: Geschlechtertrennung

    Das Abwaehlen kam zu spaet fuer mich. 1974 konnte man leider noch keine Faecher abwaehlen, sonst haette ich Mathe, Physik und Chemie abgewaehlt und eine gute Chance auf ein Abitur gehabt.
    In den 60er Jahren tickten die Uhren noch ein wenig anders, Chrissie. Wohl gab es an unserer Grundschule unterrichtende Damen, die fehlten allerdings bis ca. 1970 völlig an unserer "Realschule für Jungen". Erst Anfang der 70er kam mit Heidi Danckwerths die erste Frau an diese Einrichtung. Sie hatte es anfangs alles andere als leicht, denn wir Jungs waren auf stramme Autoritäten sozialisiert und übertönten Heidis Unterrichtsversuche mit einem vielstimmigen Gebrüll, während die ruhigeren unter uns einfach "Schiffe versenkten". Erst als nach einem Spaßanruf einige Jungs aus unserer Klasse Heidi bei dem Neuanstrich ihrer Wohnung halfen und befanden, daß die Dame "eigentlich ganz in Ordnung" wäre, legte sich das.
    Auch an unserm Gymmi waren weibliche Studienräte eher in der Minderheit. Zwar änderte sich das auch hier in den 70ern, jedoch nahmen wir trotz geschlechtlich gemischter Klassen die jungen Damen anfangs nicht für voll. Ich erinnere mich an eine Frau Dudda, die Kunst unterrichtete und damit ihre "Probleme" hatte. Diese bekam sie in den Griff, als sich bei uns herausstellte, daß sie sehr streng zensierte, was allerdings auch zur Folge hatte, daß eine Reihe von Oberstufenschülern, so auch ich, Kunst einfach abwählte. Wir waren in NRW meines Wissens der erste Jahrgang, der in der gymnasialen Oberstufe nicht mehr in Klassenverbänden, sondern in Kurskombinationen lernte. Was zur Folge hatte, daß nicht nur unliebsame Fächer, sondern auch unbeliebte Lehrer abgewählt werden konnten. In den Folgejahren wurde dieses System teilweise wieder eingeschränkt, da man an den Unis erkannt hatte, das durch das Kurssystem zahlreiche Grundlagenkenntnisse z.B. in Mathe, Physik, Chemie etc. bei den Studenten einfach nicht mehr vorhanden waren. Wir haben z.B. im ersten und zweiten Semester 1980/81 an der Hochschule noch Kurse in Mathematik und Statistik sowie in Physik und Chemie belegen müssen, um für einen Teil der Studenten überhaupt erst einmal die fachlichen Grundlagen schaffen zu können. Geschmeckt hat uns Jungstudenten das nicht, es war aber in den beiden ersten beiden Semestern neben VWL, Zoologie und Botanik obligatorisch.