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    Freitag, 21. Januar 2022, 14:44

    Hansrudi Wäschers Sigurd - Der Laban- Zyklus

    Die sehr weitausholenden Geschichten mit und um den Erzschurken Laban werden in der Wäscher- Fanszene nicht selten als das "Meisterstück" des Zeichners betitelt. Tatsächlich ist der mehr als eintausendfünfhundert (!) Comic- Seiten umfassende Zyklus, der technisch zu den umfangreichsten Comic- Erzählungen der 60er Jahre gehören dürfte, schlüssig und fast durchgehend spannend konstruiert, temporeich, stimmig in den Settings und den agierenden Protagonisten sowie von überzeugender zeichnerischer Dichte. Dies überrascht umso mehr, als Wäscher in diesem Zeitrahmen jede Woche auch noch ein Tibor- Streifenheft für die Piccolo- Großbände zeichnete sowie seine neue Serie "Nizar" und eine ganze Reihe von Einzelbänden produzierte.
    Die Geschichte um Laban beginnt pünktlich zum Jahreswechsel 1963/64 in Großband 143, oder, so man will, sogar bereits in Heft 134, da der "Herr der Finsternis" alias Baldowin von Eichenkamp Sigurd entfliehen kann und in den Folgeheften ein "Comeback" als Anführer einer Piratenbande erlebt. Ausgangspunkt ist die sich später als vorgetäuscht herausstellende Entführung Fräulein Margarethes, der Nichte des Fürsten Friedrich, durch die "Piraten des Schwarzen Schiffes". Sigurd und seine Freunde bieten dem Fürsten umgehend ihre Hilfe an und geraten über zahlreiche Abenteuer auf die geheimnisvolle "Nebelinsel", auf der Laban residiert, ein äußerst gefürchteter Raubritter, über den der Kaiser vor Jahren den Bann aussprach. Allerdings entkam er den Fängen des Blutvogts und gilt seitdem als verschollen. Der mittlerweile zum Piratenchef mutierte Baldowin von Eichenkamp charakterisiert Laban dergestalt: "Laban ist grausam und liebt die Jagd...auf Menschen ! Ihm will ich Sigurd und Bodo verkaufen. He,he,he !"
    Bei der ersten Begegnung von Sigurd und Bodo mit Laban wirkt dieser allerdings eher wie ein von Cäsarenwahn befallener Herrscher der römischen Antike. Seine Lebensphilosophie erläutert er Sigurd wie folgt: "Wenn wir nicht gerade einen Raubzug unternehmen, dann langweilen wir uns auf dieser Insel. Besonders ich langweile mich, weil ich ein leidenschaftlicher Jäger bin...Denn auf dieser Insel gibt es kein Wild...Mit euch und eurem Freund Bodo erhoffe ich mir eine ganz besonders aufregende Jagd !" Daraus wird allerdings nichts, denn Sigurd und Bodo können der auf sie angesetzten Menschenjagd entkommen und sorgen sogar dafür, daß Labans Zwingburg in Flammen aufgeht. Ihre Annahme, daß darin auch Laban umgekommen ist, täuscht; vielmehr hat Sigurd in Laban nun einen Erzfeind gewonnen, der ihm auch in Zukunft noch erheblich zusetzen wird.
    Zunächst machen sich die beiden Freunde jedoch auf der Suche nach Cassim, der fälschlicherweise davon ausgegangen war, daß Sigurd und Bodo der Tod ereilt hat. Bald erhalten sie Kunde davon, daß Cassim überfallen wurde und sich in der Gewalt der Bande des "Großen Wolfes" befindet. Tatsächlich handelt es sich um die mit Wolfsköpfen versehene Guerillatruppe eines Grafensohnes, der auf diese Art und Weise seinen Bruder bekämpfen und vernichten will. Schließlich gelingt es Sigurd, Cassim und den anderen jungen Burschen die Augen zu öffnen und sie von ihrem Irrweg abzubringen. Wäschers "Werwolf- Story" der Sigurd- Großbände 161 bis 170 bietet bis heute Anlaß zu zahlreichenden Interpretationen, wobei die Parallele zur späten NS- Zeit wohl die wahrscheinlichste Variante sein dürfte.
    Mittlerweile hat Lehning aus Kostengründen den Umfang der Sigurd- Großbände von vierundzwanzig auf zwanzig Seiten reduziert, und Wäscher reagiert darauf mit dem Verzicht auf die doppelseitige Zeichnung in der Heftmitte, eine "Neuerung", die von späteren Sammlergenerationen sehr bedauert wird. Gleichzeitig erhält Sigurd seltsame gezeichnete Drohungen, die die Zerstörung seiner Burg sowie seinen baldigen Tod ankündigen. In Windeseile kehrt unser Held nach Burg Eckbertstein zurück, und tatsächlich wurde sein Rittersitz zwischenzeitlich überfallen, ausgeraubt und steht in Flammen. Obwohl eigentlich nicht mehr unter den Lebenden weilend, kommt den Freunden doch kein Geringerer als Erzschurke Laban als Verursacher in den Sinn. Schon bald darauf steht Sigurd in dem Heft "Auge in Auge mit dem Todfeind" dem wiederauferstandenen Laban tatsächlich gegenüber. Nun nicht mehr in der Pose eines römischen Imperators, sondern als Wiederauferstehung Thors mit dessen entsprechendem Attribut: dem Hammer. Laban will Sigurd auf eine Insel verfrachten, um ihn dort grausam umzubringen, doch trotz seiner aussichtslosen Lage gelingt Sigurd eine dramatische Flucht. Diesmal ist es Laban, der seinen Feind Sigurd für tot hält. Dieser geht bald zum Gegenangriff über und sticht in Großband 178 mit drei Schiffen voller Bewaffneter in See, um Laban endgültig das Handwerk zu legen. Seine Übermacht nutzt Sigurd aufgrund taktischer Fehler jedoch nichts, zumal er in Laban einem gleichwertigen Gegner gegenübersteht, der sich durchaus fintenreich und wacker zu schlagen weiß. Sigurd befindet sich wieder einmal in einer aussichtslosen Situation, als wie aus heiterem Himmel ein Schiff anlegt, dem zahlreiche "römische Legionäre" entsteigen, die vordergründig eigentlich nichts im Mittelalter, in dem unsere Geschichte spielt, zu suchen haben. Diese nehmen Sigurd und Cassim als Gefangene an Bord, und Sigurd bleibt zunächst alleine auf der Insel zurück. An einen Delphin geklammert gelangt er in südliche Gefilde zu einem Grafen Monteferro, dessen Neffe Carlo sich als Sklavenhändler entpuppt.
    Schließlich gelangt Sigurd in die letzten territorialen Reste des einstmals mächtigen römischen Reiches, findet dort Bodo, Cassim und auch seinen Erzfeind Laban wieder und besiegt diesen in einem Gladiatorenkampf in der Arena stilgerecht in dem Jubiläumsheft 200. Auch der letzte römische Diktator Drudius muß sein Leben lassen, womit der Laban- Zyklus im März 1966 seinen (vorläufig) krönenden Abschluß findet.