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    Dienstag, 28. Dezember 2021, 13:39

    Rudi Carrell - Die andere Seite

    Ich muß zugeben, daß ich mit der Persönlichkeit des sehr agilen Showmasters und Entertainers aus den Niederlanden bereits seit meiner Kindheit in den 60er Jahren nie allzuviel anfangen konnte. Dies mag auch daran gelegen haben, daß ich in diesem Zeitrahmen gelegentlich mit meinen Eltern in das nicht allzu weit entfernte Venlo gefahren bin, um dort im "kleinen Grenzverkehr" günstig Butter, Kaffee, Kakao und einige andere Produkte zu erstehen, die damals in Deutschland noch deutlich teurer waren als im westlichen Nachbarland. Dort trafen wir rund zwanzig Jahre nach Kriegsende auf teils noch erhebliche Vorbehalte der Holländer bis in Einzelfällen auf offen gezeigte Feindschaft gegenüber uns Deutschen. Ich als Kind im Grundschulalter werde das nicht direkt mitbekommen haben, jedoch haben mir meine Eltern später einmal darüber berichtet.
    Wie auch immer: das Urteil meines Vaters über "Onkel Rudi", wie der Entertainer in den 60ern bisweilen auch genannt wurde, war entsprechend distanziert: "Der dient doch nur als Vorzeigeholländer, um den deutschen Zuschauern zu beweisen, daß wir im Ausland wieder gemocht werden". So jedenfalls sinngemäß die Aussage meines alten Herrn vor rund fünfundfünzig Jahren.
    In den 70er/80er Jahren, als sich mein persönliches Urteilsvermögen allmählich "schärfte", fand ich Rudi Carrell als Showmaster und Moderator recht ordentlich, als Entertainer bis hin zu seinem wohl bewußt beibehaltenem schnoddrigen niederländischen Akzent dagegen eher durchschnittlich.
    Wie auch immer: der 1934 in Alkmaar geborene Rudi Carrell gehört jenseits aller Kritik zweifelsohne zu den großen Show- Legenden der bundesdeutschen Fernsehgeschichte und zu dem erfolgreichsten "Exportprodukt" aus unserem Nachbarland Holland. Im Jahre 1965 flimmerte die "Rudi Carrell Show" zum ersten Mal über unsere Bildschirme. Ein schlaksiger, hochaufgeschossener junger Mann, der entfernt an Silvio Francesco erinnerte, sprühte durch das ARD- Studio und bemühte sich redlich um eine korrekte deutsche Aussprache. Aber er nahm dies alles mit Humor und konnte darüber hinaus auch tanzen und singen. Und, das war zu dieser Zeit neu im deutschen Fernsehen, er spielte mit seinen prominenten Gästen wie Peter Alexander oder Tony Marshall witzige Sketche ein. "Onkel Rudi" wurde durch diese Darbietungen über Nacht zum Liebling vieler Fernsehzuschauer.
    Daß der "leibhaftig gewordene Käskopp" hinter den Kulissen auch andere Seiten verbarg, wußte zu dieser Zeit kaum jemand. Vor allem Carrells Verhältnis zu den Frauen sorgte immer wieder für Insidergetuschel. Im Jahre 1957 heiratete er Truus de Vries, ein Jahr später erblickte Tochter Annemieke das Licht der Welt, 1962 Tochter Caroline. Doch schon bald kriselte es in der Ehe, da Carrell einem Flirt nie abgeneigt war. Das Paar trennte sich 1967, sechs Jahre später folgte die Scheidung, so daß der mittlerweile enorm erfolgreiche Showmaster frei für seine Geliebte, die attraktive Bremerin Anke Bobbert, war. Im Folgejahr heirateten die beiden, 1977 kam aus dieser Beziehung Sohn Alexander zur Welt.
    Aber auch Anke Bobbert konnte er nicht treu bleiben. Erst bei ihrem Tod im Jahre 2000 gestand Carrell, daß er bereits seit 1985 mit der Drehbuchautorin Susanne Hoffmann zusammenlebte. Für ihn war dies eine weitere Station zwischen seinen Erfolgsshows "Am laufenden Band", "Rudis Tagesshow" sowie "Die verflixte Sieben".
    Anfang 2001 wurde ein weiteres "Herzblatt", die über dreißig Jahre jüngere Simone Felischak, seine letzte Ehefrau.
    Millionen von Fernsehzuschauern vergnügten sich bei seinen Shows, doch nur wenige kannten die andere Seite der Showlegende Rud Carrell. Viele seiner ihm unterstellten Kollegen litten unter dem Perfektionswahn und den diktatorischen Allüren des Moderators, der laut Eigenbekundung keine Freunde hatte. So beklagte sich Kollegin Beatrice Richter: "Ich bekomme noch immer Todesangst, wenn ich an ihn denke. Er war der kälteste Mensch, dem ich je begegnet bin". Vor jeder zu produzierenden Sendung übergab sie sich. Auch Marijke Amado erinnerte sich lebhaft an den "miesen Umgangston hinter den Kulissen", als sie zeitweilige Assistentin in Carrells Show "Am laufenden Band" war.
    Jochen Busse ("7 Tage, 7 Köpfe") erinnert sich: "Rudi war der Mann mit dem mit Abstand schlechtesten Benehmen, den ich kannte. Es herrschte ein Klima der Angst".
    Nicht immer wohlgefällig aufgenommen wurde auch die harsche Kritik, die Carrell bisweilen an vielen seiner Branchenkollegen übte.
    Im November 2005 teilte der beim Publikum immer noch beliebte Showgigant mit, daß er an Lungenkrebs litt. Im Februar 2006 betrat er, bereits sichtlich von seiner Krankheit gezeichnet, ein letztes Mal bei der Verleihung der Goldenen Kamera für sein Lebenswerk die große Bühne. Mit heiserer Stimme und einer gehörigen Portion Galgenhumor bedankte er sich noch einmal bei seinem Publikum: "Die Tatsache, daß ich heute hier sein kann, verdanke ich in erster Linie meiner Krankenversicherung, dem Klinikum Bremen- Ost und der deutschen Pharmaindustrie".
    Am 7. Juli 2006 starb der Entertainer Rudi Carrell im Alter von 71 Jahren. "Ein paar tolle Gags, die wir für "7 Tage, 7 Köpfe" nicht gebrauchen können, hebe ich auf", witzelte er noch kurz vor seinem Tod. "Und wenn ich in den Himmel kommen sollte, werde ich damit etwas nebenbei verdienen !"

    www.youtube.com/watch?v=99br-ViAocM

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    Dienstag, 28. Dezember 2021, 16:08

    Rudi Carrell

    Ich fand ihn auf jeden Fall wesentlich sympathischer als Lou van Burg oder Peter Frankenfeld.

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    Dienstag, 28. Dezember 2021, 18:25

    Alphatier Carrell

    Rudi Carrell war Medienvollprofi und wohl auch ein ziemlicher Hallodri. Als Alphatierchen der damaligen Unterhaltungsbranche konnte und wollte er sich derartige Eskapaden aber auch leisten. Zudem war er Kind seiner Zeit (70er/80er Jahre), in denen Seitensprünge als "ungeheuer progressiv" galten. Das Aufkommen von AIDS hat dem ganzen Treiben ab etwa Mitte der 80er Jahre einen gewissen Riegel vorgeschoben. "Man" wurde vorsichtiger.
    Ein Bekannter erzählte mit vor Jahren, Carrell nebst Gefährtin einmal in den 80ern in einem sündhaft teuren Hamburger "Etablissement" angetroffen zu haben, in dem u.a. Kopulationen auf offener Bühne stattfanden. Im Vorhinein mußten die Besucher eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen, da wohl auch einige Prominente dieser Jahre dort einkehrten :P .

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    Mittwoch, 29. Dezember 2021, 12:44

    Rudi Carrell - Leben und Werk

    Vorgeworfen wurde mir von berufener Seite, daß ich in meine bisherigen Beiträge über den bekannten Entertainer "too much negativity" hineingeworfen hätte. Dies mag sein. Auffallend ist, daß es kaum posthume filmische Dokumentationen über Carrell gibt. Selbst die von mir oben verlinkte ARD- Doku aus der Reihe "Legenden" strotzt dagegen nur so von Kritik.
    Zeit also, den wichtigsten Showmaster und Entertainer der "zweiten Fernsehgeneration" etwas wertneutraler zu würdigen.
    Am 19. Dezember 1934 wurde Carrell im niederländischen Alkmaar unter seinem bürgerlichen Namen Rudolf Wijbrand Kesselaar geboren. Bereits sein Vater und sein Großvater waren im Showgeschäft tätig, so daß sich im Jahre 1951 der damals 17-jährige ebenfalls zu einer Karriere in dieser Branche entschloß. Kurzerhand brach er seine Schulausbildung am örtlichen Gymnasium ab, nachdem er seinen Vater recht erfolgreich bei einem Gastspiel vertreten konnte.
    Carrell´s eigentliche Karriere begann mit Auftritten als Bauchredner und Zauberkünstler, bis im Jahre 1959 seine zunächst nur in den Niederlanden ausgestrahlte Fernsehsendung "Die Rudi Carrell- Show" den eigentlichen Durchbruch brachte. Die von ihm selbst produzierte, geschriebene und präsentierte Sendung gewann 1964 den Fernsehpreis "Silberne Rose von Montreux", durch dessen Verleihung das deutsche Fernsehen auf den agilen Entertainer aufmerksam wurde.
    Im Auftrag von Radio Bremen enstand so ab 1965 die deutsche Version seiner erfolgreichen Show, einer Mischung aus Tanz, Sketch und Parodie. Der ganz große Durchbruch gelang Carrell 1974 mit dem Familien- Quiz "Am laufenden Band" , mit dem er bis 1979 mit Einschaltquoten von bis zu 64 Prozent die deutsche Fernsehunterhaltung dominierte. Darüber hinaus arbeitete Carrell zu dieser Zeit als Schauspieler und wirkte in harmlosen Unterhaltungsfilmen wie "Tante Trude aus Buxtehude" oder "Wenn die tollen Tanten kommen" mit.
    Einen deutschen Megahit landete der Unterhaltungsprofi im Jahre 1976 mit dem Lied "Wann wird´s mal wieder richtig Sommer".
    Nach einer vorübergehenden, kreativen Schaffenspause feierte Rudi Carrell ab 1981 einen weiteren Erfolg: "Rudis Tagesshow", eine Parodie auf die tägliche Nachrichtensendung der ARD, die bei vielen Fernsehzuschauern großen Anklang fand. Als charmanter "Kuppler" trat er darüber hinaus zwischen 1981 und 1987 in der Single- Show "Herzblatt" in Erscheinung.
    Nach einer Neuauflage der Rudi Carrell- Show im März 1988 sowie "Rudis Tiershow" kehrte Carrell im Dezember 1992 dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen den Rücken. Für RTL produzierte und moderierte er ab 1996 die Sendung "7 Tage, 7 Köpfe".
    Für seine Arbeiten erheilt der agile Niederländer zahlreiche Auszeichnungen, darunter im Jahre 2001 die Ehrenrose von Montreux für sein Lebenswerk. Im gleichen Jahr ernannte die niederländische Königin Beatrix den Entertainer zum "Ritter im Löwen- Orden". Seine letzte Auszeichnung, die "Goldene Kamera" für sein Lebenswerk, bekam Rudi Carrell im Februar 2006. "Es war eine Ehre, in diesem Land und vor diesem Publikum Fernsehen machen zu dürfen", sagte er in seiner Dankesrede. Es war sein letzter öffentlicher Auftritt.
    Am 7. Juli 2006 starb Rudi Carrell, der seit dem Frühjahr 2005 an Lungenkrebs litt, im Alter von 71 Jahren im Klinikum Bremen- Ost. Mit seinem Tod ging ein wichtiges Kapitel deutscher Fernsehunterhaltung zu Ende. Kollegen, Politiker und Medien würdigten Carrell als großen Entertainer und prägende Persönlichkeit der Fernsehunterhaltung.
    "Sein trockener Witz, seine Präzision in der Lockerheit, sein kultiviertes Deutsch- Holländisch, seine auf Abruf bereite Präsenz, all das bleibt unnachahmlich und unvergeßlich" sagte der damalige ARD- Programmdirektor Günter Struve. Und Frank Elstner beschrieb, was seinen niederländischen Kollegen so unverwechselbar gemacht hatte: "Der Rudi war einfach frecher als andere, kreativer. Er hat sich Dinge getraut, die sich andere nicht getraut haben".
    Rudi Carrell, der zuletzt zurückgezogen auf einem Gut im niedersächsischen Syke bei Bremen wohnte, wurde auf dem Friedhof von Heiligenfelde bestattet.
    Nachstehend der Link zu den "Erstlingen" der "Rudi Carrell- Show" von 1965/66. Erfreulich ist aus fernsehhistorischer Sicht, daß diese Aufzeichnungen heute überhaupt noch existieren ! Respekt auch an PIDAX, die diese kleinen Fernsehjuwelen aus den 60ern per DVD vermarktet, wohlwissend, daß ein guter Teil der damaligen Fernsehzuschauer bereits nicht mehr unter uns weilt und somit als Kunden entfällt.

    www.youtube.com/watch?v=AzedOcGmfuc
    www.youtube.com/watch?v=6KgKjicI4BE
    www.youtube.com/watch?v=70V29jvb3xM
    www.youtube.com/watch?v=qEc8HW--eJQ