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    Montag, 27. Dezember 2021, 15:16

    Verlag der mund- und fußmalenden Künstler: reine Wohltätigkeit oder knallhartes Geschäftsmodell ?

    Bereits in den 60er Jahren bekamen wir immer in der Vorweihnachtszeit eine Sendung mit mehr oder weniger geschmackvoll gestalteten Postkarten und Paketanhängern der mund- und fußmalenden Künstler, von denen meine Mutter nach meiner Erinnerung damals regen Gebrauch machte. Ob sie auch spendete, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis, ich gehe aber davon aus. In den letzten Jahrzehnten erhielt ich dann mit Ausnahme dieses Jahres keine Post mehr von dieser Einrichtung, von der ich immer ausging, daß sie gemeinnützigen Zwecken dient. Aber tut sie dies wirklich ? Zweifel sind angebracht.
    Aber beginnen wir von vorn. Alle Jahre wieder erhalten viele Haushalte Postsendungen mit einigen darin enthaltenen Weihnachtskarten, einigen Geschenkanhängern sowie einem Taschenkalender. Gefordert werden dafür vertretbare zehn bis zwölf Euro, und wer die unangeforderten Artikel nicht bezahlt, darf trotzdem alles behalten. Angeboten werden auch höherwertige Produkte wie große Kalender, Puzzles sowie Bücher, die separat bestellt werden können. Auch ein erklärendes Beiblatt liegt den Sendungen bei:
    "Verehrter Kunstfreund, wir sind Künstler, die mit dem Mund oder Fuß malen, weil uns der Gebrauch der Hände infolge Krankheit, Unfall oder von Geburt an genommen ist. Dank einer eigenen Selbsthilfeorganisation ist es uns möglich, mit dem Malen unseren Lebensunterhalt selbst zu verdienen...".
    Auszugehen ist davon, daß Sendungen dieser Art millionenfach in der Vorweihnachtszeit verschickt werden. Absender ist die "MFK Mund- und Fußmalende Künstler Verlag GmbH" in Stuttgart, die auch anrührende Fotos mit Malern, die ihre Pinsel zwischen Zähnen oder Zehen halten, vertreibt. Darüber steht "Selbsthilfe und Wohltätigkeit". Was auf den unvoreingenommenen Betrachter zunächst absolut selbstlos und sozial wirkt, ist leider in der traurigen Realität ein ebenso riesiges wie undurchschaubares Geschäftsmodell, dessen Fäden im Steuervermeidungsland Fürstentum Liechtenstein zusammenlaufen. Bei den Geschäften mit den mund- und fußgemalten Bildern spielen ein Mann sowie sein Umfeld eine zentrale Rolle, den man in Deutschland aus Steuerskandalen und der CDU- Parteispendenaffäre gut kennt. Es handelt sich um den Treuhänder Herbert Batliner. Aus Schaan/ Liechtenstein heraus betreibt die Vereinigung der mund- und fußmalenden Künstler (VDMFK) ein globales Malerei- Geschäft, das in 46 Ländern aktiv ist und über ein Geflecht aus fragwürdigen Beteiligungsgeschäften verfügt. Wie z.B. jene VDMFK International Corporation mit Sitz in Panama, deren Unverzichtbarkeit für rein soziale Aktivitäten sich nicht unbedingt erschließen will.
    Burkhard Wilke ist Leiter des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). Sein Urteil lautet: " Wer glaubt, er unterstützt mit seinem Geld eine anerkannt karitative Organisation, der ist auf dem Holzweg, dafür ist die VDMFK definitiv die falsche Adresse. Alles klingt uneigennützig, mildtätig und fürsorglich, dabei stehen knallharte wirtschaftliche Interessen dahinter. Auffallend oft fallen Begriffe wie `Selbsthilfeorganisation`, `fürsorglich`oder `unabhängig`, die keiner näheren Untersuchung standhalten. Bei Menschen ohne juristisches Wissen kann das einen völlig falschen Eindruck erwecken. Das ist alles andere als seriös".
    Selbst die VDMFK erklärt, daß sie "seit ihrer Gründung 1956 ein Wirtschaftsunternehmen sei. Sie sammle keine Spenden, das Geschäftsmodell sei dagegen der Verkauf von Produkten, die auf den Gemälden der Mund- und Fußmaler basieren".
    Herbert Batliner arbeitete jahrzehntelang eng mit dem eigentlichen Initiator Erich Stegmann zusammen, einem bayerischen Mundmaler, der bis zu seinem Tod 1984 als VDMFK- Präsident amtierte.Bereits im Jahre 1965 schrieb dazu süffisant das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", daß "Stegmann die Neigung zahlreicher Bundesbürger, mit diesen Weihnachtskarten ein gutes Werk zu verbinden, zu einem stattlichen Vermögen verholfen hat. Er besitzt eine Villa und nebst anderen Wagen einen Mercedes 600 in Pullmannausführung".
    Auch der Hamburger Rechtsanwalt Otto Dobbeck äußert sich kritisch: "Bereits vor zwanzig Jahren hat sich die VDMFK in einer Grauzone bewegt. Die Mitleidswerbung war täuschend, denn es ging ausschließlich ums Geschäft und darauf wurde das Etikett ´behindert´draufgeklebt. Das eigentliche Problem war jedoch, daß die eingenommenen Gelder verschlungene Wege nahmen, die kein Mensch nachvollziehen konnte. Das ist bis heute so".
    DZI- Chef Wilke dazu: " Die VDMFK hat nicht ansatzweise die Finanztransparenz gegenüber der Öffentlichkeit, die bei seriösen, mildtätigen Organisationen inzwischen Standard geworden ist". Die VDMFK selbst erklärt dazu lediglich, daß sie aus Vollmitgliedern bestünde, die monatlich 6500 Schweizer Franken Salär (Stand 2018 ) erhielten. Aktuell firmieren laut Angaben der Organisation 74 der insgesamt 790 VDMFK- Mitglieder als Voll- und 57 weitere als sogenannte assoziierte Mitglieder, neben denen es Stipendiaten gibt.
    Kritiker hegen schon lange den Verdacht, daß von den Einnahmen, die bereits vor zwanzig Jahren jährlich auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt wurden, nur ein sehr überschaubarer Anteil bei den eigentlichen Fuß- und Mundmalern landet. So undurchsichtig für Außenstehende das Finanzgebaren der VDMFK auch ist, so deutet vieles doch darauf hin, daß erhebliche Geldsummen in dunklen Kanälen versickern . So soll Treuhänder Batliner in seiner Eigenschaft als Rechtskonsulent bereits vor 25 Jahren 275.000 Schweizer Franken Jahreshonorar abgerechnet haben, während Tochter Angelika Moosleithner- Batliner bereits im Jahre 1990 für die Vermietung der Geschäftsräume in Liechtenstein eine Jahresmiete von 240.00 Franken kassierte.
    Mittlerweile hat sich Herbert Batliner altersbedingt aus vielen seiner VDMFK- Positionen verabschiedet. Dies ist auch kein Wunder, denn er wurde am 26. Dezember 2018 respektable 90 Jahre alt. Bestimmt schickte ihm der VDMFK zu diesem Anlaß eine passende Karte...

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    Dienstag, 28. Dezember 2021, 16:13

    Meine Mutter versendet Karten von diesem Verein seit mindestens 1975 Jahr fuer Jahr zu Geburtstagen und zu Weihnachten. Sie ist sicher nicht die Einzige...