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    Donnerstag, 18. November 2021, 13:37

    Jörg oder: Hansrudi Wäscher im Krieg

    Anfang September 1954 startete Verleger Walter Lehning mit seiner Kolibri- Reihe den Versuch, mit einem größeren Comic- Format (9x 13,5 cm) zum gleichen Preis wie die Piccolos (20 Pfennig) den Kreis der jungen Leserschaft zu erweitern. Ein betriebswirtschaftlich gewagtes Projekt, denn obwohl die Hefte, abgesehen vom Umschlag, in s/w gedruckt wurden, hatten sie einen Umfang von stattlichen 36 Seiten.
    Der Start erfolgte mit vier Serien gleichzeitig: "Falkenauge- der letzte der Apachen", "Jörg", "Der schwarze Reiter" sowie "Jan Maat- der lustige Seemann". "Falkenauge" und "Der schwarze Reiter" hatte Lehning aus Italien übernommen, während "Jan Maat" von Bob Heinz und "Jörg" von Hansrudi Wäscher neu angelegt und gestaltet wurden.
    "Jörg" war nach "Sigurd" Wäschers zweite selbstgestaltete Serie, die er nach den Drehbüchern seines Cousins Gerhard Adler zeichnete. Die Vorgabe des Verlegers war, etwas "Historisches" zu liefern, vermutlich stellte sich Lehning ein Mantel- und Degen Thema nach dem Vorbild der drei Musketiere vor. Wäschers Entscheidung war recht ungewöhnlich, da er neun Jahre nach Kriegsende als Rahmenhandlung die historische Kulisse des Dreißigjährigen Krieges wählte.
    Und entsprechend beginnt die Geschichte: " Kaum ist ein Land in den vergangenen Jahrhunderten so ausgeraubt und verwüstet worden wie Deutschland während des Dreißigjährigen Krieges. Da sich der eigentliche Feldzug im Laufe der Jahre in kleinere, auf das ganze Reich verstreute mililitärische Unternehmungen zersplitterte und die Söldner nur ungenügend oder gar nicht entlohnt wurden, machten sich abgesprengte Truppenteile oder desertierte Soldatenhorden selbständig. Raubend und plündernd zogen sie durch das Land. Mit beispielloser Grausamkeit gingen sowohl kaiserliche als auch schwedische Söldnertrupps gegen die Bevölkerung vor. Wehe dem Bauerngehöft, das von dieser schrecklichen Plage heimgesucht wurde."
    Im Mittelpunkt des Geschehens steht die Familie des Bauern Bertold, die im Frühjahr 1633 von schwedischen Marodeuren heimgesucht wird. Man beschließt die eilige Flucht, nur Altbauer Bertold will sich nicht vertreiben lassen und bleibt auf seinem Anwesen. Das Unheil nimmt seinen Lauf, als Bertolds Sohn Jörg noch einmal nach dem Rechten schauen will und leibhaftig die Folterung und Erschießung seines Vaters mitansehen muß. Auch Jörg soll über die Klinge springen, ihm gelingt jedoch die Flucht. Jörg freundet sich mit der jungen Marketenderin Lena an und fährt mit ihr nach einer Begegnung der Marodeure mit den Kaiserlichen einem ungewissen Schicksal entgegen.
    Es verschlägt die beiden in die von den Schweden besetzte Stadt Luckau, die kurz darauf von den Kaiserlichen angegriffen und belagert wird. Die Vorräte werden knapp, und zu allem Überfluß bricht auch noch die Pest aus. Jörg gelingt es, den Pulverturm zu sprengen, so daß die Kaiserlichen die Stadt kurz darauf einnehmen können. Zum Dank wird er zum Kurier ernannt, der "General Waldstein" die Nachricht vom Sieg der Kaiserlichen überbringen soll. Kurz darauf gelingt es ihm, einen Verrat zu verhindern, der zu einer Niederlage der kaiserlichen Truppe geführt hätte.
    Im Dezember 1633 wird Jörg im Pilsener Winterquartier Zeuge, wie ein durchtriebener Sterndeuter (den es tatsächlich gegeben hat, Wallenstein war astrologiegläubig) General Waldstein nahelegt, sich gegen den Kaiser zu wenden.Einige Zeit darauf gerät Jörg, der mittlerweile kaiserlicher Leutnant geworden ist, in einen Überfall entwurzelter Bauern, dem er nur knapp entkommt. Kurz darauf nimmt er an der Befreiung Frankenfelds von den Schweden teil, wird zum kaiserlichen Hauptmann befördert und soll einen Geheimplan nach Wien zum Kaiser bringen.
    Hier endet die Geschichte abrupt mit dem Hinweis in Heft 20, daß Hauptmann Jörg "seine Aufgabe zu einem glücklichen Ende führen würde". Die vier letzten Seiten des Heftes kündigen den für die Folgewoche vorgesehenen Start der neuen Kolibri- Serie "Gert Randolf" (woraus schließlich nur "Gert" wird) an.
    Der Hintergrund für das schnelle Ende der von Wäscher sehr gut angelegten Reihe "Jörg" waren laufende Querelen des Verlags mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährende Schriften wegen "zu großer Grausamkeit" einzelner Passagen resp. Hefte. Insbesondere die Ausgaben 9 und 10 wurden beanstandet, und obwohl unter dem Strich lediglich ein Heft indiziert wurde, nahm Lehning vorsichtshalber die Serie vom Markt und ersetzte sie kurzerhand durch "Gert", eine Reihe, so die Anweisung an Wäscher, die "harmloser ausfallen sollte".
    Aus heutiger Sicht war die Entscheidung zur Einstellung von "Jörg" nicht zweifelsfrei nachvollziehbar. Waren die ersten Hefte, was allerdings auch der Thematik geschuldet war, etwas "grenzwertig", so glätteten sich Ton und Handlung im Verlauf der weiteren Hefte doch zunehmend, so daß die Streichung der spannenden Reihe eigentlich überflüssig war. Lehning wollte damals jedoch kein Risiko eingehen.
    Die zwischen September 1954 und Januar 1955 erschienenen 20 Ausgaben von Jörg sind nicht häufig am Markt zu finden und kosteten im Jahre 2007 bei Hethke in Zustand 2 stattliche 1565,- Katalogeuro, wobei die Schlußnummer mit Abstand am seltensten zu sein scheint. Wer es günstiger mag, sei an die Hethke Reprints von 1979 und 1995 verwiesen, die deutlich günstiger zu haben sind. Zwischen Juli 1989 und März 1990 erschien darüber hinaus bei Hethke ein Nachdruck der Serie mit neuen Bildern und in Farbe. Davon wiederum existiert eine nicht für den Handel vorgesehene Hardcover- Gesamtausgabe in Höhe von 150 Exemplaren, die an Mitglieder der INCOS abgegeben wurde.