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    Samstag, 6. November 2021, 13:09

    Das Finale - Hansrudi Wäscher und Walter Lehning in den Jahren 1968 bis 1971

    Zwischen 1953 und 1968 war es dem Verleger Walter Lehning gelungen, mehr als viertausendsechshundert (!) Comics auf dem Markt zu plazieren und damit zumindest in den späten 50er und frühen 60er Jahren die Marktführerschaft in Deutschland zu erlangen. Gleichzeitig galt sein Hauszeichner Hansrudi Wäscher als derjenige, der dem Verlag mit den von ihm geschaffenen Helden und zahlreichen Titelbildern für andere Produktionen erst ein Gesicht verlieh und für eine kontinuierliche Produktivität sowie für den Verkaufserfolg sorgte. All die Jahre hindurch war Wäscher mit seiner Kreativität, seinem ausgesprochenen Fleiß und seiner Zuverlässigkeit die eigentliche Lebensader des Walter Lehning- Verlags.
    Betrachtet man dagegen die übrigen, nicht aus der Feder Wäschers stammenden Comic- Produktionen Lehnings, so läßt sich kaum ein schlüssiges verlegerisches Grundkonzept darin erkennen, sondern eher das Prinzip "Trial and Error". Lief das eine nicht, versuchte man das andere, knickte einer der Helden verkaufstechnisch ein, so schickte man eben den nächsten ins Feld, ohne dabei auch nur den Ansatz einer Marktforschung geschweige denn einer Marktbeobachtung erkennen zu lassen, ein für die 60er Jahre bereits äußerst unübliches unternehmerisches Verhalten.
    Einzig Hansrudi Wäscher garantierte in den Jahren 1953 bis 1968 einen weitgehend kontinuierlichen Erfolg und damit auch die Existenz von Walter Lehning als Unternehmer. Während Lehnings Comic- Einkäufe mit der Ausnahme von "Akim" sich meist nur kurze Zeit am Markt behaupten konnten, waren Wäschers Kreationen wie "Sigurd", ""Nick", "Tibor" und "Falk" äußerst erfolgreich und sind heute längst zu deutschen Golden Age Comic- Klassikern geworden.
    Im Frühjahr 1968 stand Hansrudi Wäscher mit der beginnenden Konkurseröffnung des Lehning- Verlags jedoch zunächst einmal vor dem Nichts. Als damals noch weitgehend anonymer Zeichner und Illustrator mußte er seinen Platz in einer Nische des Verlagsgewerbes neu finden, in der kaum Eigenproduktionen stattfanden, sondern überwiegend ausländische Lizenzen vermarktet wurden. Dennoch gestaltete sich Wäschers weiterer Werdegang in den 70er/80er Jahren trotz einiger Höhen und Tiefen wieder zur Erfolgsgeschichte. Zunächst bei Bastei, seit den 80ern dann bei Norbert Hethke.
    Die Geschichte von Walter Lehning dagegen entwickelte sich zunehmend zur Kriminalstory. Nach der Eröffnung des Konkursverfahrens gab der Verleger Anfang 1969 seine Villa am Berliner Wannsee auf und siedelte in die Schweiz über, wo er bereits seit den 50er Jahren Bankkonten unterhielt. Sohn Bernd Lehning dazu: "Ich nehme sicher an,daß mein Vater sich damals vor so mancher Steuerzahlung gedrückt hatte. Ich glaube, es ging um einen Betrag von sechshunderttausend Mark. Als mein Vater Berlin verließ, hatte er auf einem Schweizer Konto über eine Million zu seiner Verfügung".
    Seinen Hauszeichner dagegen hielt Lehning trotz der aussichtslosen Situation immer wieder mit leeren Versprechungen hin, so z.B. mit der Behauptung, daß die "etwas schwierige Lage ausschließlich die Berliner Druckerei betrifft und daß unser Verlagshaus in keinerlei ernsthaften Schwierigkeiten ist".
    Noch am 22. April 1968 versicherte Lehning Wäscher: "Wir werden uns bemühen, Ihre Serien weiter erscheinen zu lassen". Nach weiteren Hinhaltefloskeln schaltete Wäscher aufgrund der noch ausstehenden Honorare im Sommer 1968 schließlich einen Anwalt ein. Der Verleger reagierte darauf sichtlich empört und abweisend: "Alle Rechte stehen ausschließlich uns zu...Ich bin außerordentlich verwundert über ihr Verhalten (d.i. die Hinzuziehung eines Anwalts, der Autor) und werde möglicherweise die gebotenen Konsequenzen ziehen".
    Auch die Forderung Wäschers, die bereits angefertigten und bei Lehning abgelieferten aktuellen Comic- Originalseiten wieder zurückzugeben, lehnte der Verleger trotz ausstehender Honorarzahlungen rundweg ab. Wäschers Originalseiten verschwanden schließlich in der Konkursmasse des Verlags und tauchten nie wieder auf. Lehning dagegen änderte seine Verlagsfirmierung in Lehninghaus GmbH, um noch ausstehende Forderungen umgehen zu können; allein Hansrudi Wäscher schuldete er zum damaligen Zeitpunkt noch zwölftausend Mark.
    Schließlich veranlaßte das Gericht einen Haftbefehl gegen den einst erfolgreichen Comic- Marktführer. Doch zu diesem Zeitpunkt weilte Lehning bereits nicht mehr in Deutschland, blieb jedoch weiterhin "unternehmerisch" aktiv. Von der Schweiz aus beauftragte er seinen Sohn Bernd damit, die Überbleibsel seines einstigen Verlagsimperiums zu verwalten. Unter der neuen Firmierung "Lehning- Drachen" brachte Bernd Lehning im Mai 1971 mit einer Auflage von je 70.000 Exemplaren "Sigurd" und "Tibor" als Neuauflage auf satiniertem Papier in Farbe an die Kioske. "Mein Vater überwies uns alle vierzehn Tage sechzigtausend Mark für die Betriebsausgaben...Als er dann starb (am 14. Juli 1971 erlitt Walter Lehning einen Hirnschlag), kamen nach kurzer Zeit zahlreiche Wechsel wieder auf mich zu."
    Chefredakteurin Ursula Reuter erinnerte sich: " Als Walter Lehning im Juli 1971 starb, war einfach kein Geld mehr da, um die neuaufgelegten Reihen auszubauen. Nachdem Herr Lehning verstorben war, kam eines Tages der Konkursverwalter und nahm unsere Kasse mit, das ganze Geld. Wir durften dann auch nichts mehr ausliefern. Was sollte ich da im Büro ? Ich habe meine Sachen gepackt und hörte von heute auf morgen auf."
    Endgültig schloß der Walter Lehning- Verlag am 17. September 1971 seine Pforten. Am 2. April 1974 wurde die mittlerweile vermögenslose Firma amtlicherseits aus dem Handelsregister gelöscht.