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    Freitag, 5. November 2021, 10:48

    Segen für den Verbraucher oder fragwürdige Einrichtung - Zur Geschichte der Stiftung Warentest

    Die "Stiftung Warentest" hat sich in den 57 Jahren ihres Bestehens von einem typischen "Kind der 60er Jahre" zu einer "heimlichen Macht im Staate" gemausert. Ich selbst habe die Ausgaben der Zeitschrift "Test" je nach Bedarf vor allem in den 70er/ 80er Jahren eingesehen, seit den 90ern verlor sich das allmählich, zumal die von mir erworbenen Produkte nicht immer das einhielten, was deren Testergebnisse versprachen. Aber dazu an anderer Stelle (Zeitschrift "DM") mehr.
    Gegründet wurde die "Organisation zur Durchführung von Warentests" nach jahrelangen politischen Querelen und versuchter Einflußnahmen der Industrie als Stiftung bürgerlichen Rechts am 4. Dezember 1964. Erst 1966 wurde das erste Heft der Zeitschrift "Test" mit einer Startauflage von 200.000 Exemplaren auf den Markt gebracht. Der Verkauf verlief in den Gründungsjahren eher schleppend, so daß 1968 selbst die Belieferung an den Einzelhandel eingestellt werden mußte und die Zusendung des Magazins zwischenzeitlich nur noch an Abonnenten und Direktbesteller erfolgte. Im gleichen Jahr wurden die Test- Qualitätsbenotungen ("gut" bis "nicht zufriedenstellend") eingeführt und die Untersuchungsergebnisse anderen Zeitschriftenverlagen kostenlos zur Verfügung gestellt, was den Bekanntheitsgrad der Stiftung sprunghaft ansteigen ließ. Ab 1970 gelangten daher die aktuellen Ausgaben der Zeitschrift "Test" endgültig wieder in den Einzelverkauf und führten zum allmählichen Erfolg des Printformats.
    Mittlerweile hat die "Stiftung Warentest" seit ihrer Gründung im Jahre 1964 rund 100.000 Produkte unter die Lupe nehmen lassen. Sie testet mitnichten selbst, sondern beauftragt damit ca. hundert unabhängige Prüfinstitute. Welche das sind, soll zumindest offiziell geheim bleiben, damit die Hersteller keinen Einfluß auf Prüfverfahren und Testergebnisse nehmen können. Dennoch bleibt festzuhalten, daß diese Institute in erster Linie von Aufträgen der Industrie leben und damit mögliche Interessenkonflikte bereits im Ansatz vorprogrammiert sind. Denn ein Testergebnis mit der Benotung "Sehr gut" kann so manches Produkt zum Verkaufsschlager werden lassen, während negative Testergebnisse schnell zur Verbannung aus den Verkaufsregalen und im schlimmsten Fall zur Firmenpleite führen können. Das dies tatsächlich passiert ist, zeigt das Beispiel der Gesichtscreme von Uschi Glas aus dem Jahre 2004 , die zurecht mit "mangelhaft" bewertet wurde (BILD: "Uschi Glas. Die Creme, mit der sie ihr Gesicht verlor"). Die Verkaufszahlen stürzten daraufhin ab, und der Hersteller mußte kurz darauf Konkurs anmelden.
    Was aber auch beweist, daß der "Stiftung Warentest" immer noch weit über 80 Prozent der deutschen Verbraucher "großes bis sehr großes" Vertrauen schenken, wie aus aktuellen Umfragen hervorgeht. Ein Drittel der Konsumenten orientiert sich vor den Käufen von Konsumgütern am Urteil der Tester.
    Mittlerweile gibt es aber erste Risse im bisher makellosen Profil der Stiftung, ausgelöst vor allem durch den "Fall Ritter- Sport" von 2014. Seit die Warentester die Vollmilch- Nuß Schokolade des Unternehmens mit "mangelhaft" bewertet haben, nur weil sie künstliches und kein natürliches Vanillearoma enthält, reißt die Kritik an der Stiftung nicht mehr ab. Diskutiert wird mittlerweile, ob die Einrichtung mittlerweile nicht zu viel Marktmacht erlangt hat, auch werden viele ihrer Testkriterien zunehmend in Frage gestellt.
    Denn welche Eigenschaften eines Produkts getestet werden und welches Kriterium wie stark gewichtet wird, legt die Stiftung selbst fest. Genau dies stört aber viele kritische Beobachter. So bekam zwar die benannte Schokolade von Ritter- Sport die Gesamtnote "mangelhaft", schnitt aber in punkto Geschmack und Qualität mit "gut" ab. Daraufhin tat der Hersteller etwas, was nur wenige Firmen bisher wagten: er zog vor Gericht und bewirkte eine einstweilige Verfügung, wogegen die Stiftung umgehend Berufung einlegte.
    Nicht nur dieser Fall brachte Kritiker der Stiftung auf die Palme. Bei getesteten Adventskalendern wurde vor Mineralöl in der Schokolade (!) gewarnt, was selbst das Bundesinstitut für Risikobewertung als völlig überzogen einstufte. Bei Outdoor-Funktionsjacken, die Wolkenbrüchen standhalten sollten, ließ man 450 Liter Wasser auf den Quadratmeter Jacke prasseln, zehnmal soviel, wie bei einem gewöhnlichen Platzregen niedergehen. Da verwunderte es auch nicht, daß zehn von siebzehn Jacken die note vier oder fünf erhielten. Ein Kritiker der Stiftung: "Diese Normen haben nichts mehr mit normaler Wanderbekleidung zu tun. Da müßten sie schon auf einer Ölbohrinsel im Atlantik arbeiten."
    Vermutet wird bereits seit längerem, daß in Zeiten sinkender Absatzzahlen der Zeitschrift "Test" zunehmende Panikmache dazu dienen soll, die Verkaufsauflagen zu steigern. Dem steht gegenüber, daß seit November 1997 die "Stiftung Warentest" und ihre Zeitschriften auch im Internet unter www.test.de vertreten sind. Allerdings sieht sich die Stiftung in den vergangenen beiden Jahrzehnten einer zunehmenden Konkurrenz im Netz ausgesetzt, die teils seriöser, teils aber auch unseriöser Natur bis hin zur Erstellung von "Phantomtests" ist.

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    Freitag, 5. November 2021, 12:04

    Das war ein sehr interessanter Artikel! Vielen Dank.