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    Mittwoch, 13. Oktober 2021, 15:43

    Nie wieder Rohleder ! oder: Als die Supermärkte nach Deutschland kamen

    Aufgewachsen bin ich als Kind der 60er Jahre im äußeren Speckgürtel der rheinischen Großstadt Düsseldorf. Der Süden unserer Kleinstadt bestand damals überwiegend aus Neubauten der 50er Jahre, die oft von Vertriebenen aus dem deutschen Osten, vor allem aus Schlesien, bewohnt wurden. Selbst die evangelische Erlöserkirche, in der ich 1971 konfirmiert wurde, war ein Neubau und wurde erst rund ein Jahr nach meiner Geburt errichtet.
    Mit Einkaufsmöglichkeiten sah es in unserer Gegend bis ca. Mitte der 60er Jahre finster aus. Lebensmittelgeschäfte im eigentlichen Sinne gab es dort keine, sondern nur den rudimentären Ansatz eines "Tante Emma- Ladens", der in einem Wohnhaus von einer Frau Rohleder betrieben wurde. Diese galt als sehr unfreundlich, so daß ich nur äußerst ungern dort einholen ging.
    Mitte der 60er Jahre änderte sich diese Situation schlagartig, als in unserer Nachbarschaft fast zur gleichen Zeit ein REWE- und ein EDEKA- Markt ihre Tore öffneten. Das goldene Zeitalter der Supermärkte in Deutschland hatte endlich auch bei uns seinen Einzug gehalten !
    Tatsächlich war bis in die 60er Jahre das SB- Prinzip in Deutschland nahezu unbekannt, Supermärkte gab es kaum. Die Idee dazu kam aus den USA und verbreitete sich nach den ersten Anlaufschwierigkeiten auch in der Bundesrepublik in einem atemberaubenden Tempo.
    Der erste Supermarkt überhaupt wurde 1930 in einer ehemaligen Autowerkstatt in der Nähe von New York von der King Kullen- Kette eröffnet. Das neuartige an dieser Form von Märkten war das nahezu komplette Angebot an Lebensmitteln. Kunden konnten sich ihren Bedarf selbst aus den Regalen zusammenstellen und schließlich ihre Einkäufe an einer Kasse im Ausgangsbereich bezahlen. Auch Parkplätze direkt vor der Ladentür wurden bei dieser frühen Form von SB- Märkten bereits zur Verfügung gestellt.
    Bis in die frühen 60er Jahre galt diese Form des Einkaufs für den deutschen Konsumenten noch als undenkbar. Für jede Produktgruppe mußten gesonderte Geschäfte aufgesucht werden. Fleisch- und Wurstwaren gab es beim Metzger, Brot und Kuchen beim Bäcker sowie weitere Produkte des täglichen Bedarfs in den damals noch zahlreich vorhandenen "Tante Emma- Läden". Viele der gewünschten Produkte wurden noch von Hand abgewogen, verpackt und abgerechnet. Die Folge war, daß der tägliche Einkauf damals noch deutlich zeitraubender war als heute. Allerdings galten die kleinen Läden oft auch als soziale Treffpunkte, in denen Neuigkeiten aus der Nachbarschaft mit den Ladenbesitzern oder mit Bekannten ausgetauscht werden konnten.
    Bereits 1938 wurde in Osnabrück der erste Vorläufer eines Supermarktes mit SB- Charakter eröffnet. Zunächst reagierten Kunden und auch Berufskollegen eher skeptisch auf das neue Konzept, da man soziale Kontakte nicht missen wollte und mancher Händler auch befürchtete, daß das SB- Konzept von "Langfingern" zu wörtlich genommen werden könnte.
    In den frühen 50er Jahren gab es in Deutschland erst ganze 39 Läden mit annäherndem SB- Supermarktcharakter. 1957 wurde dann der erste große Supermarkt in Köln nach amerikanischem Vorbild mit 1700 Quadratmetern Verkaufsfläche eröffnet, dem rasch weitere folgten. Die bundesdeutschen Kunden nahmen das neue Verkaufskonzept rasch auf, doch ein Problem blieb zunächst: die relativ hohen Preise, entstanden durch die Preisbindung, die es den Herstellern erlaubte, feste Verkaufspreise für ihre Produkte festzulegen. Das änderte sich jedoch im Jahre 1962, als die Brüder Karl und Theo Albrecht ihren ersten Discountmarkt eröffneten. Statt einer riesigen Produktpalette hatten sie nur ca. 300 Artikel im Angebot, die sie zu Dauerniedrigpreisen verkauften. Um die Preisbindung der Hersteller zu umgehen, ließen sie Produkte unter eigenen Handelsmarken selbst herstellen und beeinflußten damit nachhaltig die Lebensmittelmärkte. Heute hat praktisch jeder Supermarkt auch Eigenmarken im Sortiment.
    Erst im Jahre 1974 fiel die Preisbindung in Deutschland endgültig, doch auch danach blieben die Discounter weiterhin sehr erfolgreich. Ihr Geschäftsmodell galt als deutsche Besonderheit und wurde weltweit nachgeahmt.
    Seit den frühen 70er Jahren gingen die ersten Supermärkte auf "die grüne Wiese". Die Verkaufsflächen und das Warenangebot wurden deutlich größer, und auch die Zahl der Parkplätze nahm zu. Der Handel reagierte damit auf die veränderten Lebensgewohnheiten der Bundesbürger, die durch das Auto mobiler geworden waren und in den riesigen SB- Märkten oft ganze Wocheneinkäufe tätigten.
    In den letzten Jahren zeichnet sich dagegen ein Umkehrtrend ab. Erneut hat sich der Lebensstil der nachgeborenen Generationen gewandelt, so daß viele SB- Märkte zurück in die Innenstädte kommen. Bei einer Vielzahl von Single- Haushalten werden oft spontane Kaufentscheidungen getroffen, und gerade in den Zentren der Großstädte besitzt eine zunehmende Zahl von Konsumenten gar kein Auto mehr.
    Vor der Tür steht jedoch eine umwälzende Revolution im Konsum von Lebensmitteln: der Einkauf im Internet. Bestellt wird online, geliefert wird bis an die Haustür. Auch diesmal setzte sich dieser Trend zunächst in den USA durch. Auch bei uns bieten inzwischen die ersten Ketten und Online- Händler diesen Service an.

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    Mittwoch, 13. Oktober 2021, 23:29

    RE: Nie wieder Rohleder ! oder: Als die Supermärkte nach Deutschland kamen

    Meine Freundin Katti zeigte mir bereits im Herbst 1965 den ersten ALDI Markt in Braunschweig, die Ware lag eher primitiv anmutend auf Holzregalen, die arg zusammengeschustert aussahen.
    Ab 1974/1975 kaufte ich dann oft bei ALDI ein, denn mit meiner winzigen Ausbildungsverguetung konnte ich mir normale Supermarktpreise nicht leisten.
    Edeka und Rewe waren sehr teuer, auch Wasmund.
    Besser fand ich im Vergleich dazu Realkauf bzw Allkauf.
    In Hamburg gab es in den 90er Jahren einen Super Wal*Mart (hier sehr populaer), aber der konnte sich merkwuerdigerweise nicht halten, und schloss nach ein paar Jahren wieder.

    Der Tante Emma Laden in der Georg-Westermann Allee in Braunschweig war nett, wurde von zwei aeltlichen Schwestern gefuehrt. Meine Mutter schickte mich fast jeden Tag nach der Schule hin (obwohl sie nicht berufstaetig war und leicht selbst haette einkaufen koennen).
    Dann zogen wir leider im Dezember 1966 an den Stadtrand von Braunschweig ins Eigenheim, und mein Vater entdeckte in der Naehe einen riesigen Supermarkt (ich glaube, er hiess Cash & Carry), von da an kauften meine Eltern dort einmal in der Woche ein. Allerdings schrieben sie sich keinen Einkaufszettel, und uns ging regelmaessig am Samstagnachmittag entweder das Toilettenpapier oder die Getraenke aus.
    Es ist zwar ganz schoen, vieles online zu bestellen, aber manchmal brauche ich lediglich eine Rolle schwarzen Zwirn zum Knoepfe annaehen, und dann muss man ein ganzes Farbsortiment an Zwirn bei amazon.com bestellen.
    Auch SPF bekommt man nur als Triple pack.

    Worcester hat seit Mai/Juni letzten Jahres wegen der Pandemie keine einzige Buchhandlung mehr, und so erfahre ich seitdem nicht, was es an Buchneuheiten gibt. ;( ;( ;(
    Hier faehrt jeder zu den Malls am Stadtrand, niemand kauft in der Innenstadt ein (allerdings haben alle Singles ein eigenes Auto, denn es gibt kaum oeffentliche Verkehrsmittel).

    Um Kosmetika zu kaufen, muss ich eine halbe Stunde bis nach Auburn oder zur Solomon Pond Mall fahren, Worcester hat (trotz 180.00 Einwohnern) keine eigene Mall mit Sephora oder Buchhandlung.

    Mit Einkaufsmöglichkeiten sah es in unserer Gegend bis ca. Mitte der 60er Jahre finster aus. Lebensmittelgeschäfte im eigentlichen Sinne gab es dort keine, sondern nur den rudimentären Ansatz eines "Tante Emma- Ladens", der in einem Wohnhaus von einer Frau Rohleder betrieben wurde. Diese galt als sehr unfreundlich, so daß ich nur äußerst ungern dort einholen ging.
    Mitte der 60er Jahre änderte sich diese Situation schlagartig, als in unserer Nachbarschaft fast zur gleichen Zeit ein REWE- und ein EDEKA- Markt ihre Tore öffneten. Das goldene Zeitalter der Supermärkte in Deutschland hatte endlich auch bei uns seinen Einzug gehalten !
    Tatsächlich war bis in die 60er Jahre das SB- Prinzip in Deutschland nahezu unbekannt, Supermärkte gab es kaum. Die Idee dazu kam aus den USA und verbreitete sich nach den ersten Anlaufschwierigkeiten auch in der Bundesrepublik in einem atemberaubenden Tempo.
    Der erste Supermarkt überhaupt wurde 1930 in einer ehemaligen Autowerkstatt in der Nähe von New York von der King Kullen- Kette eröffnet. Das neuartige an dieser Form von Märkten war das nahezu komplette Angebot an Lebensmitteln. Kunden konnten sich ihren Bedarf selbst aus den Regalen zusammenstellen und schließlich ihre Einkäufe an einer Kasse im Ausgangsbereich bezahlen. Auch Parkplätze direkt vor der Ladentür wurden bei dieser frühen Form von SB- Märkten bereits zur Verfügung gestellt.
    Bis in die frühen 60er Jahre galt diese Form des Einkaufs für den deutschen Konsumenten noch als undenkbar. Für jede Produktgruppe mußten gesonderte Geschäfte aufgesucht werden. Fleisch- und Wurstwaren gab es beim Metzger, Brot und Kuchen beim Bäcker sowie weitere Produkte des täglichen Bedarfs in den damals noch zahlreich vorhandenen "Tante Emma- Läden". Viele der gewünschten Produkte wurden noch von Hand abgewogen, verpackt und abgerechnet. Die Folge war, daß der tägliche Einkauf damals noch deutlich zeitraubender war als heute. Allerdings galten die kleinen Läden oft auch als soziale Treffpunkte, in denen Neuigkeiten aus der Nachbarschaft mit den Ladenbesitzern oder mit Bekannten ausgetauscht werden konnten.
    Bereits 1938 wurde in Osnabrück der erste Vorläufer eines Supermarktes mit SB- Charakter eröffnet. Zunächst reagierten Kunden und auch Berufskollegen eher skeptisch auf das neue Konzept, da man soziale Kontakte nicht missen wollte und mancher Händler auch befürchtete, daß das SB- Konzept von "Langfingern" zu wörtlich genommen werden könnte.
    In den frühen 50er Jahren gab es in Deutschland erst ganze 39 Läden mit annäherndem SB- Supermarktcharakter. 1957 wurde dann der erste große Supermarkt in Köln nach amerikanischem Vorbild mit 1700 Quadratmetern Verkaufsfläche eröffnet, dem rasch weitere folgten. Die bundesdeutschen Kunden nahmen das neue Verkaufskonzept rasch auf, doch ein Problem blieb zunächst: die relativ hohen Preise, entstanden durch die Preisbindung, die es den Herstellern erlaubte, feste Verkaufspreise für ihre Produkte festzulegen. Das änderte sich jedoch im Jahre 1962, als die Brüder Karl und Theo Albrecht ihren ersten Discountmarkt eröffneten. Statt einer riesigen Produktpalette hatten sie nur ca. 300 Artikel im Angebot, die sie zu Dauerniedrigpreisen verkauften. Um die Preisbindung der Hersteller zu umgehen, ließen sie Produkte unter eigenen Handelsmarken selbst herstellen und beeinflußten damit nachhaltig die Lebensmittelmärkte. Heute hat praktisch jeder Supermarkt auch Eigenmarken im Sortiment.
    Erst im Jahre 1974 fiel die Preisbindung in Deutschland endgültig, doch auch danach blieben die Discounter weiterhin sehr erfolgreich. Ihr Geschäftsmodell galt als deutsche Besonderheit und wurde weltweit nachgeahmt.
    Seit den frühen 70er Jahren gingen die ersten Supermärkte auf "die grüne Wiese". Die Verkaufsflächen und das Warenangebot wurden deutlich größer, und auch die Zahl der Parkplätze nahm zu. Der Handel reagierte damit auf die veränderten Lebensgewohnheiten der Bundesbürger, die durch das Auto mobiler geworden waren und in den riesigen SB- Märkten oft ganze Wocheneinkäufe tätigten.
    In den letzten Jahren zeichnet sich dagegen ein Umkehrtrend ab. Erneut hat sich der Lebensstil der nachgeborenen Generationen gewandelt, so daß viele SB- Märkte zurück in die Innenstädte kommen. Bei einer Vielzahl von Single- Haushalten werden oft spontane Kaufentscheidungen getroffen, und gerade in den Zentren der Großstädte besitzt eine zunehmende Zahl von Konsumenten gar kein Auto mehr.
    Vor der Tür steht jedoch eine umwälzende Revolution im Konsum von Lebensmitteln: der Einkauf im Internet. Bestellt wird online, geliefert wird bis an die Haustür. Auch diesmal setzte sich dieser Trend zunächst in den USA durch. Auch bei uns bieten inzwischen die ersten Ketten und Online- Händler diesen Service an.

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    Donnerstag, 14. Oktober 2021, 14:21

    Walmart in Deutschland

    Walmart ist in den Staaten natürlich eine Institution, wenn auch heute nicht mehr ganz unumstritten, vor allem wegen seiner Anti- Gewerkschaftspolitik, der relativ schlechten Entlohnung seiner Mitarbeiter und der damit verbundenen hohen Fluktuation.
    Die kurze Geschichte von Walmart in Deutschland ist aus wirtschaftshistorischer Sicht nicht uninteressant, prallten hier doch zwei unterschiedliche Unternehmenskulturen aufeinander, was für Walmart letztendlich mit einem Desaster, Milliardenverlusten und dem Rückzug aus Deutschland endete.
    Aber fangen wir von vorne an. Gegen Mitte der 90er Jahre versuchte Walmart, mit riesigem finanziellen Aufwand auf dem lukrativen deutschen Markt Fuß zu fassen. 1997 übernahm der Konzern 21 Wertkauf- Warenhäuser und ein Jahr darauf 74 Interspar- Häuser für rund zwei Milliarden DM. Die Walmart- Zentrale wurde in Wuppertal neben der ehemaligen Wicküler- Brauerei angesiedelt, ein mir nicht ganz unbekanntes Gebiet.
    Von Anfang an schrieb Walmart in Deutschland tiefrote Zahlen, die finanziellen Gesamtverluste wurden auf rund drei Milliarden Euro geschätzt. Das Kernproblem für den Konzern war, daß er in Deutschland auf ein Einzelhandelsoligopol traf, das die lukrativen Absatzmärkte bereits weitgehend unter sich aufgeteilt hatte. Auch arbeitete Walmart mit ähnlichen Produktpaletten wie die deutschen Unternehmen, so daß von Beginn an keine Wettbewerbsvorteile vorhanden waren, auf denen der US- Konzern hätte aufbauen können.
    Dazu kam die spezielle Walmart- Unternehmenskultur, die sowohl von den deutschen Mitarbeitern als auch von der Mehrzahl der Kunden eher als "fremd" wahrgenommen wurden. So gab es spezielles Begrüßungspersonal in den Eingangsbereichen ("The Greeter"), die Ware wurde für den Kunden an der Kasse eingepackt, auch gab es eine Reihe vorgeschriebener Freundlichkeitsfloskeln für die Mitarbeiter gegenüber ihrer Kundschaft.
    Hinzu kam das 2005 herausgegebene "Statement of Ethics", das zu lebhaften Diskussionen unter den deutschen Walmart- Mitarbeitern führte. Zweideutige Bemerkungen und selbst private Beziehungen sowie private Treffen von Mitarbeitern wurden von der Konzernleitung strikt untersagt, auch wurde eine "Hotline" eingerichtet, unter der Mitarbeiter Verstöße gegen die Unternehmensregularien auch anonym melden konnten.
    Das "Statement of Ethics" landete schließlich vor dem Wuppertaler Arbeitsgericht , das praktisch sämtliche Klauseln dieser Richtlinien als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und somit als gesetzeswidrig verurteilte.
    Auch zehn Jahre nach seinem Markteintritt war es Walmart im Jahre 2006 nicht gelungen, wesentliche Marktanteile in Deutschland zu erobern. Der Konzern hatte u.a. nicht bedacht, daß Deutschland im Vergleich zu den USA seit Jahrzehnten ein Lebensmittel- Billigland ist und die Discounter mit durchschnittlich 2 % Handelsmarge auskommen müssen, während diese in den USA bei ca. 5 % liegen.
    Letztendlich zog Walmart die Notbremse und beschloß, aus dem Geschäft in Deutschland mit hohen Verlusten auszusteigen. Am 28. Juli 2006 gab Deutschland- Chef David Wild den Rückzug vom deutschen Markt bekannt. Die 85 noch existierenden Märkte wurden von der Metro AG resp. deren Supermarktkette REAL übernommen.

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    Sonntag, 24. Oktober 2021, 20:11

    RE: Walmart in Deutschland

    Uwe, ich habe nicht schlecht gestaunt, als wir zwischen dem 2. und 9.10. Urlaub in Maine machten.
    Ueberall gab es Schilder, dass Arbeitskraefte gesucht werden und $ 18/hour Verdienst angeboten wird.
    Als ich 2002 auswanderte (und auch noch 2008, als ich aufhoerte, hier zu arbeiten), wurde gerade mal $ 11/hr bezahlt.

    Davon konnte ich nicht existieren ($ 1.450 netto pro Monat bei einer Warmmiete von fast $ 900 plus Autounterhaltskosten, da blieb nichts mehr fuer Lebensmittel geschweige denn Kleidung uebrig).

    Da hat sich echt was getan in den vergangenen 10 Jahren dank Obama (vermute ich mal).
    Selbst bei MacDonald's in Maine wurde ein guter Verdienst in Aussicht gestellt.
    Gewerkschaften gibt es in den USA leider fast gar nicht, ich kenne nur die Teamsters, die LKW Fahrer Gewerkschaft (da verschwand Jimmy Hoffa auf mysterioese Weise).
    Hier gibt es keine automatische 3% Gehaltserhoehung pro Jahr to keep up with the raising costs of living.
    Da war man in Germany verwoehnt...
    Als ich 2005 in einem Call Center zu arbeiten begann, erzaehlten mir meine Kollegen, dass sie seit 7 Jahren (!!!) keine einzige Gehaltserhoehung erhalten haetten.
    Wir erhielten 2006 schliesslich 50 US cents pro Stunde mehr. Na toll! Das machte den Kohl auch nicht fett.
    Walmart ist in den Staaten natürlich eine Institution, wenn auch heute nicht mehr ganz unumstritten, vor allem wegen seiner Anti- Gewerkschaftspolitik, der relativ schlechten Entlohnung seiner Mitarbeiter und der damit verbundenen hohen Fluktuation.
    Die kurze Geschichte von Walmart in Deutschland ist aus wirtschaftshistorischer Sicht nicht uninteressant, prallten hier doch zwei unterschiedliche Unternehmenskulturen aufeinander, was für Walmart letztendlich mit einem Desaster, Milliardenverlusten und dem Rückzug aus Deutschland endete.
    Aber fangen wir von vorne an. Gegen Mitte der 90er Jahre versuchte Walmart, mit riesigem finanziellen Aufwand auf dem lukrativen deutschen Markt Fuß zu fassen. 1997 übernahm der Konzern 21 Wertkauf- Warenhäuser und ein Jahr darauf 74 Interspar- Häuser für rund zwei Milliarden DM. Die Walmart- Zentrale wurde in Wuppertal neben der ehemaligen Wicküler- Brauerei angesiedelt, ein mir nicht ganz unbekanntes Gebiet.
    Von Anfang an schrieb Walmart in Deutschland tiefrote Zahlen, die finanziellen Gesamtverluste wurden auf rund drei Milliarden Euro geschätzt. Das Kernproblem für den Konzern war, daß er in Deutschland auf ein Einzelhandelsoligopol traf, das die lukrativen Absatzmärkte bereits weitgehend unter sich aufgeteilt hatte. Auch arbeitete Walmart mit ähnlichen Produktpaletten wie die deutschen Unternehmen, so daß von Beginn an keine Wettbewerbsvorteile vorhanden waren, auf denen der US- Konzern hätte aufbauen können.
    Dazu kam die spezielle Walmart- Unternehmenskultur, die sowohl von den deutschen Mitarbeitern als auch von der Mehrzahl der Kunden eher als "fremd" wahrgenommen wurden. So gab es spezielles Begrüßungspersonal in den Eingangsbereichen ("The Greeter"), die Ware wurde für den Kunden an der Kasse eingepackt, auch gab es eine Reihe vorgeschriebener Freundlichkeitsfloskeln für die Mitarbeiter gegenüber ihrer Kundschaft.
    Hinzu kam das 2005 herausgegebene "Statement of Ethics", das zu lebhaften Diskussionen unter den deutschen Walmart- Mitarbeitern führte. Zweideutige Bemerkungen und selbst private Beziehungen sowie private Treffen von Mitarbeitern wurden von der Konzernleitung strikt untersagt, auch wurde eine "Hotline" eingerichtet, unter der Mitarbeiter Verstöße gegen die Unternehmensregularien auch anonym melden konnten.
    Das "Statement of Ethics" landete schließlich vor dem Wuppertaler Arbeitsgericht , das praktisch sämtliche Klauseln dieser Richtlinien als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und somit als gesetzeswidrig verurteilte.
    Auch zehn Jahre nach seinem Markteintritt war es Walmart im Jahre 2006 nicht gelungen, wesentliche Marktanteile in Deutschland zu erobern. Der Konzern hatte u.a. nicht bedacht, daß Deutschland im Vergleich zu den USA seit Jahrzehnten ein Lebensmittel- Billigland ist und die Discounter mit durchschnittlich 2 % Handelsmarge auskommen müssen, während diese in den USA bei ca. 5 % liegen.
    Letztendlich zog Walmart die Notbremse und beschloß, aus dem Geschäft in Deutschland mit hohen Verlusten auszusteigen. Am 28. Juli 2006 gab Deutschland- Chef David Wild den Rückzug vom deutschen Markt bekannt. Die 85 noch existierenden Märkte wurden von der Metro AG resp. deren Supermarktkette REAL übernommen.

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    Sonntag, 24. Oktober 2021, 20:48

    Achtzehn Dollar Stundenlohn und keiner will diese Jobs

    Die drastische Anhebung der Stundenlöhne in den USA sind aus der Not geboren, weil die "stimulus checks" der Biden- Administration die Arbeitsmentalität vieler Amerikaner "versaut" haben. Man bleibt lieber zuhause auf dem Sofa, zieht sich Netflix- Filme oder Football- Spiele rein und raucht Dope.
    Dazu kommt, daß viele dieser Jobs per se nicht sonderlich nachgefragt sind. "Flipping burgers" bei Mc Donalds, Taco Bell und ähnliche Jobs gelten in den USA als äußerst unbeliebt, auch wenn sie jetzt vorübergehend gut bezahlt werden. Früher wurden Tätigkeiten dieser Art meist von Schülern und Studenten sowie von Migranten aus Lateinamerika ausgeführt.
    So jedenfalls berichtet mir meine Freundin aus den USA (Boise, Idaho).
    Was haben wir gelacht, als ich Angeline von meinem Walmart- Blog erzählt habe ! Was ist der Unterschied zwischen Amerikanern und Deutschen ? Der Amerikaner nimmt die "Greeters" bei Walmart meist gleichgültig oder wohlwollend hin, während der Deutsche zur Geschäftsführung geht und sich über den Fremden beschwert, der ihn auf dem Firmengelände belästigt hat :thumbsup: . Das soll tatsächlich mehrfach passiert sein , und das Walmart -Management hat die "Greeters" in Deutschland nach ein, zwei Jahren dann auch wieder abgeschafft.

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    Montag, 25. Oktober 2021, 10:53

    RE: Achtzehn Dollar Stundenlohn und keiner will diese Jobs

    Die greeters bei Wal*Mart sind meist alte Maenner, die sich so etwas hinzuverdienen. Kann sein, dass sie dadurch auch krankenversichert sind. Uns stoeren sie nicht, wir gruessen freundlich zurueck.
    Viel verstoerter war ich allerdings 2002 in Augusta, Maine, als ich ein armes, etwa 75 Jahre altes Weiblein auf dem Boden sitzen sah, das im untersten Fach Waren einraeumen musste.

    Ein junger, forscher, unverschaemter WAl*Mart Vorgesetzter kam dioch tatsaechlich auf sie zugelaufen und herrschte sie an, sich gefaelligst nicht hinzusetzen oder hinzuknien beim Einraeumen.

    Ich war damals der englischen Sprache noch nicht so maechtig, sonst haette ich den Schnoesel zu gern abgekanzelt!
    Vermutlich bekam die alte Dame vom Buecken oder Hinknien Rueckenschmerzen und versuchte halt, die Dosen im Sitzen einzuraeumen. Wen haette das schon gestoert???

    Mir tat es von Herzen leid, dass eine so alte Frau finanziell dazu gezwungen ist, in einem fuerchterlichen Supermarkt zu arbeiten, anstatt zu Hause ihre Rente zu geniessen, wie es eigentlich sein sollte.
    Zwei Jahre spaeter arbeitete ich fuer 4,5 Monate (temporay job) beim Board of Dental Examiners in Augusta, Maine, und ging hin und wieder im nahen Supermarkt einkaufen.

    Dort musste so eine arme alte Dame (sie war auch mindestens 75) an der Kasse arbeiten.
    In Hamburg sassen die Kassierinnen 2002 noch auf Stuehlen an der Kasse. Warum sie hier den ganzen Tag auf den Fuessen stehen muessen, habe ich nie eingesehen. Pure Schikane!
    Den Stimulus gab es nur zweimal, das ist keine Dauerloesung.

    Was tun die Leute, wenn das bisschen Geld verbraucht ist?
    Flipping burgers bei MacDonald's ist immer noch besser als 8 Stunden bei VW am Band zu stehen und diesen Laerm ueber sich ergehen zu lassen.
    Die drastische Anhebung der Stundenlöhne in den USA sind aus der Not geboren, weil die "stimulus checks" der Biden- Administration die Arbeitsmentalität vieler Amerkaner "versaut" haben. Man bleibt lieber zuhause auf dem Sofa, zieht sich Netflix- Filme oder Football- Spiele rein und raucht Dope.
    Dazu kommt, daß viele dieser Jobs per se unbeliebt sind. "Flipping burgers" bei Mc Donalds und ähnliche Jobs gelten in den USA als äußerst unbeliebt, auch wenn sie vorübergehend gut bezahlt werden. Früher wurden Tätigkeiten dieser Art meist von Schülern und Studenten sowie von Migranten aus Lateinamerika ausgeführt.
    So jedenfalls berichtet mir meine Freundin aus den USA (Boise, Idaho).
    Was haben wir gelacht, als ich Angeline von meinem Walmart- Blog erzählt habe ! Was ist der Unterschied zwischen Amerikanern und Deutschen ? Der Amerikaner nimmt die "Greeters" bei Walmart meist gleichgültig oder wohlwollend hin, während der Deutsche zur Geschäftsführung geht und sich über den Fremden beschwert, der ihn auf dem Firmengelände belästigt hat :thumbsup: . Das soll tatsächlich mehrfach passiert sein , und das Management hat die "Greeters" in Deutschland nach ein, zwei Jahren dann auch wieder abgeschafft.

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    Montag, 25. Oktober 2021, 13:43

    Die amerikanische Rente und begehrte Jobs bei VW

    Leute im Alter von über 65/70 Jahren würden in unseren deutschen Supermärkten oder Burgerbratern gar nicht mehr eingestellt, da sie nicht mehr die physische und mentale Leistungsfähigkeit hätten. Ältere Leutchen habe ich zuletzt im Imbissbereich des hannöverschen Wurst- Basars am Steintor erlebt, die waren aber eher in den frühen 50ern.
    Das amerikanische Rentensystem ist natürlich ein heiß diskutiertes Thema. In der Regel ist man sehr beraten, private Zusatzvorsorge zu betreiben, da die staatliche US- Rente eher unserer Grundsicherung gleicht. Ansonsten kann man in den Staaten sehr schnell sehr tief fallen, was durchaus auch für Jüngere gelten kann. Beliebt sind regelmäßige Einzahlungen in Pensionsfonds, die in verschiedene Assets (Anleihen, Aktien) investiert sind. Nur rund 55 Millionen Amerikaner praktizieren dies jedoch nachhaltig.

    Zwischen 1982 und 1986 habe ich mit einigen Unterbrechungen rund eineinhalb Jahre als Werkstudent im VW- Nutzfahrzeugwerk Stöcken gearbeitet. Die Arbeit war für einen damaligen Mittzwanziger hart, aber auszuhalten und sehr gut bezahlt. Wir "Studis" haben bei gleicher Arbeit ca. 10 % weniger Lohn bekommen als das Stammpersonal. Leider hat dann ein vermeintlich cleverer Jurastudent einige Jahre später eine tarifliche Gleichbehandlung von Studenten und VW- Stammpersonal eingeklagt. Was zur Folge hatte, daß VW eine Zeitarbeitsfirma gegründet hat, die Studenten und Zeitarbeitskräfte infolge zu rund einem Drittel niedrigeren Tarifen beschäftigte.
    Ansonsten sind Jobs bei VW hier im Großraum Hannover heiß begehrt, da bei relativer Arbeitsplatzsicherheit gut bezahlt. Was auf Dauer an die Substanz gehen kann, ist weniger die Arbeit an sich, sondern das System der Wechselschichten, die den Bio- Rhytmus gehörig durcheinanderbringt. Ich habe Frühschichten (5.30 bis 14.00 Uhr) immer gern gefahren, während mir die darauffolgende Spätschicht (14.00 bis 22.00Uhr) gehörig auf den Senkel ging, da man dann nichts mehr vom Tag hatte. Aber so waren damals wie heute die Spielregeln :( .

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    Montag, 25. Oktober 2021, 16:24

    RE: Die amerikanische Rente und begehrte Jobs bei VW

    Das machte meinen ersten richtigen Freund (1973 - 1978) vollkommen fertig, der Wechselschicht bei VW in Braunschweig arbeitete und verzweifelt versuchte, nur in der Fruehschicht zu arbeiten, aber darauf liessen sie sich leider nicht ein.
    Zwischen 1982 und 1986 habe ich mit einigen Unterbrechungen rund eineinhalb Jahre als Werkstudent im VW- Nutzfahrzeugwerk Stöcken gearbeitet. Die Arbeit war für einen damaligen Mittzwanziger hart, aber auszuhalten und sehr gut bezahlt. Wir "Studis" haben bei gleicher Arbeit ca. 10 % weniger Lohn bekommen als das Stammpersonal. Leider hat dann ein vermeintlich cleverer Jurastudent einige Jahre später eine tarifliche Gleichbehandlung von Studenten und VW- Stammpersonal eingeklagt. Was zur Folge hatte, daß VW eine Zeitarbeitsfirma gegründet hat, die Studenten und Zeitarbeitskräfte infolge zu rund einem Drittel niedrigeren Tarifen beschäftigte.
    Ansonsten sind Jobs bei VW hier im Großraum Hannover heiß begehrt, da bei relativer Arbeitsplatzsicherheit gut bezahlt. Was auf Dauer an die Substanz gehen kann, ist weniger die Arbeit an sich, sondern das System der Wechselschichten, die den Bio- Rhytmus gehörig durcheinanderbringt. Ich habe Frühschichten (5.30 bis 14.00 Uhr) immer gern gefahren, während mir die darauffolgende Spätschicht (14.00 bis 22.00Uhr) gehörig auf den Senkel ging, da man dann nichts mehr vom Tag hatte. Aber so waren damals wie heute die Spielregeln :( .

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    Montag, 25. Oktober 2021, 18:40

    Vom Studenten zum VW- Bandwerker

    Um 1983 habe ich mit einem deutschen Lehramtsstudenten zusammen am Band gestanden, der mir damals seine traurige Geschichte erzählte. Sein Matheprofessor mochte ihn nicht, hat ihm das auch auf den Kopf zugesagt mit der Bemerkung: "Bei mir kommen sie nicht durch die Prüfung !". Beweisen ließ sich natürlich nichts, es blieb das Problem, daß der Ärmste einfach nicht an diesem vermaledeiten Professorenar... vorbei kam.
    VW stellte gerade zu dieser Zeit Mitarbeiter fest ein, und ich habe ihm geraten, sich alternativ zu bewerben und nebenbei an einer möglichen Lösung seines "Problems" zu arbeiten. Zwei Jahre später habe ich ihn wiedergetroffen. Er hatte meinen Rat beherzigt und arbeitete nun festangestellt bei VW. Allerdings sah man ihm die zwei Jahre Wechselschicht am Band bereits deutlich an.
    Was aus ihm letztendlich geworden ist: keine Ahnung. Vielleicht blieb er bei VW, vielleicht nahm er auch einen neuen Studienanlauf an einer anderen Uni.
    An deutschen Hochschulen gibt es bisweilen Dozenten, die in zwischenmenschlicher Hinsicht unterste Schublade sind. Mir ist 1985 auch so ein Bürschchen begegnet, das mir Steine in den Weg legen wollte und den ich letztendlich "kleingekriegt" habe. Davon aber vielleicht später einmal mehr.

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    Dienstag, 26. Oktober 2021, 11:25

    RE: Vom Studenten zum VW- Bandwerker

    Davon wuerde ich gern mehr hoeren!
    An deutschen Hochschulen gibt es bisweilen Dozenten, die in zwischenmenschlicher Hinsicht unterste Schublade sind. Mir ist 1985 auch so ein Bürschchen begegnet, das mir Steine in den Weg legen wollte und den ich letztendlich "kleingekriegt" habe. Davon aber vielleicht später einmal mehr.

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    Dienstag, 26. Oktober 2021, 16:31

    Die Affäre Schenk

    Eines der Nebenfächer während meines Studiums nannte sich "Ökonomische Entscheidungslehre". Darunter versteht man Aspekte der Managementtheorie, Marketingtheorie usf. Also in knappen Worte etwas, was Fach- und Führungskräften bei späteren Entscheidungsfindungen dienlich sein sollte. So jedenfalls die graue Theorie :wacko: .
    Nun wurde dieses Fach von einem Professor namens S. unterrichtet, der sich vor allem dadurch auszeichnete, daß viele seiner Lehrveranstaltungen ohne Vorankündigung schlicht und ergreifend ausfielen. Es stellte sich heraus, daß das Bürschchen "nebenberuflich" einer für ihn wohl recht lukrativen Beschäftigung nachging: er vermittelte elektronische Regelungssysteme für Gewächshausanlagen. Im wesentlichen ging es dabei um Klimasteuerung mittels Elektronik, ein in den frühen 80ern noch sehr neues Geschäftsfeld.
    Wir als Studenten haben das damals mehr oder weniger achselzuckend hingenommen und wollten dem Mann zunächst daraus auch keinen Strick drehen. Die große Überraschung kam dann bei der mündlichen Prüfung, als diese "Koryphäe" mich mit dem Argument, ich hätte ja kaum gelernt, durchfallen ließ. Ich nahm es zuächst sportlich und wiederholte die Prüfung einige Monate später, wieder mit dem gleichen Ergebnis.
    Nun hatte ich allmählich "die Faxen dicke", nahm mir einen Anwalt und wies diesen auf die zahllosen ausgefallenen Unterrichtseinheiten und die Nebentätigkeit dieses Früchtchens hin. Auch besuchte ich unseren Tutor, Professor Z., zu dem ich ein recht entspanntes Verhältnis hatte. Dieser erklärte mir, daß ein erfolgreiches Verfahren gegen S. durchaus zum Entzug seiner Lehrbefugnis führen könne und bot an, zu "vermitteln". Ich hatte damals den Eindruck, daß die Nebentätigkeiten von S. auch unter seinen Kollegen nicht unbemerkt geblieben waren und nicht unbedingt bei allen auf Wohlwollen stießen.
    Das Ende vom Lied war, daß S. sehr schnell einknickte und mir eine nochmalige Wiederholung der Prüfung mit einer "Garantie" des Bestehens anbot. Lächelnd nahm ich den Termin wahr, absolvierte das "Gespräch" mit Leichtigkeit und hatte mit rund halbjähriger Verspätung endlich mein Diplom in der Tasche.
    Ob tatsächlich im Anschluß ein uniinternes Verfahren zwecks Entzug der Lehrbefugnis von S. stattfand, entzieht sich meiner Kenntnis. Das dürfte eher unwahrscheinlich sein, denn auch und gerade an deutschen Hochschulen hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus :thumbdown: .

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    Mittwoch, 27. Oktober 2021, 13:48

    RE: Die Affäre Schenk

    Sagenhafte Geschichte! 8)
    Eines der Nebenfächer während meines Studiums nannte sich "Ökonomische Entscheidungslehre". Darunter versteht man Aspekte der Managementtheorie, Marketingtheorie usf. Also in knappen Worte etwas, was Fach- und Führungskräften bei späteren Entscheidungsfindungen dienlich sein sollte. So jedenfalls die graue Theorie :wacko: .
    Nun wurde dieses Fach von einem Professor namens S. unterrichtet, der sich vor allem dadurch auszeichnete, daß viele seiner Lehrveranstaltungen ohne Vorankündigung schlicht und ergreifend ausfielen. Es stellte sich heraus, daß das Bürschchen "nebenberuflich" einer für ihn wohl recht lukrativen Beschäftigung nachging: er vermittelte elektronische Regelungssysteme für Gewächshausanlagen. Im wesentlichen ging es dabei um Klimasteuerung mittels Elektronik, ein in den frühen 80ern noch sehr neues Geschäftsfeld.
    Wir als Studenten haben das damals mehr oder weniger achselzuckend hingenommen und wollten dem Mann zunächst daraus auch keinen Strick drehen. Die große Überraschung kam dann bei der mündlichen Prüfung, als diese "Koryphäe" mich mit dem Argument, ich hätte ja kaum gelernt, durchfallen ließ. Ich nahm es zuächst sportlich und wiederholte die Prüfung einige Monate später, wieder mit dem gleichen Ergebnis.
    Nun hatte ich allmählich "die Faxen dicke", nahm mir einen Anwalt und wies diesen auf die zahllosen ausgefallenen Unterrichtseinheiten und die Nebentätigkeit dieses Früchtchens hin. Auch besuchte ich unseren Tutor, Professor Z., zu dem ich ein recht entspanntes Verhältnis hatte. Dieser erklärte mir, daß ein erfolgreiches Verfahren gegen S. durchaus zum Entzug seiner Lehrbefugnis führen könne und bot an, zu "vermitteln". Ich hatte damals den Eindruck, daß die Nebentätigkeiten von S. auch unter seinen Kollegen nicht unbemerkt geblieben waren und nicht unbedingt bei allen auf Wohlwollen stießen.
    Das Ende vom Lied war, daß S. sehr schnell einknickte und mir eine nochmalige Wiederholung der Prüfung mit einer "Garantie" des Bestehens anbot. Lächelnd nahm ich den Termin wahr, absolvierte das "Gespräch" mit Leichtigkeit und hatte mit rund halbjähriger Verspätung endlich mein Diplom in der Tasche.
    Ob tatsächlich im Anschluß ein uniinternes Verfahren zwecks Entzug der Lehrbefugnis von S. stattfand, entzieht sich meiner Kenntnis. Das dürfte eher unwahrscheinlich sein, denn auch und gerade an deutschen Hochschulen hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus :thumbdown: .

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    Sonntag, 31. Oktober 2021, 20:03

    Nie wieder Bamberger

    Meine ersten Erinnerungen in diesem Zusammenhang müssen aus Ende 50er stammen. Diese Tante Emma Laden wurde von einem Herrn Hugo Bamberger betrieben. Dieser hatte die NS Zeit überlebt, obwohl Jude, mit einer "Nichtjüdin" verheiratet, vielleicht auch, weil er für die Versorgung der Dorfbevölkerung wichtig war. Hier gab es noch 150 Gramm braune Linsen, 30er Handelsgold Zigarren, Erdal Schuhcreme, die lose Ware wurde noch in die üblichen braunen Papiertüten gepackt und gewogen. So nebenbei hatte der Laden auch eine wichtige Funktion, es gab ein Telefon. In der gesamten Straße hatte zu dieser Zeit NIEMAND ein Telefon.
    Wichtige Mitteilungen wurden meist über dieses Telefon zugestellt, ein auf der Straße spielendes Kind (wir haben meist auf der Straße gespielt) wurde gerufen, welches dann der Frau X oder dem Herrn Y Bescheid sagen sollte "da ruft jemand an" Oft wurde die Botschaft gleich über das Kind übermittelt "die Oma ist gestorben" , der "Onkel hatte einen Unfall" etc., ich hatte deshalb immer ein mulmiges Gefühl wenn meine Mutter ans Telefon gerufen wurde (zu Recht)

    Später hat der Sohn des Inhabers angebaut und den Laden deutlich vergrößert und in diesem Zuge auch SB eingeführt. Einer Kette gehörte er nicht an soweit ich mich erinnere, der Laden hat recht lange existiert, da für viele Leute fußläufig erreichbar. Eine Alternative gab es zwar auch, ebenfalls in dieser Größenordnung, aber durch das halbe Dorf zu laufen mit der EInkaugstasche, das hat kaum einer gemacht.

    Als diese Läden geschlossen wurden, gab es ziemlich Probleme für bestimmte Dinge des täglichen Gebrauchs. Metzer und Bäcker gab es noch (in einer 2000 Seelen Gemeinde drei Metzger und zwei Bäcker) , Milch und Kartoffeln zur Not von den Bauern, aber der Rest musste aus der Stadt besorgt werden. Heute hat es dort eine riesigen REWE und fast jeder hat ein Auto, wie sich die Zeiten ändern :D

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    Montag, 1. November 2021, 14:39

    Telefon- Hausanschlüsse

    Die Ausführungen von Armin, was die Verfügbarkeit von Haustelefonen in den 60er Jahren angeht, kann ich weitgehend bestätigen. Zwar wohnten wir am Rand einer 50.000- Einwohner Kleinstadt und hatten die bis ca. Mitte der 60er auf Holzmasten verlaufenden Telefonleitungen (auf denen sich meist zahlreiche Spatzen tummelten) praktisch vor der Haustür, nur einen Hausanschluß hatten in dieser Straße, soweit mir bekannt, damals nur die wenigsten.
    Dies hatte u.a. zur Folge, daß meine Großmutter aus der "Zone" ihren Besuch noch per Telegramm ankündigen mußte ("Ankomme 8 Uhr Bahnhof Ohligs") und dringende Anrufe über den Hausnachbarn erfolgen mußten. So hatten wir uns um 1970 während einer Fahrradtour zeitlich völlig verschätzt, nahmen den kürzeren Weg zur Firma meines Vaters und ließen uns abends von diesem mit einem Lieferwagen wieder nach Hause fahren. Angekündigt wurde diese "Verspätung" über den Nachbarn meiner Kumpels, Herrn Schmidt, der bereits einen Telefonanschluß hatte.
    Auch hatten wir mangels privater Telefone noch einen roten Feuermelder in unserer Straße stehen, bei dem man eine dünne Glasscheibe einschlagen mußte, um an einen Knopf zu gelangen, der die Feuerwehr alarmierte. Soweit ich weiß, wurden diese Geräte seit den 70er Jahren demontiert, auch weil zu viel Unfug vor allem von Kindern damit getrieben wurde ;) .
    Nach dem Umzug 1973 bekamen wir dann endlich unser eigenes Wohnungstelefon, bei dem es sich bereits um eine Tastengerät handelte. Die alten Apparate mit Wählscheibe hatten ausgedient.

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    Dienstag, 2. November 2021, 10:57

    RE: Nie wieder Bamberger

    Ich erinnere mich, dass meine Eltern in Friedrichshafen am Bodensee 1962 die ersten im Mietshaus mit Telefon waren, denn mein Vater musste vom Krankenhaus erreicht werden koennen.
    Spaeter hatte er einen Pieper.
    Wir mussten oft stundenlang auf angemeldete Telefonate in die Ex-DDR warten.
    Damals klingelte das Telefon nicht annaehernd so oft wie heute und scam calls kannte man noch nicht.
    Stimmt, oft hatte das Klingeln des Telefons nichts Gutes zu bedeuten.
    Leider hatten wir weder Stift noch Notizblock neben dem Telefon liegen, und wenn ich tagsueber ans Telefon ging, weil meine Eltern arbeiteten, dann vergass ich oft, ihnen eine bestimmte Nachricht zu geben, weil ich sie wieder vergessen hatte.
    Das ist seit Erfindung der post-it notes leichter geworden.
    An Erdal erinnere ich mich auch noch. Gluecklicherweise wurde das spaeter durch eine Schuhcreme ersetzt, die vor der Oeffnung einen Schwamm befestigt hatte, seitdem macht man sich die Finger beim Schuheputzen nicht mehr dreckig.
    So nebenbei hatte der Laden auch eine wichtige Funktion, es gab ein Telefon. In der gesamten Straße hatte zu dieser Zeit NIEMAND ein Telefon.
    Wichtige Mitteilungen wurden meist über dieses Telefon zugestellt, ein auf der Straße spielendes Kind (wir haben meist auf der Straße gespielt) wurde gerufen, welches dann der Frau X oder dem Herrn Y Bescheid sagen sollte "da ruft jemand an" Oft wurde die Botschaft gleich über das Kind übermittelt "die Oma ist gestorben" , der "Onkel hatte einen Unfall" etc., ich hatte deshalb immer ein mulmiges Gefühl wenn meine Mutter ans Telefon gerufen wurde (zu Recht)