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    Mittwoch, 8. September 2021, 11:08

    Der Starfighter- Skandal

    Einer der größten politischen Skandale der Bundesrepublik Deutschland in den 60er Jahren, wenn nicht sogar der größte, war die sogenannte "Starfighter- Affäre", die sich durch die Umstände der Beschaffung des Abfangjägers Lockheed F- 104 Starfighter und seine Folgen entwickelte.
    Die bundesdeutsche Luftwaffe hatte bei der Suche nach einem modernen Abfangjäger die Wahl zwischen der Lockheed F- 104 Starfighter, der Grumman Tiger und der französischen Mirage III. Auf "allerhöchster Ebene" und entgegen dem Rat zahlreicher Experten wurde vom damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß die Entscheidung für den Starfighter als zukünftigen deutschen Abfangjäger getroffen.
    Oberstleutnant Werner und Major Krupinski flogen 1957 sowohl die Grumman Tiger als auch die US- Version des Starfighters und bewerteten letzteren als deutlich überlegen. Probleme bereitete lediglich die amerikanische Avionik, da sie den deutschen Vorstellungen nicht entsprach, aber laut Aussage des Herstellers ohne Schwierigkeiten ausgetauscht werden konnte. Im darauffolgenden Jahr wurde auch die Mirage III eingehend erprobt, wobei sich die Entscheidung zugunsten des Starfighters zunehmend verfestigte. Zu diesem Zeitpunkt waren sowohl die Mirage III als auch die Grumman Tiger lediglich als Prototypen verfügbar, während die F- 104 bereits in der amerikanischen Serienversion erprobt werden konnte.
    Die deutlichsten Mängel versuchte man zu beheben, indem man in die Prototypen der deutschen Variante ein verändertes Radar, einen stärkeren Rumpf, ein leistungsfähigeres Triebwerk und eine komplett neu konfigurierte Navigationsausrüstung einbaute.
    Obwohl es den Entscheidungsträgern aufgrund der erforderlichen Modifikationen allmählich dämmern mußte, daß hier viel Geld für ein technisch noch unausgereiftes Flugzeug mit empfindlicher Elektronik ausgegeben wurde, kam es schließlich zur endgültigen Bestellung der F- 104 G.
    Nachdem die ersten Starfighter im Februar 1960 in Deutschland eingetroffen waren, mußte man feststellen, daß einige Instrumente im Cockpit nicht funktionsfähig waren. Dies wurde reklamiert und auch durch den Hersteller behoben. Am 21. Februar 1962 wurde die erste F- 104 F zum Jagdbombergeschwader 31 (Boelcke) in Nörvenich überführt. Bereits am 22. Mai kam es durch den Ausfall des Nachbrenners zum ersten tödlichen Starfighter- Unfall in Deutschland. Bereits zuvor war es bei Testdurchläufen zu Triebwerksausfällen sowie zu einem Bruch des Bugfahrwerks gekommen.
    Bis Juni 1962 wurden dennoch genügend F- 104 F beschafft, um damit das erste Geschwader bilden zu können. Aus diesem Anlaß sollte in Nörvenich am 20. Juni eine Feierstunde und ein Flugtag mit Kunstflugdarbietungen stattfinden. Bereits einen Tag zuvor kamen bei einem schweren Unfall durch den Absturz von vier Starfightern drei Luftwaffenpiloten und ein Pilot der U.S. Air Force ums Leben.
    Innerhalb weniger Wochen war dies der zweite tödliche Unfall mit diesen Kampfjets in Deutschland. Die für den 20. Juni 1962 geplante Flugschau wurde kurzfristig abgesagt, dennoch erfolgte an diesem Tag die offizielle Indienststellung der F- 104 beim Geschwader Boelcke.
    Noch bevor weitere Unfälle geschahen, ergaben sich für Verteidigungsminister Franz Josef Strauß ernsthafte Probleme im Zusammenhang mit der Beschaffung des Abfangjägers. Nach Enthüllungen im Magazin "Der Spiegel" begann sich zunehmend die Öffentlichkeit für die Umstände der Vertragsabschlüsse mit Lockheed zu interessieren. Auch kam die Frage auf, warum nicht die technisch in vielen Punkten bessere Mirage III beschafft worden war. Bekannt wurde in diesem Kontext, daß Strauß als unbedingter Verfechter der atomaren Aufrüstung der Bundesrepublik ein Flugzeug haben wollte, das Atomwaffen bis zum Ural tragen konnte. Paris war zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht zu einem atomaren Bündnis mit der Bundesrepublik bereit. Hingegen versprachen die Amerikaner dem deutschen Verteidigungsminister, im Ernstfall auch nukleare Sprengköpfe zur Verfügung stellen zu wollen.
    Bekannt wurde ebenfalls, daß Lockheed beim Export des Starfighters in andere Länder "Schmiergelder" gezahlt hatte. So kam schnell der Verdacht auf, daß auch Franz Josef Strauß während seines Besuchs bei Lockheed von dem Rüstungskonzern bestochen worden war. Ein entsprechender Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestags kam zu dem vorläufigen Ergebnis, daß sich eine Bestechung nicht zweifelsfrei nachweisen ließ.
    Allein im Jahre 1965 ereigneten sich 27 Unfälle mit 17 Toten, an denen F- 104 Starfighter beteiligt waren. Nach weiteren, teilweise tödlichen Unfällen erhielt die gesamte F- 104 Flotte im gleichen Jahr zweimal ein völliges Startverbot. Doch auch nach dem Einbau zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen gelang es nicht, den Jet in einen dauerhaft flugsicheren Zustand zu bringen.
    Am 25. August 1966 entließ Verteidigungsminister Kai- Uwe von Hassel den Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Werner Panitzki, auf dessen eigenen Wunsch, da dieser in einem Interview die Beschaffung des Abfangjägers als eine rein politische Entscheidung kritisiert hatte. Auch der bekannte Kommodore des JG 71, Erich Hartmann, schied aus ähnlichen Gründen aus dem Dienst bei der Luftwaffe aus.
    Die Gründe für die häufigen Abstürze des Jets lagen weiterhin in Ausfällen und Defekten in nahezu allen Bereichen des Flugzeugs. Vor allem die Elektronik, das Triebwerk und die damit verbundene Hydraulik sorgten für ständige Probleme. Hinzu kam ein eklatanter Personalmangel beim Wartungsdienst der Bundeswehr, die bereits in den 60er Jahren als eher unattraktiver Arbeitgeber galt. Die Rede war von rund 10.000 (!) fehlenden Mechanikern in diesem Jahrzehnt, weshalb angeordnet wurde, spezielle Komponenten nicht mehr regelmäßig zu warten, sondern erst bei festgestellten Fehlern zu reparieren. Auch die laufenden technischen Veränderungen der Maschine führten zu einer teilweisen Überforderung des Wartungspersonals. Darüber hinaus waren viele BW- Fliegerhorste in den frühen 60er Jahren erst noch im Bau, so daß die mit Elektronik vollgepackten Jets teilweise das ganze Jahr über im Freien standen und schutzlos der Witterung ausgesetzt waren.
    Generell stiegen die Zuverlässigkeit, die Sicherheit und die Einsatzbereitschaft des Starfighters deutlich, nachdem Luftwaffeninspekteur Panitzki entschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Waffensysteme durchsetzte. Diese Maßnahmen griffen jedoch erst, als Panitzki bereits nicht mehr im Amt war, weshalb sein Nachfolger General Johannes Steinhoff als eigentlicher Bezwinger der "Starfighterkrise" gilt.
    Trotz der vielen Abstürze war die F- 104 insbesondere bei jungen Bundeswehrpiloten nicht unbeliebt, da ihre Steig- und allgemeinen Flugleistungen für die damalige Zeit atemberaubend waren. In der zivilen Öffentlichkeit behielt die Maschine bis zur endgültigen Ausmusterung jedoch ihren schlechten Ruf als "Witwenmacher".
    Zur relativen "Ehrenrettung" des F- 104 Starfighters im Einsatz der bundesdeutschen Luftwaffe sei noch abschließend erwähnt, daß andere zeitentsprechende Kampfjets anderer Nationen durchaus vergleichbare Absturzzahlen hatten, so. z.B. die "Lightning" der britischen Luftwaffe. Auch die Starfighter- Verlustraten der italienischen, amerikanischen sowie der kanadischen Luftwaffe waren durchaus vergleichbar hoch. Was natürlich keinesfalls die vermeidbaren Verluste zahlreicher Menschenleben rechtfertigen oder relativieren soll.
    Bis zur Außerdienststellung im Jahre 1991 waren 916 Starfighter bei der Bundesluftwaffe im Einsatz. 292 davon gingen durch Unfälle verloren. Einschließlich des letzten Unfalls im Jahre 1984 verunglückten 116 Piloten tödlich, davon 108 Deutsche und 8 US- Amerikaner.

    www.youtube.com/watch?v=iwENP6cb_Sg

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    Mittwoch, 8. September 2021, 16:31

    RE: Der Starfighter- Skandal

    Einer der größten politischen Skandale der Bundesrepublik Deutschland in den 60er Jahren, wenn nicht sogar der größte, war die sogenannte "Starfighter- Affäre", die sich durch die Umstände der Beschaffung des Abfangjägers Lockheed F- 104 Starfighter und seine Folgen entwickelte.


    Der deutsche Film "Starfighter - Sie wollten den Himmel erobern" von 2015 bringt diesen Skandal gut recherchiert und überzeugend rüber. Im erste Teil des Films steht der Pilotenalltag im Mittelpunkt, der zweite Teil beschäftigt sich dann mit den Fliegerwitwen und der Klage gegen Lockheed. Ein sehr emotionaler aber doch kein kitschig wirkender Film. Als Kind und Jugendlicher hatte ich die Starfighter ja noch über die Lahnwiesen donnern sehen und hören können. Aber auch ohne diesen Hintergrund ist der Film recht empfehlenswert und die Darstellung der korrupten Politik ist auch heute leider noch zutreffend. Die Produkte, Politiker und Konzerne haben sich geändert, die Korruption nicht.

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    Mittwoch, 8. September 2021, 21:06

    Starfighter - Sie wollten den Himmel erobern

    Der von dir beschriebene Fernsehfilm (den ich meine gesehen zu haben) wird derzeit zwar auf yt beworben, ist dort aber momentan nicht abrufbar. Gefunden habe ich noch eine weitere interessante Doku zum Thema vor allem aus technisch- militärischer Sicht:

    www.youtube.com/watch?v=JoISG5Jz6i4