•         *[Home] *[Fernsehen] *[Bücher] * [Comics] *[Musik] *[Alltag] * [Zeitgeschichte] *[Über mich]

    Sie sind nicht angemeldet.

    Lieber Besucher, herzlich willkommen bei: Das waren noch Zeiten!. Falls dies Ihr erster Besuch auf dieser Seite ist, lesen Sie sich bitte die Hilfe durch. Dort wird Ihnen die Bedienung dieser Seite näher erläutert. Darüber hinaus sollten Sie sich registrieren, um alle Funktionen dieser Seite nutzen zu können. Benutzen Sie das Registrierungsformular, um sich zu registrieren oder informieren Sie sich ausführlich über den Registrierungsvorgang. Falls Sie sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt registriert haben, können Sie sich hier anmelden.

    1

    Montag, 30. August 2021, 14:50

    Die Reformära der Regierung Brandt - erfolgreich oder gescheitert ?

    Willy Brandts Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 erinnerte zumindest in Teilen an die Rede J.F. Kennedys über den "Aufbruch zu neuen Grenzen", und tatsächlich hatte der frisch ins Amt gewählte Bundeskanzler den jungen amerikanischen Präsidenten bewundert und übernahm einiges von seinem Politikstil.
    Brandt präsentierte in seiner Rede ein ganzes Füllhorn an Versprechungen der sozialliberalen Koalition, die er in griffige Schlagworte kleidete. Der frischgebackene Kanzler rückte Reformen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Technologie an die erste Stelle seiner Vorhaben, dazu kamen umfangreiche Reformen des Strafrechts. Seine Leitbegriffe lauteten "Mitverantwortung", "Mitbestimmung", "Soziale Demokratie", "Partizipation", "Überwindung überkommener Hierarchien", "Gleichheit der Lebenschancen" sowie generell eine sämtliche Dimensionen übergreifende Modernisierung. Hehre Ziele also, die noch dazu perfekt in die Aufbruchsstimmung und den Zeitgeist der ausgehenden 60er Jahre paßten. Dahinter stand natürlich auch, daß diese Art von Reformpolitik die bundesdeutsche Gesellschaft gegen die neomarxistische Re- Ideologisierung durch Teile der deutschen Studentenschaft immunisieren sollte. Es war ein Angebot an die junge, kritische Generation, die liberale Demokratie der Bundesrepublik anzunehmen und auf evolutionärem Wege ständig zu verbessern, statt ihr Reformunfähigkeit zu unterstellen und Zuflucht bei revolutionären "Systemveränderern" zu suchen.
    Infolge wurde eine Vielzahl von Organisationen, Räten, Gremien und Gesprächskreisen gebildet, wobei alle Fäden im Bundeskanzleramt zusammenliefen, wo der damals noch junge Horst Ehmke als neuer Chef im Rang eines Ministers agierte. Ehmke durchforstete das Amt in der ihm eigenen willensstarken wie auch naßforschen Art und organisierte es völlig neu als Schaltzentrale der Macht. Er stockte es personell erheblich auf und schwang sich zu einer Art "Oberminister" auf. Ganz zum Unmut seiner Kollegen Karl Schiller und Helmut Schmidt, die sich wiederum als "Stars" der neuen Regierung betrachteten und sich darüber hinaus auch untereinander nicht grün waren.
    Die von Ehmke ausgebaute Planungsabteilung, die ganz im Stil der Zeit mit Hilfe modernster EDV- Methoden den Reformschwung ressortübergreifend orchestrieren sollte, bezeichnete Helmut Schmidt boshaft als "Kinderdampfmaschine". Ehmke dazu in der späteren Rückschau: "Wir gingen guten Mutes, teilweise aber auch ziemlich naiv ans Werk...Bald wurde uns klar, daß das, was wir uns vorgenommen hatten, sehr viel schwieriger zu verwirklichen sein würde, als wir gedacht hatten".
    Wie verlief nun die Politik der inneren Reformen, und welche Ergebnisse zeitigte sie ?
    Bereits am 18. Juni 1970 billigte der Deutsche Bundestag, daß das aktive Wahlrecht von bisher 21 auf 18 Jahre herabgesetzt wurde. Ein weitgehender Konsens herrschte auch über die qualitative Erneuerung des Bildungswesens, doch ging von diesem Thema bald eine verbissene Politisierung aus, die fast ein Jahrzehnt lang zu einem "bildungspolitischem Dauerkrieg" führen sollte. Am 13. Februar 1970 wurde von der Bildungskommission des Deutschen Bundestages ein "Strukturplan für das Bildungswesen" vorgelegt, der eine verstärkte Durchlässigkeit zwischen Haupt- und Realschule sowie dem Gymnasium vorsah. Der Regierung ging dieser Plan jedoch nicht weit genug, sie forderte noch mehr Chancengleichheit und Emanzipation, und sah den goldenen Weg dazu in der Errichtung von zahlreichen Gesamtschulen und Gesamthochschulen. Konservative Unionspolitiker wie Karl Carstens sahen darin die teuflische Ausgeburt einer "kommunistisch- soziologischen Ideologie". Der Streit darüber schwelte noch viele Jahre, auch gab es keinen eindeutigen Sieger, sondern im Endresultat einen durch den bundesdeutschen Föderalismus bedingten bildungspolitischen Flickenteppich.
    Auch an den Hochschulen schlugen die Wellen zu dieser Zeit sehr hoch, da die althergebrachte Ordinarienuniversität nun durch die auf dem Prinzip stärkerer Mitbestimmung beruhende Gruppenuniversität abgelöst wurde. Eine damals nicht bedachte Kehrseite dieser Medaille war, daß Demokratisierung auch in einen ausgesprochenen Gruppen- Egoismus umschlagen konnte und dies auch tatsächlich in den Folgejahrzehnten passierte.
    Ob eine massive Expansion der Bildungseinrichtungen (siehe den entsprechenden Blog in diesem Forum) zwangsläufig zu Qualitätseinbußen in Forschung und Lehre führen muß, mag man je nach politischer Ausrichtung bejahen oder verneinen. Immerhin erhöhte das am 1. September 1971 eingeführte BAFÖG die Chancen für jene, die bisher vielleicht sozial unterprivilegiert, aber deshalb nicht weniger begabt als junge Menschen aus anderen gesellschaftlichen Schichten waren.
    Insgesamt wurden die sozialpolitischen Aktivitäten in ihrer Gesamtheit geradezu ruckartig gesteigert. Die Jahre von 1969 bis 1974 stechen als die "Phase der größten Beschleunigung wohlfahrtsstaatlicher Expansion" ins Auge. Die Eindämmung sozialer Ungleichheiten gerieten zum Kernstück der sozialliberaler Reformen. Zu diesen gehörten : 1. erhöhter Arbeitsschutz und Abeitssicherheit sowie der Anspruch auf Vorsorgeuntersuchungen, 2. die Dynamisierung der Kriegsopferversorgung, 3. die Erweiterung der Krankenversicherung auf Landwirte und Studenten, 4. eine umfangreiche Steuerreform. Letztere geriet allerdings nicht, wie angekündigt, zum "Jahrhundertwerk", sondern nur zu begrenzten Umverteilungen im Rahmen des bereits bestehenden Systems, und 5. die Rentenreform von 1972.
    Insgesamt stieg das "Budget für Soziales" in den Jahren zwischen 1970 und 1975 um mehr als ein Drittel, und es begann die Phase des großen Geldausgebens ausgerechnet zu einer Zeit, als sich die langanhaltende Hochkonjunktur mit sprudelnden Steuereinnahmen dem Ende zuneigte und in eine handfeste Wirtschaftskrise mündete. Besonders deutlich wurde das an der Rentenreform von 1972. Das allgemeine Rentenniveau erhöhte sich kräftig, eine Mindestrente wurde eingeführt, ebenso die flexible Altersgrenze ab 63 Jahren, und die Rentenversicherung öffnete sich nun auch für Selbständige und Hausfrauen. Diese Reform stieß naturgemäß bei der Bevölkerung auf große Zustimmung, hinterließ jedoch langfristig enorme Finanzierungsprobleme, da man in den frühen 70er Jahren noch von einem stetigen Wirtschaftswachstum bei andauernder Vollbeschäftigung ausging. Mit der Rentenreform von 1972 ist der Grundstein für die schädliche Abkoppelung der sozialen Leistungsansprüche von den finanziellen Leistungsmöglichkeiten des Staates gelegt worden.
    Völliges Neuland betrat die Bundesregierung mit den ersten Schritten einer aktiven Umweltpolitik. Bereits 1971 wurden Gesetze zum Schutz gegen Fluglärm und zur Verminderung der Luftverschmutzung verabschiedet, z.B. durch die Senkung des Bleigehaltes im Benzin. Zukunftsweisend waren auch die nun gültigen Grundsätze des Vorsorge- und Verursacherprinzips. Politische Maßnahmen wurden zunehmend auch auf Umweltverträglichkeit überprüft, die Umweltforschung wurde ausgebaut, und man zielte zunehmend darauf ab, daß Anfang der 70er Jahre eher noch schwach entwickelte Umweltbewußtsein breiter Bevölkerungskreise zu stärken.
    Das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 erleicherte den Gewerkschaften den Zugang zu den Betriebsräten. Ihre Rechte wurden nun in personellen und sozialen Angelegenheiten deutlich ausgeweitet. Ausgeklammert wurde dabei zunächst jedoch das Herzstück des neuen Gesetzes: die Arbeitnehmermitbestimmung. Erst im März 1976 wurde im Bundestag angesichts der ersten Wirtschaftskrise ein Kompromißentwurf verabschiedet.
    Spätestens mit dem Beginn der Ölkrise Ende 1973 überschnitt sich das Ende der Hochkonjunktur mit der Reformpolitik der sozialliberalen Bundesregierung, der nun buchstäblich das Geld ausging. Auf den Weg gebracht wurden nun zunehmend nur noch "Reformen, die nichts kosteten". Die Kluft zwischen den großen Versprechungen und der Realität vergrößerte sich, so konnten Enttäuschungen nicht ausbleiben, die auch in eine Reihe von Ministerrücktritten mündeten. Doch bereits von Anfang an hätte den Reformern klar sein müssen, daß die jeweilige wirtschaftliche Gesamtlage die Achillesferse der "Politik der inneren Reformen" war. Hinzu kam, daß die Auswirkungen des nicht endenden Vietnamkrieges die europäische Währungsstabilität ab 1970 massiv beeinträchtigte. Im August 1971 kündigten die US- Amerikaner praktisch das seit 1944 bestehende Weltwährungssystem von Bretton Woods, indem sie endgültig von der Golddeckung des US- Dollars abrückten. Daraufhin gaben die Europäer die Wechselkurse ihrer jeweiligen Landeswährungen gegenüber dem Dollar im März 1972 frei. Die Folge waren steigende Inflationsraten und Verbraucherpreise sowie ein stetig wachsendes Haushaltsdefizit. Die finanziellen Spielräume für die bundesdeutsche Reformpolitik wurden seit dieser Zeit zunehmend enger.
    Zieht man ein Gesamtfazit, so muß festgestellt werden, daß vieles von der "Politik der inneren Reformen" Stückwerk blieb. Verschiedene "Filter", z.B. in Form einer starken politischen Opposition, verlangsamten die Ära der Reformpolitik oder blockierten sie sogar. Ganz besonders negativ wirkte sich die beginnende Finanzkrise des Staates aus. Trotz aller Fehlschläge und Fehlentwicklungen brachte die Ära der sozialliberalen Reformen dem Land dennoch einen beachtlichen Demokratisierungs- und Modernisierungsschub, von dem auch der Autor dieses Beitrags zunächst im Jahre 1973 durch seinen Wechsel von der Realschule zum Gymnasium profitieren konnte. Ein Wechsel, der wenige Jahre zuvor in dieser Form noch nicht möglich gewesen wäre :thumbup: .

    2

    Dienstag, 31. August 2021, 17:33

    Brandt und JFK

    Es gibt Fotos (sogar eine Postkarte, die ich mir 2015 in Berlin kaufte) von Willy Brandt und JFK. Er muss bereits im Juni 1963 bei JFK's Besuch in Berlin ("Ich bin ein Berliner") in der Politik gewesen sein.

    3

    Dienstag, 31. August 2021, 18:11

    Willy in Berlin

    Willy Brandt war zwischen 1957 und 1969 Regierender Bürgermeister von West- Berlin, bevor er 1969 der erste sozialdemokratische Kanzler der Bundesrepublik wurde. Bis 1987 war er ebenfalls SPD- Parteivorsitzender.