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    Samstag, 28. August 2021, 14:38

    Die Bundespräsidentenwahl von 1969 und ihre Vorgeschichte

    Ursprünglich wären die Bundestagswahlen und die Bundespräsidentenwahl von 1969 zeitlich fast zusammengefallen, wenn nicht Bundespräsident Heinrich Lübke vor Ablauf seiner eigentlichen Amtszeit vorzeitig aufgegeben hätte. Über Lübkes letzten Amtsjahren lag "ein Hauch von Tragik". Er litt unter altersbedingten Ausfallerscheinungen, und infolge seiner nachlassenden Gedächtnisleistungen kam es immer häufiger zu peinlichen Versprechern und teilweise zu völlig mißglückten Auftritten. Weite Teile insbesondere der Linkspresse verloren bald jegliche Hemmungen und gaben, allen voran der "Spiegel", den Bundespräsidenten der Lächerlichkeit preis. Bundeskanzler Kiesinger setzte schließlich durch, daß die Neuwahl bereits im Frühjahr 1969 sttattfinden sollte und daß Lübke vier Wochen später zurücktreten werde.
    Bei der SPD kursierten mehrere Kandidatenvorschläge, darunter neben dem heute weitgehend vergessenen hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn und Carlo Schmid auch Georg "Schorsch" Leber. Vieles sprach für Leber. Er stand als Gewerkschafter für die Integration der Arbeiter in die Bundesrepublik, galt als sehr umgänglich, war darüber hinaus praktizierender Christ und Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken.
    Die Favoriten der CDU waren dagegen Walter Hallstein, Ludwig Erhard ,der als ausgesprochener Liebling der FDP galt, Eugen Gerstenmaier ,um den sich allerdings ein politischer Skandal abzuzeichnen begann, sowie Richard von Weizsäcker und der amtierende Verteidigungsminister Gerhard Schröder. Wirkliche Aussichten auf Erfolg hatten nur Schröder und von Weizsäcker. In einer parteiinternen Kampfabstimmung siegte Schröder weit überlegen vor Weizsäcker, der jedoch für die reformorientierte FDP der völlig falsche Mann war, da er vor dem Hintergrund der 68er Kulturrevolution als zu konservativ galt.
    Ein Pakt der SPD mit der CDU schied schließlich bei der anstehenden Bundespräsidentenwahl aus und somit auch der Spitzenkandidat der SPD, Georg Leber. "Die Konstellation", so Willy Brandt in seinen späteren Erinnerungen, "sprach für Heinemann". Der 1899 geborene Justizminister der Großen Koalition war in der SPD mittlerweile ebenso beliebt, wie er in der Union seit jeher verhaßt war. Ob ein Mann, der schon drei (!) Parteikarrieren durchlaufen hatte, nämlich in der CDU, der GVP und der SPD, für das höchste Staatsamt qualifiziert erschien, bezweifelten die Christdemokraten in einer öffentlichen Anti- Heinemann Kampagne. Weil Heinemann zusätzlich aus der Friedensbewegung kam, unterstellten ihm konservative Kreise ein gebrochenes Verhältnis zur Bundeswehr. Weil er mit der Strafrechtsreform auch das Sexualstrafrecht reformiert hatte, hielten ihm manche vor, "alle Schweinereien von Strafe freizuhalten".
    Heinemann traf dagegen den damaligen Nerv vieler Liberaler außerhalb des Kreises der Nationalliberalen um Erich Mende. Ihm eilte der Ruf voraus, Verständnis für Teile der rebellierenden Jugend zu haben, und seine Nominierung konnte somit versöhnend wirken. Er galt als geradlinig, unbeirrt, hielt den Staat nicht für ein höheres Wesen, lehnte Untertanengesinnung ab, schätzte freiheitliche Traditionen und staatsbürgerliches Selbstbewußtsein. Kurz: er wollte "Bürgerpräsident" und nicht "Staatsoberhaupt" sein und paßte somit von seiner Grundhaltung einigermaßen perfekt in die bundesdeutsche Umbruchssituation der späten 60er und frühen 70er Jahre.
    Doch nicht alle dachten so wie der Kreis der FDP- Reformer um Walter Scheel, Mischnick und Weyer. Am Abend vor der Bundespräsidentewahl am 5. März 1969 ging es bei den Probeabstimmungen der FDP- Wahlmänner hoch her. Anfangs kamen für Gerhard Schröder immer noch so viele Stimmen zusammen, daß er Heinemann ohne weiteres geschlagen hätte. Erst in der dritten Probeabstimmung reichte es für Heinemann.
    Tags darauf wurde es dennoch noch einmal spannend. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik waren drei Wahlgänge vonnöten, um einen neuen Bundespräsidenten zu wählen. SPD und FDP waren letztendlich zusammengerückt.
    Heinemanns Antrittsrede vom 1. Juli 1969 ließ aufhorchen, da sie für einen Bundespräsidenten sehr eindeutige politische Statements erhielt: " Einige hängen immer noch am Obrigkeitsstaat. Er war lange genug unser Unglück und hat uns zuletzt in das Verhängnis des Dritten Reiches geführt...Wir stehen erst am Anfang der ersten wirklich freiheitlichen Periode unserer Geschichte. Freiheitliche Demokratie muß endlich das Lebenselement unserer Gesellschaft werden... Überall müssen Autorität und Tradition sich die Frage nach ihrer Rechtfertigung gefallen lassen... Nicht weniger, sondern mehr Demokratie, das ist das große Ziel, dem wir uns alle und zumal die Jugend verschrieben haben. Es gibt schwierige Vaterländer. Eines davon ist Deutschland. Aber es ist unser Vaterland".
    Bereits wenige Tage nach seiner Wahl hatte Heinemann in einem aufsehenerregenden Interview mit der "Stuttgarter" Zeitung" davon gesprochen, es habe sich jetzt "ein Stück Machtwechsel" vollzogen. Seinen Anhängern kam das bald Berühmtheit erlangende Wort alles andere als gelegen, denn die Bundestagswahlen standen noch bevor, und mit Mühe und Not sollte die FDP, die als "Zünglein an der Waage" galt, die magische Fünfprozenthürde überwinden.

    www.youtube.com/watch?v=Sh9wkkSaQ8M