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    Donnerstag, 26. August 2021, 13:56

    Die Jaspers- Kontroverse

    Anlaß, Verlauf und vorläufiger Ausgang der heute weitestgehend in Vergessenheit geratenen "Jaspers- Kontroverse", die fast genau ein Jahr vor dem Bau der Berliner Mauer, im Sommer 1960 ausgetragen wurde, waren sowohl sehr bezeichnend für das damalige politische Klima als auch für die Denkmuster von zahlreichen Politikern, die in den nachfolgenden 70er und 80er Jahren die Geschicke unseres Landes leiteten.
    Worum ging es ? Der deutsche Philosoph Karl Jaspers brach eines der damals stärksten Tabus der noch jungen Bundesrepublik Deutschland, indem er in einem langen ARD - Fernsehinterview den Vorrang der individuellen Freiheit vor dem Anspruch auf die deutsche Wiedervereinigung einforderte. Es habe "keinen Sinn mehr, deutsche Einheit zu propagieren, sondern es hat nur einen Sinn, daß man für unsere Landsleute wünscht, sie sollen frei sein". Der Bismarck- Staat des Deutschen Reiches sei unwiederbringlich vorüber. "Nur die Freiheit- darauf kommt es an. Wiedervereinigung ist demgegenüber gleichgültig". Was im 19. Jahrhundert sinnvoll gewesen sei, habe das Dritte Reich für immer und ewig verspielt. Alle Deutschen müßten sich dieser Einsicht, daß ihr Anspruch auf nationale Einheit durch Hitler verwirkt worden sei, endlich stellen. Die Bundesrepublik Deutschland sei im Jahre 1960 längst kein Provisorium mehr, halte aber dennoch an einem illusionären Deutschlandgedanken fest.
    Wie im Jahre 1960 nicht anders zu erwarten war, schlug das Jaspers- Interview in der bundesdeutschen Öffentlichkeit ein wie eine Bombe. Praktisch auf allen gesellschaftlichen Ebenen stieß Jaspers mit seinen Aussagen auf vehemente Ablehnung und wurde sogar des Vaterlandsverrats bezichtigt. Doch Jaspers Ansichten waren durchaus nicht nur philosophischer, sondern auch politischer Art. Seine Hypothese eines "freien" zweiten deutschen Staates im Osten lief auf eine Art Österreich- Lösung hinaus. Darüber ließ sich diskutieren. Was so großen Anstoß erregte, war stattdessen der provokante ethisch- moralische Zug, den er in sein Interview einbrachte. Jaspers machte die Deutschen selbst für die Teilung ihres Landes verantwortlich. Und nicht nur das, er sah das Auseinanderbrechen des Bismarckstaates als nur allzu gerechte Strafe für die Herbeiführung der Weltkatastrophe durch das Dritte Reich. Wer jegliches Recht vernichtet hatte, dem stand es nach Ansicht des Philosophen überhaupt nicht zu, aus der fernen Vergangenheit noch irgendwelche Rechtsansprüche abzuleiten. Konsequent weitergedacht, durfte dann nicht einmal mehr einer nachgewachsenen Generation der Gedanke einer deutschen Wiedervereinigung ein ernsthaftes Anliegen sein.
    Wie niemals zuvor seit der Entstehung der Bundesrepublik im Jahre 1949 stand der deutsche Nationalstaat von 1871 bis 1945 in der Schußlinie der Kritik eines damals sehr prominenten Philosophen.

    www.youtube.com/watch?v=nPRXef5GJxQ