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    Sonntag, 22. August 2021, 15:36

    Von der Internationalisierung der 68er Bewegung durch die "Neue Linke"

    War die sogenannte "68er Bewegung" im wesentlichen ein deutsches oder europäisches Phänomen ? Auf keinen Fall. Es handelte sich um eine ausgesprochene Bewegung der "westlichen Welt", und ihre Wurzeln reichen bis zur Entstehung der sog. "Neuen Linken" in den frühen 60er Jahren zurück.
    Zu Anfang des hier besprochenen Jahrzehnts hatte es in London, Paris, Rom, der Bundesrepublik und insbesondere an amerikanischen Universitäten, z.B. in Berkeley (Kalifornien), verschiedene dissidente intellektuelle Zirkel gegeben, die sich als "Neue Linke" zu formieren begannen. Neu an dieser "Neuen Linken" war, daß sie sich sowohl von den Reformbemühungen der westlichen demokratischen Wohlfahrtsstaaten als auch von den etablierten kommunistischen Einparteien- Diktaturen distanzierte.
    Ziel dieser Gruppierungen war, keine neuen politischen Parteien zu gründen, sondern auf "Bewegung und Aktion" als Träger eines sozialen Wandels zu setzen. Als "revolutionär" galt plötzlich nicht mehr die Arbeiterklasse, sondern die junge akademische Intelligenz und einige unterdrückte gesellschaftliche Randgruppen.
    In den USA fochten die "Students for a Democratic Society" vor allem für eine Basisdemokratie und gegen die Rassentrennung. Bald jedoch rückte der Protest gegen den eskalierenden Vietnamkrieg in den Mittelpunkt. Der "March on Washington for Peace in Vietnam" im April 1965 war die erste große Kundgebung gegen diesen Krieg, der breite studentische Kreise mobilisierte. Pikanter Hintergrund war auch, daß in den USA damals noch die Wehrpflicht bestand und viele junge Männer einfach keine Lust dazu hatten, in einen fragwürdigen asymmetrischen Krieg hineingezogen zu werden. Gleichzeitig standen die USA auf dem Gipfel der Hochkonjunktur , und vielen jungen amerikanischen Hochschulabsoventen winkten nach ihren Abschlüssen ganz im Gegensatz zu heute attraktive Jobs in zahlreichen Berufsfeldern.
    Die entsprechende politische Gruppierung in der Bundesrepublik war der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS), der über lange Jahre eher als eine Art Durchgangsstation für eine Parteikarriere in der SPD gegolten hatte. Durch die zunehmende Radikalisierung des SDS verstieß die SPD den hier organisierten akademischen Nachwuchs bereits 1961 aus der Partei.
    Die Verbindung zwischen der amerikanischen und der deutschen "Neuen Linken" stellte insbesondere der an der Universität von San Diego (Kalifornien) lehrende Herbert Marcuse her, der seit 1932 mit dem von Max Horkheimer geleiteten "Institut für Sozialforschung" in Frankfurt verbunden war. Insbesondere Marcuse, Horkheimer und Theodor W. Adorno bezeichneten den dezidierten Widerstand gegen den Vietnamkrieg als eine "moralische Pflicht". Alle drei wurden durch ihre "Kritische Theorie" von großer Bedeutung für die Studentenbewegung, allerdings wurden sie oft nur verkürzt rezipiert, und oft begnügte man sich lediglich mit übernommenen Schlagworten. Denn die brisante Mischung aus Marxismus und Psychoanalyse schlug nicht wenige Studenten in ihren Bann, auch wenn es oft am gesamtinhaltlichen Verständnis mangelte.
    Adornos politische Wirkung war erheblich, doch auch dieser entschiedene Kritiker der spätbürgerlichen Gesellschaft fiel bei Teilen der Protestbewegung in Ungnade. Denn radikale Vertreter der deutschen APO (Außerparlamentarischen Oppostion) verlangten von dem Professor schonungslos den konkreten revolutionären, die alten Fundamente zerstörenden antibürgerlichen Aufstand. Solcher "Aktionismus" lag jedoch Adorno völlig fern. Was an den Universitäten zunächst mit durchaus informativen "Sit- Ins" und "Teach- Ins" begonnen hatte, wuchs sich allmählich immer mehr zu radikaler Randale aus, bis hin zu einem regelrechten Psychoterror gegen unliebsame Dozenten. Einen dieser damals an der FU Berlin lehrenden Dozenten hat der Verfasser dieser Zeilen selbst vor einigen Jahren kennengelernt und sah die vorstehenden Ausführungen durch diesen in vollem Umfang bestätigt.
    In Frankreich erreichten 1968 die Proteste ein Ausmaß, das andere Länder nicht kannten. Hier kam es im Mai zu einer Allianz zwischen den Studenten und der französischen Arbeiterschaft und zu einem Generalstreik, an dem sich ca. neun Millionen Menschen beteiligten und von dem die deutsche Studentenbewegung nur träumen konnte.
    Neben ihren internationalen antikapitalistischen Wurzeln speiste sich die 68er Bewegung in der Bundesrepublik aus drei eher nationalen Wurzeln: der vehementen Kritik an der althergebrachten Ordinarienuniversität, dem Protest an der "Großen Koalition" mit ihrer Notstandsgesetzgebung sowie an der Auseinandersetzung mit ihrer Elterngeneration, der sie eine erhebliche Mitschuld an der NS- Vergangenheit vorwarf.
    Der Kampf gegen die Notstandgesetze bildete den eigentlichen Höhepunkt der 68er Bewegung in Westdeutschland . Trotz mancher Übertreibungen verschärfte sich durch diese Aktionen durchaus der Sinn breiter Bevölkerungskreise für ihre demokratischen Grundrechte. Es gelang der Schulterschluß der "Bewegung" mit zahlreichen Intellektuellen, nicht jedoch mit den damaligen Gewerkschaften, denn der häufig arrogant- herablassende Tonfall, oft verbunden mit Obzönitäten, stießen weite Teile der deutschen Arbeiterschaft und ihrer Vertreter eher ab.
    Nachdem der Bundestag die Notstandsgesetze verabschiedet hatte, zerfielen die APO und die Studentenbewegung außergewöhnlich rasch. Aus dem SDS, dessen Restorganisation sich im März 1970 auflöste, und aus der gesamten Bewegung entwickelten sich in den Folgejahren vier Grundrichtungen:
    1. eine reformorientierte, die ihre Hoffnung auf die im Herbst 1969 neugewählte sozialliberale Regierung unnter Willi Brandt setzte,
    2. ein kleiner, eher traditionell kommunistischer Seitenarm, dessen Anhänger in die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) wanderten,
    3. eine Vielzahl noch kleinerer neoleninistischer, maoistischer oder sonstiger kommunistischer Kadergruppen, die sich oft spinnefeind gegenüberstanden,
    4. ein radikaler, gewalttätiger und offen terroristischer Zweig unter Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin. Im Mai 1970 erfolgte die Gründung der "Rote Armee Fraktion" , deren Aktionen in den 70er Jahren durch ihre blutigen Anschläge das politische Klima in der Bundesrepublik vergifteten.
    Die Anschläge der RAF haben "1968" nachhaltig in Deutschland diskreditiert. Es wäre allerdings verfehlt, die Gesamtbewegung nur aus dem Blickwinkel zu interpretieren, den ihr eine winzige Minderheit verliehen hat.

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    Montag, 23. August 2021, 21:04

    RE: Von der Internationalisierung der 68er Bewegung durch die "Neue Linke"

    Ich kann da einen hervorragenden Roman von James Jones empfehlen, "Mai in Paris".
    https://www.amazon.de/-/en/James-Jones/d…&s=books&sr=1-1

    In Frankreich erreichten 1968 die Proteste ein Ausmaß, das andere Länder nicht kannten. Hier kam es im Mai zu einer Allianz zwischen den Studenten und der französischen Arbeiterschaft und zu einem Generalstreik, an dem sich ca. neun Millionen Menschen beteiligten und von dem die deutsche Studentenbewegung nur träumen konnte.
    Neben ihren internationalen antikapitalistischen Wurzeln speiste sich die 68er Bewegung in der Bundesrepublik aus drei eher nationalen Wurzeln: der vehementen Kritik an der althergebrachten Ordinarienuniversität, dem Protest an der "Großen Koalition" mit ihrer Notstandsgesetzgebung sowie an der Auseinandersetzung mit ihrer Elterngeneration, der sie eine erhebliche Mitschuld an der NS- Vergangenheit vorwarf.
    Der Kampf gegen die Notstandgesetze bildete den eigentlichen Höhepunkt der 68er Bewegung in Westdeutschland . Trotz mancher Übertreibungen verschärfte sich durch diese Aktionen durchaus der Sinn breiter Bevölkerungskreise für ihre demokratischen Grundrechte. Es gelang der Schulterschluß der "Bewegung" mit zahlreichen Intellektuellen, nicht jedoch mit den damaligen Gewerkschaften, denn der häufig arrogant- herablassende Tonfall, oft verbunden mit Obzönitäten, stießen weite Teile der deutschen Arbeiterschaft und ihrer Vertreter eher ab.
    Nachdem der Bundestag die Notstandsgesetze verabschiedet hatte, zerfielen die APO und die Studentenbewegung außergewöhnlich rasch. Aus dem SDS, dessen Restorganisation sich im März 1970 auflöste, und aus der gesamten Bewegung entwickelten sich in den Folgejahren vier Grundrichtungen:
    1. eine reformorientierte, die ihre Hoffnung auf die im Herbst 1969 neugewählte sozialliberale Regierung unnter Willi Brandt setzte,
    2. ein kleiner, eher traditionell kommunistischer Seitenarm, dessen Anhänger in die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) wanderten,
    3. eine Vielzahl noch kleinerer neoleninistischer, maoistischer oder sonstiger kommunistischer Kadergruppen, die sich oft spinnefeind gegenüberstanden,
    4. ein radikaler, gewalttätiger und offen terroristischer Zweig unter Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin. Im Mai 1970 erfolgte die Gründung der "Rote Armee Fraktion" , deren Aktionen in den 70er Jahren durch ihre blutigen Anschläge das politische Klima in der Bundesrepublik vergifteten.
    Die Anschläge der RAF haben "1968" nachhaltig in Deutschland diskreditiert. Es wäre allerdings verfehlt, die Gesamtbewegung nur aus dem Blickwinkel zu interpretieren, den ihr eine winzige Minderheit verliehen hat.