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    Donnerstag, 19. August 2021, 14:57

    Sommer 1967: Der Besuch des Schah von Persien in Deutschland und seine Folgen

    Das Jahr 1967 war für mich eine Zeit entscheidender Weichenstellungen. Meine Grundschulzeit war im Dezember 1966 ausgelaufen, und im ersten Halbjahr 1967 fand ich mich wegen des vorangegangenen Kurzschuljahres unversehens in einem "Übergangshalbjahr" der örtlichen Volksschule wieder. Meine Eltern hatten angedacht, mich noch vor den Sommerferien ´67 in einem Gymnasium anzumelden, ihnen wurde aber seitens meiner Klassenlehrerin Eva- Maria K. davon abgeraten, da dort die Leistungsanforderungen jener Jahre noch extrem hoch waren. Zahlreiche meiner Mitschüler, die von dort bereits nach einem Jahr wieder "gegangen wurden", bestätigten ihre Einschätzung. Es blieb dann für die nächsten sechs Jahre bei der weiterführenden "Realschule für Jungen", die mir auch bereits einiges abverlangte :| .
    Einiges abverlangt wurde auch den West- Berlinern im Sommer 1967. Die dortigen studentischen Proteste hatten schon einige Jahre angedauert. Die Freie Universität (FU) Berlin war mittlerweile bekannt dafür, daß dort immer wieder verschiedene, meist hochschulinterne Auseinandersetzungen aufflackerten. Auch waren politische Demonstrationen gegen den Krieg der US- Amerikaner in Vietnam an der Tagesordnung, ebenso wie 1965 Demonstrationen gegen eine Werbewoche der Republik Südafrika, deren politische Führung damals noch das Prinzip der Apartheid verfocht.
    Im großen und ganzen waren all diese Proteste bisher weitgehend gewaltfrei verlaufen. Doch dann kam der Tag des 2. Juni 1967. An diesem Tag besuchte der persische Schah Reza Pahlevi, der sich seit einigen Tagen auf Staatsbesuch in Deutschland aufhielt, West- Berlin. Der Kaiser und seine Frau waren zur damaligen Zeit die Lieblinge der Regenbogenpresse, die jedoch die autokratischen Züge des persischen Regimes und die damit verbundenen "Nebenerscheinungen" wie Folterungen etc. weitgehend ausklammerte. Deutsche Studenten und zahlreiche in Deutschland lebende Exil- Iraner protestierten dagegen, daß dem persischen Alleinherrscher, der von den USA politisch, militärisch und finanziell unterstützt wurde, in der Bundesrepublik auch noch der rote Teppich ausgerollt werden sollte. Der Schah wiederum, dem im vorhinein bereits von möglichen "Widerständen" in Deutschland berichtet wurde, hatte zu seinem persönlichen Schutz vorsorglich eine vielköpfige Gruppe von Leibwächtern mitgebracht, die sich aus Angehörigen seiner gefürchteten Geheimpolizei SAVAK rekrutierte.
    Bereits während des offiziellen Empfangs im Schöneberger Rathaus hatten die SAVAK- Angehörigen, die im Volksmund später halbironisch als "Prügelperser" bezeichnet wurden, auf Demonstranten eingeknüppelt, die Slogans wie "Schah- Mörder !" skandierten.
    Am Abend besuchte das persische Herrscherpaar eine Galaaufführung von Mozarts "Zauberflöte" in der Deutschen Oper. Wieder befanden sich zahlreiche Demonstranten vor dem Gebäude, und erneut schlugen die persischen Leibwächter mit Knüppeln und Holzlatten auf sie ein, diesmal auch unterstützt von der Berliner Polizei. Schließlich brach auf beiden Seiten allmählich Panik aus, Menschen stürzten, darunter auch der 26- jährige Student Benno Ohnesorg, der zum ersten Mal an einer "Demo" teilnahm. Während er noch auf dem Boden lag, traf ihn aus ein bis zwei Metern Entfernung eine Polizeikugel tödlich in den Kopf. Der Schütze, ein Kriminalobermeister, behauptete später, daß sich der Schuß versehentlich gelöst hätte, während andere Zeugen dagegen meinten, daß der Polizist vorsätzlich und gezielt geschossen habe.
    Die zum Springer- Konzern gehörende "BZ" unterstellte in ihrer Reportage am nächsten Tag, daß Ohnesorg von einem Mitdemonstranten getötet worden sei, während der Schriftsteller Günter Grass voreilig von dem "ersten politischen Mord in der Bundesrepublik" sprach. Der Tod Benno Ohnesorgs wurde zum Auslöser für die in den Folgemonaten stattfindenden Studentenunruhen, die jetzt massenhaften Zulauf erhielten und die sich zunehmend radikalisierten.
    1967/68 erreichte die Polarisierung des Gesellschaft ein gefährliches Niveau. Der radikale Flügel der deutschen Studentenschaft glaubte damals, daß das "System" nicht mehr reformierbar sei und beseitigt gehöre, gleichzeitig beförderten gelegentliche polizeiliche Überreaktionen eine zunehmende Militanz der studentischen Aktionen. Gleichzeitig stauten sich bei vielen steuerzahlenden Bürgern die Aggressionen gegen die "Gammler und Krawallmacher", insbesondere in Berlin. Dort wurde die Situation immer explosiver, nachdem Studenten zunehmend alles "offiziell Amerikanische" verteufelten und dazu übergingen, die entsprechenden Einrichtungen wie Amerika- Häuser zu beschädigen.
    Im Anschluß an den "Internationalen Vietnam- Kongreß" vom 17./18. Februar 1968, zu dem der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) an die Technische Universität Berlin eingeladen hatte, zogen rund 15.000 Teilnehmer mit antiamerikanischen Transparenten, roten Fahnen und "Ho-Ho-Ho-Chi- Minh"- Rufen durch die Straßen Berlins. Drei Tage später veranstaltete der Berliner Senat unter seinem Regierenden Bürgermeister Heinrich Albertz (SPD) eine Gegenkundgebung, deren antikommunistisches Motto lautete: "Berlin darf nicht Saigon werden".
    Es ist hier nicht der Ort, auch noch auf die teilweise äußerst gewalttätig verlaufenden Osterkrawalle ´68 einzugehen, die insbesondere in West- Berlin, Frankfurt, München, Hamburg und einigen anderen Städten stattfanden. Vielmehr stellt sich die generelle Frage, wie sich die explosive Dynamik der Ereignisse von 1967/68 erklären läßt, die, auch das sei gesagt, nur von einer Minderheit der damaligen deutschen Studentenschaft (heutige Schätzungen gehen von deutlich unter zehn Prozent aus) mitgetragen wurden.
    Wolfgang Kraushaar, einer der profundesten Kenner der "68er-Geschichte", berichtet, daß sie ebenso außergewöhnlich kurz wie komplex gewesen sei. Zwar habe es eine längere "Inkubationszeit" gegeben, jedoch keine statische Entwicklung im eigentlichen Sinn, eher einen "eruptionsartigen Ausbruch" mit einem rasch erreichten Höhepunkt und einer schnellen Abwärtsbewegung des Zersplitterns und Auseinanderfallens.
    Die "Ideen von 1968" hat es als ideologische Einheit nie gegeben, allenfalls ein Konglomerat verschiedenster Ideen und Gedanken, die sich aus Marxismus, Kapitalismuskritik sowie aus Klassen- und Imperialismustheorien speisten.
    Was die "Kinder von Karl Marx und Coca Cola", wie Jean- Luc Godard sie bezeichnete, vor allem auszeichnete, war vor allem enorm viel Idealismus, oft verbunden mit einem reichlich weltfremden Dogmatismus. Viele alternative gesellschaftliche Gegenentwürfe dieser Jahre verbanden sich mit zahlreichen Absurditäten und erstaunlich vielen "blinden Flecken", insbesondere was die Leistungen einiger "politischer Vorbilder" wie Lenin, Stalin, Mao oder Che Guevara anging.

    www.youtube.com/watch?v=cHw0yASOg6c