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    Mittwoch, 18. August 2021, 13:05

    Die bundesdeutsche Wohlstandsexplosion der 60er und 70er Jahre

    "Die Deutschen sind heute weder besonders fleißig noch besonders militärfreundlich, weder sehr subaltern noch sonderlich romantisch. Wohl der entscheidende Wandel in den sozialen Werten, an denen Menschen ihr Verhalten orientieren, ist die Entdeckung des individuellen Lebenserfolgs und Lebensgenusses als Richtschnur des Handelns" (Ralf Dahrendorf, 1962).
    Von geradezu singulärer Bedeutung war die außergewöhnliche Steigerung des westdeutschen Wirtschaftswachstums und des Lebensstandards, die in den 60er Jahren geradezu einer "Wohlstandsexplosion" glich und die erst nach Mitte der 70er Jahre wieder allmählich abflachte. Aus historischer Sicht war dieser Wohlstandssprung einzigartig, nie zuvor hatte es weltweit eine Periode solch rasch steigender Breitenprosperität gegeben.
    Die "Wohlstandsexplosion" war deshalb auch der treibende Motor des "sozialen Wandels", keineswegs allein in der Bundesrepublik, sondern in praktisch allen westlichen Industriestaaten, aber seine Wirkungen waren vor dem Hintergrund der Ausgangslage in Deutschland wohl am stärksten. Die industrielle Nettoproduktion verdreifachte sich in der Bundesrepublik zwischen 1955 und den frühen 70er Jahren, die jährlichen wirtschaftlichen Wachstumsraten bewegten sich in diesem Zeitrahmen zwischen fünf und sieben Prozent, und die Arbeitslosenzahlen bewegten sich, abgesehen von dem Zeitraum der "Kleinen Rezession" 1966/67, auf historisch niedrigen Niveaus, so daß von Vollbeschäftigung und sogar von einem zeitweiligen Arbeitskräftemangel gesprochen werden kann, der u.a. zur Anwerbung von Millionen von ausländischen Gastarbeitern führte.
    Meinungsumfragen aus den Jahren 1969 und 1972 wiesen aus, daß rund sechzig bis siebzig Prozent der Befragten ihre damalige wirtschaftliche Lage als gut bis sehr gut beurteilten und lediglich zehn Prozent sie für schlecht hielten. Bereits seit dem zweiten Drittel der 50er Jahre machte das Pro Kopf- Volkseinkommen der Bevölkerung einen gewaltigen Sprung, der bis in die späten 70er Jahre anhielt. Nimmt man den gesamten Zeitraum der "alten Bundesrepublik" als Vergleichsmaßstab, so explodierte es in den vier Jahrzehnten zwischen 1949 und 1989, gerechnet in Preisen von 1989, von 8.600,- DM auf fast 36.000,- DM pro Kopf und Jahr.
    Dieser Einkommensanstieg verband sich zudem mit einer sukzessiven Abnahme des Arbeitsvolumens. Bereits Ende 1974 war für mehr als neunzig Prozent der durch Tarifverträge erfaßten Beschäftigten die Vierzigstundenwoche sowie die Fünftagewoche bei vollem Lohnausgleich erreicht, wobei infolge geleisteter Überstunden die tatsächliche Arbeitszeit allerdings oft höher lag.
    Bereits 1963 war das Bundesurlaubsgesetz in Kraft getreten, das den Beschäftigten drei Wochen jährlichen Mindesturlaub sicherte. So kam es in diesem Zeitrahmen nicht nur zu einem rapiden Zuwachs des Einkommens, sondern auch der Freizeit. Eine der Begleiterscheinungen dieser Entwicklung war der Reiseboom, der 1972/73 gleich zwei Schallmauern durchbrach. Mehr als die Hälfte aller Bundesbürger unternahm zumindest eine einwöchige Ferienreise, und mehr als die Hälfte der Urlauber reiste darüber hinaus ins Ausland.
    In nahezu sämtlichen Bereichen schlug die Verbesserung der materiellen Lage durch, so daß zur Kennzeichnung der bundesrepublikanischen Bevölkerung seit den 60er Jahren Begriffe wie "Massenwohlstand" und "Massenkonsum" zahlreiche Verwendung fanden. Wohlstand verbreitete sich in einem bis dahin unbekannten Ausmaß, und neue höherwertige Konsumgüter und Dienstleistungen wurden nun auch für breite Kreise der Bevölkerung erschwinglich. Wie bereits einige Jahrzehnte früher in den USA, so breitete sich in Europa und in der Bundesrepublik der Typus einer "Konsumgesellschaft" rasch aus. Sie ist gekennzeichnet durch die Entwicklung vom Mangel zum Überfluß, von der (relativen) Armut zum Wohlstand, von der Arbeit zu mehr Freizeit und von der Produktion zum Konsum. Ihre Kehrseite, und auch das soll nicht verschwiegen werden, sind massive Tendenzen zur "Wegwerfgesellschaft" und zu gravierender Umweltzerstörung, die vor allem in den 60er Jahren allerorten zu sehen war, vor allem an Flüssen, die zu Industriekloaken wurden, und an einer teils enormen Schadstoffbelastung der Luft.
    Produktivitätssteigerungen beruhten auf der Weiterentwicklung technischer Neuerungen, wodurch die moderne Konsum- und Alltagsgeschichte immer auch ein Stück Technikgeschichte ist. Am deutlichsten wurde das in dem hier beschriebenen Zeitrahmen an der "Automobilisierung" der Bevölkerung. Besaßen im Jahre 1955 gerade einmal sechs Prozent der bundesdeutschen Haushalte einen PKW, waren es 1973 bereits über fünfzig Prozent. Ähnlich atemberaubend verliefen die Steigerungsraten bei der zunehmenden Technisierung der Haushalte. Im Jahre 1955 verfügten immerhin 39 Prozent der Haushalte bereits über einen Staubsauger, 1962 waren es bereits 65 Prozent und im Jahre 1971 91 Prozent, womit eine annähernde Marktsättigung erreicht war. 1955 stand in nur zehn Prozent der Haushalte ein Kühlschrank, 1962 bereits in 52 Prozent und 1973 in 93 Prozent. Im Jahre 1973 waren bereits 87 % der bundesdeutschen Haushalte mit einem oder mehreren Fernsehern ausgestattet, so daß auch in diesem Bereich der Unterhaltungselektronik eine weitgehende Marktsättigung erreicht war.
    Auch die sukzessiven Verlierer der entstandenen Wohlstandsgesellschaft sollen nicht außer acht gelassen werden. Zwar bedrohte Armut in diesem Zeitrahmen nicht mehr das physische Überleben wie in vergangenen Zeiten, dennoch bestand Mangel und ein karges Dasein weiterhin für ca. eine halbe bis zu einer Million Bundesbürger weiterhin fort. Oft handelte es sich um um eine soziokulturell zu definierende Armut.
    Im Vergleich zu den Aufsteigergruppen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen sahen sich vor allem viele kleine und mittlere Bauern benachteiligt. Die Epoche zwischen 1959 und 1974 war auch eine Phase des massiven Wandels in den Agrarstrukturen, den viele eher städtisch orientierte Zeitgenossen kaum zur Kenntnis nahmen. Allein zwischen 1960 und 1971 verringerte sich zum Beispiel die Zahl der in der Agrarregion Westfalen- Lippe auf Bauernstellen Beschäftigten von 367.000 auf 184.000 Personen. Insgesamt wurden in der Epoche der "alten Bundesrepublik" zwischen 1949 und 1989 fast zwei Drittel aller landwirtschaftlichen Betriebe aufgegeben , so daß man heute durchaus von einer "stillen Revolution auf dem Lande" sprechen kann. Im gleichen Zeitraum verringerte sich die Zahl aller in der Landwirtschaft Beschäftigten (inkl. der Nebenerwerbslandwirte) von fünf Millionen auf rund eineinhalb Millionen. Die Gründe dafür lagen im Abbau des nationalen Agrarschutzes innerhalb der damaligen EWG, verbunden mit Produktionsüberschüssen, die es insbesondere kleineren bäuerlichen Familienbetrieben nahezu unmöglich machte, eine rentable Landwirtschaft am Leben zu erhalten. Jungbauern suchten deshalb ihr Auskommen zunehmend in der Industrie, so daß sich der Schrumpfungsvorgang oft parallel mit dem Generationenwechsel vollzog.

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    Mittwoch, 18. August 2021, 20:38

    Mir fiel auf, dass die alten Roehren Fernsehgeraete in den 70er und 80er Jahren oft bis zu 12 Jahre lang hielten, waehrend die neuen big screen TV's (ich weiss nicht, wie man die in Germany bezeichnet) oft schon nach 5 bis 6 Jahren kaputt gehen.

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    Mittwoch, 18. August 2021, 23:03

    Mir fiel auf, dass die alten Roehren Fernsehgeraete in den 70er und 80er Jahren oft bis zu 12 Jahre lang hielten, waehrend die neuen big screen TV's (ich weiss nicht, wie man die in Germany bezeichnet) oft schon nach 5 bis 6 Jahren kaputt gehen.


    Unser SABA- Röhrengerät von 1966 mit 67 cm Bildschirmdiagonale hatte ich bis 1985 in Betrieb. Zwar fielen einzelne Röhren immer wieder mal aus, aber die konnte man leicht an dem fehlenden Leuchten identifizieren und durch neue Röhren mit der gleichen Seriennummer ersetzen. Ansonsten gebe ich dir recht, die neuen Flat Screen TV´s habe je nach Intensität der Nutzung tatsächlich oft nur eine Lebensdauer von fünf bis sechs Jahren. Da läßt sich "mit Bordmitteln" auch nichts mehr selbst reparieren.