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    Freitag, 6. August 2021, 15:09

    Wie Heinrich Lübke zu dem Amt des Bundespräsidenten kam

    Im Jahre 1959 lief die zweite Amtszeit von Bundespräsident Theodor Heuss ab, der über alle Parteigrenzen hinweg als "Papa Heuss" in der damaligen bundesdeutschen Bevölkerung hohes Ansehen genoß.
    Kurzzeitige Überlegungen, ihm eine dritte Amtszeit zu ermöglichen, wurden fallengelassen, neben verfassungsrechtlichen Gründen sprach seine angeschlagene Gesundheit sowie der Umstand einer zunehmenden Entfremdung zwischen Theodor Heuss und dem damaligen FDP- Fraktionsvorsitzenden Erich Mende dagegen.
    Im Februar 1959 nominierte die SPD Carlo Schmid für das Amt des Bundespräsidenten. Ein geschickter Schachzug, denn Schmid war damals das "beste Pferd im Stall der Sozialdemokraten". Ein humanistisch gebildeter Professor, mit großbürgerlichem Auftreten, kurz: wie geschaffen für ein repräsentatives Amt. Für damalige Verhältnisse anstößig erschien allenfalls Schmid´s Privatleben; er lebte von seiner Frau getrennt.
    Für die Union war klar: mit Carlo Schmid als Bundespräsident wäre die SPD binnen kurzem bei vielen bürgerlichen Wählern hoffähig. Adenauer lehnte deshalb dessen Kandidatur auch vehement ab und bezeichnete Schmid als "sozialdemokratischen Wolf in bürgerlicher Verkleidung".
    Seitens der CDU wurden zu diesem Zeitpunkt mehrere Kandidaten gehandelt: der heute weitgehend vergessene Fraktionsvorsitzende Heinrich Krone, einer der engsten Vertrauten Konrad Adenauers, galt als zu spröde und öffentlichkeitsscheu. Kai- Uwe von Hassel, der damals 46-jährige Ministerpräsident von Schleswig- Holstein, erschien vielen zu jung. Als Vizekanzler Ludwig Erhard Ende Februar 1959 vorgeschlagen wurde und zunächst auch zustimmte, war allen CDU- Insidern sofort klar, wer die Fäden im Hintergrund gezogen hatte: Konrad Adenauer. Adenauer hielt Erhard für einen Lebemenschen und wollte dessen Kanzlerschaft nach seinem vorhersehbaren Ausscheiden aus dem Amt des Bundeskanzlers mit allen Mitteln verhindern. Die Wochenzeitung "Die Welt" sprach daher nicht ganz unzutreffend von einem "Kronprinzenmord". Im März schlug Erhard auf Anraten seiner Freunde die Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten wieder aus, und völlig überraschend ließ sich Adenauer am 7. April 1959 selbst für dieses Amt nominieren.
    Adenauer wollte das Grundgesetz im "gaullistischen Sinn" auslegen, er glaubte zunächst ernsthaft, als Bundespräsident die Richtlinien der Politik weiterbestimmen zu können, was natürlich hanebüchener Unsinn war, denn anders als die "Grande Nation" hatte die Bundesrepublik Deutschland keine Präsidialverfassung. Adenauer merkte denn auch bald, daß er einen schwerwiegenden politischen Fehler begangen hatte, und zog am 4. Juni 1959 seine Kandidatur zurück. Sein Rückzieher löste innerhalb der CDU ein politisches Erdbeben aus, schockierte viele der zu Statisten degradierten Unionspolitiker und führte zu einem ungemeinen Prestigeverlust des Altbundeskanzlers. Die Krise war durchaus mehr als lediglich eine "Präsidentschaftsposse", denn sie markierte den Beginn von Adenauers politischem Machtverlust, der sich allerdings noch über vier Jahre bis zu seinem Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers hinzog.
    Am 1. Juli 1959 wählte die in West- Berlin zusammengekommene Bundesversammlung den bisherigen Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke zum zweiten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Er erhielt im zweiten Wahlgang gegen Carlo Schmid (SPD) und Max Becker (FDP) die absolute Mehrheit. Lübke war damals noch weitgehend unbekannt, und der "Spiegel" bezeichnete seine Kandidatur süffisant als "Lübkenbüßer". Doch aus einem Verlegenheitskandidaten, auf den die Union nach dem Erhard- Adenauer Debakel gestoßen war, entwickelte sich ein durchaus nicht unpolitischer Präsident, ein Streiter für den Ausbau der Entwicklungshilfe, ein Vorreiter der Umweltbewegung und einige Jahre später ein Befürworter der "Großen Koalition". Allerdings wirkte der stets etwas steif wirkende und rhetorisch oft ungeschickt auftretende Sauerländer in den dynamischen 60er Jahren rasch wie ein Relikt aus vergangener Zeit, der mit dem politisch- gesellschaftlichen Wandel nicht mehr zurechtkam. Außerdem war er ständigen Diffamierungen aus der DDR als "Schlüsselfigur der faschistischen Rüstung" und "KZ- Baumeister" ausgesetzt, und er entkräftete die Vorwürfe über seine Rolle im "Dritten Reich" auch nicht entschieden genug.

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    Sonntag, 8. August 2021, 12:49

    Ich erinnere mich nur noch an den Namen seiner Frau, Wilhelmine.

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    Montag, 9. August 2021, 14:53

    Skandal um Wilhelmine Lübke

    Daß auch die weitgehend unbescholtene Gattin eines deutschen Bundespräsidenten rasch in die Fänge einer journalistischen Linksmafia geraten konnte, zeigt uns der "Fall Wilhelmine Lübke" von 1968.
    Bereits während Heinrich Lübke´s erster Amtperiode von 1959 bis 1964 kursierten in Bonner Kreisen Gerüchte, daß sich die um stattliche neun Jahre ältere Gattin des deutschen Staatoberhauptes in ihren Personalunterlagen um zehn Jahre "verjüngt" habe und ihr Gatte den Einfluß seines Amtes dazu mißbraucht habe, um diese "Korrektur" zu decken.
    Über einige Jahre blieb es bei diesen Mauscheleien aus der Gerüchteküche. Doch als im Frühjahr 1968 Heinrich Lübke wegen seiner Vergangenheit erneut in politische Bedrängnis geriet, wurde auch das Geburtsdatum seiner Gattin von der Linksjournaille plötzlich zum Politikum erhoben. "Stern"- Chefredakteur Henri Nannen schwang sich zum "Advocatus diaboli" auf und bezichtigte Wilhelmine Lübke der "mittelbaren Falschbeurkundung", und Prof. Theodor Eschenburg stellte gar Mutmaßungen über ein Präsidenten- Delikt der "Falschbeurkundung im Amt" an.
    In Wirklichkeit war die "wilhelminische Verjüngungskur" eher ein Produkt eines bürokratischen Zufalls, verbunden mit typisch weiblicher Eitelkeit.
    Als Wilhelmine Lübke im Jahre 1947 um eine Personalbescheinigung ersuchte, vertippte sich der zuständige Beamte und schrieb statt "9. Mai 1885" das Datum "9.Mai 1895". Frau Lübke nahm die schmeichelhafte Veränderung damals widerspruchslos hin und unternahm auch nichts, als die falsche Altersangabe später in Bonn von der Personalbescheinigung den Weg in die Meldekartei, den Personalausweis, den Reisepaß und schließlich in die Presse fand.
    Mehr noch: die damalige bundesdeutsche First Lady schärfte dem Standesbeamten ihres westfälischen Geburtsortes Ramsbeck ein, niemandem Einblick in ihren Registerauszug zu gewähren. Und den Ramsbecker Ortspfarrer bat sie, keinem Neugierigen die entsprechende Passage im Kirchenbuch zu zeigen.
    An eine derartige "Immunität" wollten ein Nürnberger Filmjournalist und neun weitere "Interessierte" jedoch nicht glauben und stellten kurzerhand Strafanzeige gegen Wilhelmine Lübke. Am 25. April 1968 teilte die Bonner Staatanwaltschaft den Denunzianten mit, daß gegen Frau Lübke nunmehr aktenkundig ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Sechs Wochen später beschäftigte die Altersangabe von Frau Lübke sogar den "Kreßbronner Kreis", damals eine Art politisches Küchenkabinett der Großen Koalition unter Kurt- Georg Kiesinger. Dort befand der Bundeskanzler zu Recht, daß eine Strafverfolgung der Bundespräsidentengattin "schon aus geschmacklichen Gründen" unangemessen sei. Selbst der damalige SPD- Vize Herbert Wehner stimmte dem zu, wenngleich weniger aus "ästhetischen" als "aus Gründen der Staatsraison".
    Es half dennoch alles nichts. Der damalige Justizminister von Nordrhein- Westfalen, Josef Neuberger (SPD), entschied: "Die Anzeigen werden wie alle anderen auch behandelt".
    Anfang Oktober 1968 wurde Wilhelmine Lübke endlich zur Vernehmung durch den Bonner Oberstaatsanwalt vorgeladen. Unterstützt von ihrem Rechtsanwalt, nahm Frau Lübke ("Ich habe doch keinem Menschen Schaden damit zugefügt") Verbotsirrtum für sich in Anspruch.
    Bonns Strafverfolgungbehörde ließ dann auch Gnade vor Recht ergehen. Mit Schreiben vom 12. November 1968 wurde Wilhelmine Lübke seitens der Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens mitgeteilt. Da der Vorgang mittlerweile verjährt sei, wäre eine strafrechtliche Verfolgung nicht mehr möglich. Darüber hinaus sei ihr persönliches Verschulden so gering, daß das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden sei.
    Die ehemalige Studienrätin und spätere Bundespräsidengattin Wilhelmine Lübke war im Gegensatz zu ihrem Mann sprachlich sehr eloquent und beherrschte mehrere Fremdsprachen wie Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Russisch. Sie gilt als Gründerin des "Kuratoriums Deutsche Altershilfe" (KDA), entwickelte u.a. die Idee von "Essen auf Rädern" sowie die theoretischen Grundlagen der Tagespflege von Senioren. Auch übernahm sie den Vorsitz des "Müttergenesungswerkes" von ihrer Vorgängerin Elly Heuss- Knapp.
    Wilhelmine Lübke galt als "Graue Eminenz" hinter ihrem Ehemann Heinrich Lübke, den sie oft mit Rat und Tat unterstützte. Sie starb am 3. Mai 1981 in Bonn.

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    Montag, 9. August 2021, 21:03

    Vielen Dank, Uwe, das war hochinteressant. 1968 habe ich nichts davon mitbekommen.