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    Mittwoch, 28. Juli 2021, 19:28

    Wirtschaftliche Dynamik und politische Liberalisierung - Das "Goldene Zeitalter" der Bundesrepublik 1959 bis 1973

    In dem relativ kurzen Zeitrahmen zwischen 1959/60 und 1974 wechselte in der Bundesrepublik insgesamt vier Mal die Kanzlerschaft. Schon allein dieser Umstand zeigt, daß im Vergleich zu den 50er Jahren in politischer Hinsicht etwas in Bewegung geraten war. Konrad Adenauer, dessen Stern nicht zuletzt altersbedingt im Sinken begriffen war, wurde 1963 von dem glücklosen Ludwig Erhard abgelöst, auf ihn folgte 1966 der noch heute meist unterschätzte Kurt Georg Kiesinger als Kanzler der "Großen Koalition", und ab 1969 war Willi Brandt am Ruder, dessen Aufforderung "Mehr Demokratie wagen !" zum Wahrzeichen einer Epoche des Umbruchs wurde.
    Die bisher tragenden Christdemokraten verloren in diesen Zeitraum schrittweise ihre politische Hegemonie, und sozialdemokratische Reformkräfte versuchten, neue Wege in der Innen- und Außenpolitik zu gehen. Doch auch in vielen der großen Demokratien des Westens kam es in dieser Zeit zu tiefgreifenden Machtwechseln, wobei der aufsehenerregendste wohl in den USA unter der Präsidentschaft John F. Kennedy´s stattfand. General Charles de Gaulles Wiederaufstieg in Frankreich stellte insofern eine Ausnahme in Form eines konservativen Gegenparts dar, denn auch in Italien entstand eine Mitte- Links Regierung unter Aldo Moro, und im Vereinigten Königreich wurde die konservative Tory- Regierung nach dreizehn Jahren durch die Labour- Party abgelöst.
    Die politische Orientierung in der westlichen Welt war in Bewegung geraten, und diese Entwicklungen erreichten auch die damals noch junge Bundesrepublik. Lange Jahre galt der hier zu besprechende Zeitrahmen als eine "Zeit vergessener Anfänge". Diese Sichtweise hat sich inzwischen unter vielen Historikern geändert: die Forschung sieht heute das Ende der 50er und die gesamten 60er Jahre als eine Epoche des durchgreifenden gesellschaftlichen Wandels. Dem Jahrzehnt des Wiederaufbaus der 50er Jahre, das in zahllosen Bereichen noch von Entbehrungen gekennzeichnet war, schloß sich eine Epoche von knapp 15 Jahren an, die aus heutiger Sicht fast wie ein "kleines goldenes Zeitalter" erscheint. Mit einer bisher nicht gekannten Dynamik ergänzten sich unterschiedliche Modernisierungstendenzen, deren Auswirkungen unsere Gegenwart nach wie vor zu einem nicht unerheblichen Teil prägen. Diese Entwicklung konnte auf der relativen politischen Stabilität der 50er Jahre aufbauen, vor allem im Hinblick auf recht gut funktionierende Institutionen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung.
    Nun gewannen allmählich politische und gesellschaftliche Liberalisierungstendenzen in der Bundesrepublik an Gewicht. Innere Demokratisierung, der Wandel überkommener Werte, Normen und Mentalitäten, kurz: eine Gesellschaft, die sich in vielerlei Hinsicht "im Aufbruch" befand.
    Typisch für das Jahrzehnt der 60er war der zeitentsprechende, ungebrochene und in dieser Ausprägung in den Folgejahrzehnten nie wieder in Erscheinung getretene Zukunftsoptimismus, der sich nicht zuletzt in der von der ganzen Welt bejubelten Mondlandung im Sommer 1969 manifestierte. Der damals weitverbreitete Glaube jedoch, daß Fortschritt mittels Verwissenschaftlichung und Planung von Politik und Volkswirtschaft machbar sei, fand mit dem Ölpreisschock 1973 und den darauffolgenden wirtschaftlichen Krisen der 70er und 80er Jahre ein jähes Ende. So mündete die gesamtgesellschaftliche Euphorie vor allem der späten 60er Jahre in ein neues Krisenbewußtsein, das seitdem das Klima der Bundesrepublik nachhaltig prägen sollte und große Teile der Gesellschaft nachhaltig verunsicherte. Bis zu diesem drastischen Einschnitt hatte sich jedoch bereits vieles verändert: in der Politik und den Strukturen von Parteien, Kirchen und Verbänden, in Kultur und Öffentlichkeit, in den gesellschaftlichen Werten, Einstellungen und Mentalitäten, und schließlich auch in der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit.
    In den 60er/70er Jahren zeigten sich allerdings auch die Schattenseiten der Modernisierung und des Fortschritts. Vieles an Bausubstanz und gewachsenen Strukturen, das den Krieg überdauert hatte, wurde vorsätzlich ruiniert. Man erkannte dessen Wert erst, nachdem vieles bereits unwiederbringlich verloren war, insbesondere nach dem Denkmalschutzjahr 1975, als allmählich ein Umdenken einsetzte. Zu denken ist aber auch an den nachhaltigen Verlust traditioneller ländlicher Lebensformen just in dieser Epoche und teilweise horrende Umweltschäden.

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    Sonntag, 8. August 2021, 13:02

    Also fuer mich wurden erst die 80er und 90er Jahre zum "goldenen Zeitalter", denn da konnten wir uns endlich USA- und Kanada-Reisen leisten, und hin und wieder auch mal was Neues zum Anziehen kaufen, was mir in den 70er Jahren nur mittels Ratenzahlung bei Wenz, Bader und Otto moeglich war.
    Die 70er Jahre habe ich als ausgesprochen "arm" und aeusserst bescheiden lebend in Erinnerung.

    Das Luxurioeseste waren fuer mich Kinobesuche.

    Zu Hause wurde ich mit dem Taschengeld viel zu kurz gehalten (im Vergleich zu meinen Klassenkameradinnen auf dem Gymnasium), ab 1975 verdiente ich pro Monat gerade mal 300 DM Ausbildungsverguetung bei der Stadt Braunschweig (Beamtenlehrgang).

    Meine Eltern weigerten sich, Kindergeld zu beantragen und mich finanziell zu unterstuetzen, deshalb stand ich staendig bei meinem Freund und dessen Mutter in der Kreide.

    Es waren schwierige Jahre fuer mich, an die ich ungern zurueck denke.
    Politisch erinnere ich mich lediglich an die Baader Meinhoff Gruppe, ihre Bombenanschlaege (die Bombe im Abfalleimer auf einer Kirmes, die Unschuldige das Leben kostete) und Entfuehrungen von Arbeitgeberpraesidenten etc (Schleyer).
    Und Benzin war knapp, es gab einen Tag (das muss im Sommer 1974 gewesen sein), wo niemand Auto fahren durfte/sollte. Mein Freund kam mir auf halber Strecke zu Fuss aus Braunschweig entgegen, ich lief die lange Strecke von Broitzem nach Braunschweig. Es war ein sehr warmer Sommertag.

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    Sonntag, 8. August 2021, 16:45

    1959 bis 1974: der Zeitrahmen, in dem unsere Elterngeneration produktiv tätig war

    Der oben angesprochene Zeitrahmen mit der u.a. allmählichen Zunahme des persönlichen Wohlstands sowie den sukzessiven Veränderungen von Werten und Normen betraf in erster Linie unsere Elterngeneration und zu einem kleineren Teil auch noch die unserer Großeltern. Ich habe meinen alten Herrn (Jahrgang 1932) vor Jahren einmal auf den Beginn der bundesdeutschen Hochkonjunktur befragt und diesen aus meiner Sicht auf die Jahre um 1954/55 festgelegt. Er dagegen wußte als Zeitzeuge recht genau , ohne sich damit näher beschäftigt zu haben, daß die Zeit der weitgehenden Vollbeschäftigung erst ab 1959 begann.
    Ich als Kind dieser Zeit verbinde die 60er Jahre vor allem mit folgenden Eindrücken:
    - tagsüber meist autolose, weitgehend menschenleere Straßen in unserer Wohngegend, ein Ausdruck der damaligen Vollbeschäftigung. Zahlreiche "Hipster", die heute tagsüber die Straßen bevölkern, gab es zu dieser Zeit zumindest in meiner Gegend nicht.
    - Kinder, die nicht zuhause "abhingen", sondern wie wir, auf dem Hof, im Garten, auf der Straße oder im Wald spielten. Auch kleine Radtouren waren bei uns nicht unüblich. Das Fernsehen gab es damals natürlich schon, wurde aber (zumindest bei uns) meist erst in den frühen Abendstunden in Betrieb genommen.
    - Die Freude über "kleine Geschenke", sei es ein Comic- Heft, eine Wundertüte oder ein paar Süßigkeiten vom Büdchen. Dinge, über die die meisten Kiddies heute nur müde den Kopf schütteln würden.

    Die 70er/80er Jahre waren für mich bereits wieder ein anderes Thema. Die Zeit der unbeschwerten Kindheit war vorbei. Als geburtenstarker Jahrgang 1957 war ich einer von vielen, der sich seinen Platz in der gymnasialen Oberstufe, in einem Ausbildungsbetrieb und später einen Studienplatz recht mühsam erkämpfen mußte. Dazu kamen gravierende Veränderungen im privaten Umfeld, die mich insbesondere die "wilden 70er Jahre" in der Rückschau mit recht gemischten Gefühlen betrachten lassen. Auch die Suche nach einem Arbeitsplatz gestaltete sich in den 80ern, dem "Jahrzehnt der Zweidrittelgesellschaft", alles andere als einfach. In dieser Zeit kamen mir jedoch einige glückliche Zufälle zu Hilfe. Aber das wäre bereits wieder ein anderes Kapitel ;) .

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    Montag, 9. August 2021, 21:38

    RE: 1959 bis 1974: der Zeitrahmen, in dem unsere Elterngeneration produktiv tätig war

    Mein Vater war Jahrgang 1931, meine Mutter ist Jahrgang 1929 (Du sprachst kuerzlich in einem anderen thread an, wie schwer es fuer die jungen Frauen nach dem WW II war,einen Partner zu finden - es herrschte naemlich grosser Maennermangel).
    Meinen Eltern ging es erst ab 1960 (Umzug von Muenchen nach Treuchtlingen) wirtschaftlich etwas besser, an Urlaub war hoechstens in Oesterreich oder in der Schweiz zu denken. Dort uebernachteten wir auf einem Bauernhof.
    Ich habe aehnliche Eindruecke aus meiner Kindheit.
    1964 besuchten wir meinen Vater im Krankenhaus, der hin und wieder als Assistenzarzt Wochenenddienst hatte.
    Vor lauter Langeweile sass ich dann oft am Fenster, waehrend sich meine Eltern unterhielten, und schaute hinaus, sah unten auf dem Buergersteig aufgedonnerte junge Frauen mit toupierten blonden Haaren (damals noch kurz) in Maenteln vorbei gehen.
    Wenig Autos, kaum Motorraeder, viele Menschen gingen zu Fuss oder fuhren Fahrrad (meine Mutter kaufte mit dem Fahrrad ein und vergass staendig Getraenke und Toilettenpapier, was vor allem am Wochenende schlimm war, wenn kein Laden geoeffnet hatte).
    Ich erinnere mich an viele aeltere Maenner, die ohne Arm oder ohne Bein aus dem Krieg zurueckgekommen waren (Prothesen gab es damals offenbar noch nicht). Der Aermel oder das Hosenbein war dann immer zusammengesteckt.
    Fast alle Maenner trugen einen Hut (mein Vater hasste Huete, ich sah ihn nie mit Hut).
    Stimmt, die Strassen waren bis etwa 17 Uhr fast leer, wir konnten ungefaehrdet auf der Strasse spielen oder im Wald - es war eine Kindheit wie von Enid Blyton in den Fuenf Freunde Buechern geschildert (nur ohne Abenteuer :)).
    Mitte der 60er Jahre war es dann allerdings mit der sorglosen Kindheit vorbei.

    Ich kam im September 1966 auf's Gymnasium, hatte schon seit der Volksschule Probleme im Rechnen, nun wurde es richtig schwer fuer mich. Zweimal in der Woche musste ich zum Mathe-Nachhilfeunterricht, dann hatte ich Klavierunterricht, Konfirmandenunterricht (zum Glueck keinen Ballettunterricht mehr) und Sonntagsschule - das total verplante Kind.
    Stundenlange Hausaufgaben an den uebrigen Wochentagen.

    Ich moechte weiss Gott nicht nochmal in die Schule gehen!!! :cursing:

    Nein, hipster gab es nicht, aber Ende der 60er kamen zu den Bettlern, die man bereits vor Mitte der 60er Jahre in der Innenstadt sah, die Hippies hinzu.
    Und Scherenschleifer gingen von Haus zu Haus, boten ihre Dienste an.
    Es gab Maenner, die eine Drehorgel und einen kleinen Affen hatten. Es gab Akordeonspieler.

    Fernsehen durfte ich nur vor 20 Uhr, und nur eine Stunde pro Wochentag (am Wochenende etwas mehr), dann wurde die Tagesschau angesehen. Die Spielfilme im ZDF, die nach "Heute" begannen, konnte ich deshalb nie zu Ende ansehen.
    Um 21 Uhr musste ich ins Bett, denn wir wohnten soweit von meiner Schule entfernt, dass ich den einzigen Bus (es fuhr nur einer pro Stunde nach Braunschweig rein - von wegen oeffentliche Verkehrsmittel!) um 6 Uhr frueh erwischen musste, also hiess das fuer mich um 5 Uhr aufstehen.

    Und dabei blieb es ein Leben lang, ich hatte immer lange Schulwege bzw lange commutes zu meinen Arbeitsplaetzen bis auf die 5 Jahre vor meiner Auswanderung, da lebte ich nur 15 Minuten vom Kinoarchiv in HH-Eppendorf, und konnte zu Fuss gehen.
    Geschenke ausserhalb des Geburtstages oder zu Weihnachten gab es fast nie, hoechstens, wenn die Grosstante oder die Grosseltern aus der DDR zu Besuch kamen bzw meine Muenchner Oma.
    Damals in den 60er Jahren musste man zaehneknirschend praktische Geschenke zu Weihnachten und zum Geburtstag hinnehmen wie Pyjamas und Unterwaesche. Damit koennen Eltern ihren Kindern heutzutage nicht mehr kommen.
    Natuerlich bekam ich auch einige Buecher zu Weihnachten, nur in der Regel (fast) nicht das, was auf meinem Wunschzettel aufgelistet war.
    Es waren aeusserst bescheidene Jahre, und ich bin heute noch damit beschaeftigt, mir all die Kinderbuecher zuzulegen, die ich damals entweder nicht bekam bzw nur aus der Bibliothek kannte.
    Das Fernsehprogramm war in den 60er jahren wesentlich spannender als heute, die Popmusik von damals gefaellt mir viel besser als Techno und Rap.

    Selbst mit der heutigen Literatur kann ich nicht mehr viel anfangen, die kurzen Romankapitel gehen mir auf die Nerven - immer, wenn es spannend wird, wird die Geschichte unterbrochen und es wird auf einen anderen Erzaehlstrang umgeschwenkt.
    Der oben angesprochene Zeitrahmen mit der u.a. allmählichen Zunahme des persönlichen Wohlstands sowie den sukzessiven Veränderungen von Werten und Normen betraf in erster Linie unsere Elterngeneration und zu einem kleineren Teil auch noch die unserer Großeltern. Ich habe meinen alten Herrn (Jahrgang 1932) vor Jahren einmal auf den Beginn der bundesdeutschen Hochkonjunktur befragt und diesen aus meiner Sicht auf die Jahre um 1954/55 festgelegt. Er dagegen wußte als Zeitzeuge recht genau , ohne sich damit näher beschäftigt zu haben, daß die Zeit der weitgehenden Vollbeschäftigung erst ab 1959 begann.
    Ich als Kind dieser Zeit verbinde die 60er Jahre vor allem mit folgenden Eindrücken:
    - tagsüber meist autolose, weitgehend menschenleere Straßen in unserer Wohngegend, ein Ausdruck der damaligen Vollbeschäftigung. Zahlreiche "Hipster", die heute tagsüber die Straßen bevölkern, gab es zu dieser Zeit zumindest in meiner Gegend nicht.
    - Kinder, die nicht zuhause "abhingen", sondern wie wir, auf dem Hof, im Garten, auf der Straße oder im Wald spielten. Auch kleine Radtouren waren bei uns nicht unüblich. Das Fernsehen gab es damals natürlich schon, wurde aber (zumindest bei uns) meist erst in den frühen Abendstunden in Betrieb genommen.
    - Die Freude über "kleine Geschenke", sei es ein Comic- Heft, eine Wundertüte oder ein paar Süßigkeiten vom Büdchen. Dinge, über die die meisten Kiddies heute nur müde den Kopf schütteln würden.

    Die 70er/80er Jahre waren für mich bereits wieder ein anderes Thema. Die Zeit der unbeschwerten Kindheit war vorbei. Als geburtenstarker Jahrgang 1957 war ich einer von vielen, der sich seinen Platz in der gymnasialen Oberstufe, in einem Ausbildungsbetrieb und später einen Studienplatz recht mühsam erkämpfen mußte. Dazu kamen gravierende Veränderungen im privaten Umfeld, die mich insbesondere die "wilden 70er Jahre" in der Rückschau mit recht gemischten Gefühlen betrachten lassen. Auch die Suche nach einem Arbeitsplatz gestaltete sich in den 80ern, dem "Jahrzehnt der Zweidrittelgesellschaft", alles andere als einfach. In dieser Zeit kamen mir jedoch einige glückliche Zufälle zu Hilfe. Aber das wäre bereits wieder ein anderes Kapitel ;) .