Als ich auf das Gymnasium kam, gab es zwar noch reine Mädchen- bzw. Jungengymnasien, aber der Trend ging schon immer mehr zu den koedukativen Schulen. Und das traf auch auf meine Schule zu. Nach dem Schulwechsel musste ich mich in vielen Dingen umstellen. Zum Beispiel darin, dass ich Fahrschülerin wurde, ich konnte meine Schule nur mit der Straßenbahn erreichen. Das hieß natürlich, dass ich viel früher aufstehen musste als in meiner Grundschulzeit, meine Grundschule hatte ich zu Fuß in einer Viertelstunde erreichen können. Die Zeit brauchte ich auf der höheren Schule schon, um die Bahnhaltestelle zu erreichen. Insgesamt hatte ich einen Schulweg von einer Stunde.
Was die Schule selber anging, gab es auch etliche Unterschiede. Zum Beispiel war die Schule viel größer und insgesamt unübersichtlicher. War auch kein Wunder, denn schließlich waren es auch viel mehr Schüler. Allein drei Sexten gab es. Darüber hinaus teilten wir das Gebäude auch noch mit einer Grundschule, die einen Flur für sich und auch einen eigenen Schulhof hatte. Später mussten auch noch mehrere Pavillons auf dem Schulhof aufgebaut werden, sogenannte fliegende Klassenzimmer. Das größere Schulgebäude, in das wir später umgezogen sind, war damals noch in der Planung, ich war schon in der Oberprima, als wir in das neue Gebäude umgezogen sind.
Außerdem fand nicht jeder Unterricht mehr im Klassenzimmer statt, sondern es gab für Kunst, Musik, Biologie, Chemie, Physik und Handarbeit Fachräume. Und eine Schulbücherei gab es, von der ich als Leseratte reichlich Gebrauch gemacht habe. Die Turnhalle mussten wir mit der Grundschule teilen.
Wie schon erwähnt, gab es auf dem Gymnasium kein Aufstellen mehr vor dem Unterricht und nach den Pausen, und auch unser Schulhof war nicht mehr in eine Jungen- und eine Mädchenseite unterteilt. Allerdings gab es außer dem Schulhof noch einen Sportplatz mit einem Fußballplatz, und da waren in der Pause überwiegend die Jungs zu finden.
Wir hatten zwar auch auf dem Gymnasium zum Teil strenge Lehrer, aber die hauten einen nicht, sondern bestraften einen mit Eintrag ins Klassenbuch, bestimmten Strafdiensten, wie den Schulhof von Papier und anderen Abfällen säubern, oder es gab einen Brief an die Eltern. Was dann oft genug bedeutete, dass man zu Hause die Hosen strammgezogen bekam. Nur dem Religionslehrer, den wir die ersten zwei Jahre hatten, ein Kaplan übrigens, dem rutschte hin und wieder die Hand aus, und dann gab es Ohrfeigen. Aber meistens brüllte er nur rum: "Ruhe, zum Teufel noch mal!" Solche Worte von einem Priester! Jedenfalls war der ein richtiges HB-Männchen.
In der Quinta bin ich bei ihm einmal aus dem Klassenzimmer geflogen, weil ich einfach nicht aufhören konnte zu lachen. Er hatte sowieso schon schlechte Laune, als er zur Tür reinkam, und ausgerechnet an dem Tag waren einige Schüler nicht aufgestanden, als er die Klasse betrat, der verlangte das so von uns, weil die Religionsstunde mit einem Gebet begann. Als Folge ließ er die Schüler dann über das Gebet hinaus stehen. Begründung, man müsste uns erst mal beibringen, wie wir aufzustehen hätten, wenn ein Lehrer die Klasse betritt. Einer meiner Mitschüler machte dann ein paar saudumme Witze und der Lehrer flippte regelrecht aus, haute ihm erst mal eine runter und warf ihn dann aus der Klasse. Ich fing an zu lachen, und da brüllte der Lehrer mich an, ich solle mein dämliches Lachen aufhören, sonst könnte ich auch direkt rausgehen. Ich habe es wirklich versucht, mit Lachen aufzuhören, es war unmöglich, also flog ich auch raus. Und kurz nach mir noch jemand, einer von den Jungs, der krümmte sich geradezu vor Lachen. Und der Rest der Klasse hat während der ganzen Stunde stehen müssen. Wirklich Unterricht hatte an dem Tag nicht mehr stattgefunden.
Der Religionsunterricht wurde für die katholischen, beziehungsweise evangelischen Schüler eines Jahrgangs gemeinsam gehalten, so dass bis zur Mittelstufe, als etliche 14 wurden und sich zum Teil abmeldeten, der Religionsunterricht ein ziemlicher Massenbetrieb war. Die wenigen nichtchristlichen Schüler, die wir hatten, die hatten in der Zeit eine Freistunde.
Natürlich kamen eine ganze Menge Fächer dazu, die wir vorher noch nicht hatten. Englisch hatte ich bereits in der fünften Klasse von der Volksschule gehabt, und auch Biologie und Erdkunde. Da war ich dann den Schülern, die nach der vierten gewechselt hatten, ein bisschen voraus. In der Quinta kam dann Geschichte dazu, in der Quarta Latein und Physik. In der Obertertia kam dann die Aufteilung zwischen sprachlichem Zweig und naturwissenschaftlichem Zweig. Der sprachliche Zweig bekam als dritte Fremdsprache Französisch, für den naturwissenschaftlichen Zweig wurde Physik zum Hauptfach, und sie hatten Chemie schon ein Jahr früher als der sprachliche Zweig, der das Fach erst in der Untersekunda bekam. Handarbeit wurden wir dafür ab Quarta los, worüber ich froh war.
Wir haben einmal als ganze Klasse unserer Lateinlehrerin einen Streich gespielt. So einig ist sich unsere Klasse noch nie gewesen, wie an diesem Tag. Sogar die Braven und die Streber haben mitgemacht.
Wir waren damals in der Untersekunda, und es war der letzte Tag vor den Osterferien. Keiner von uns Schülern war mehr auf Unterricht eingestellt, und die meisten Lehrer akzeptierten das auch. Schulbücher hatte keiner von uns mehr dabei, und die ersten zwei Stunden haben wir auch nur gequatscht. Dann kam nach der großen Pause die Lateinstunde, und unsere Lateinlehrerin war ziemlich streng, und sie wollte durchaus noch Unterricht machen (es war die letzte Stunde
gewesen), und als sie dann mitbekam, dass keiner mehr sein Buch dabei hatte, wurde sie sauer. Sie schnappte sich ihr eigenes Buch, und bevor sie rausging, verkündete sie, sie würde jetzt in den Fotokopierraum gehen und den Text, der zu übersetzen wäre, fotokopieren, und die Zeit, die sie mit Fotokopieren verschwenden würde, die würde an die Stunde drangehängt.
Schön und gut, unsere Lehrerin verließ den Raum. Während sie weg war, sprachen wir uns ab, dass wir alle einfach gehen würden, wenn es klingelte. Die Lehrerin kam also wieder, und wir mussten dann übersetzen. Außerdem stellte sie dann zwischendurch auch Fragen zu dem Text. Und so gab sie uns dann selber, kurz nachdem es geklingelt hatte, noch das passende Stichwort. Sie fragte uns nämlich: "Was versteht man denn heutzutage unter einer Revolution?" Wie ein Mann standen alle Schüler auf und gingen aus der Klasse. Sie brüllte uns zwar noch hinterher, aber zwanzig Schüler auf einmal konnte sie kaum festhalten. Und weg waren wir dann!
Bis nach den Ferien hatte sich die Lehrerin längst wieder abgeregt. Zwar mussten wir dann die Übersetzung als zusätzliche Hausaufgabe machen, aber die meisten von uns hatten schon damit gerechnet und sie in den Ferien gemacht.
Übrigens durfte unser Jahrgang in der Untersekunda wählen, ob wir noch das alte Abitur machen wollten oder in die Oberstufenreform. Wir haben uns geschlossen gegen die Oberstufenreform entschieden. Der Jahrgang nach uns hatte diese Wahlmöglichkeit nicht mehr. Die kamen in dieses komische Kurssystem rein. Und mittlerweile ist die Oberstufenreform wieder abgeschafft, wie ich gehört habe, und man macht wieder Abi nach dem alten System.