Am 15. März 1848 erschien in einer Lokalzeitung des soeben von den Vereinigten Staaten erworbenen Territoriums Kalifornien eine elfzeilige Notiz: "Goldmine gefunden. In dem frisch ausgehobenen Wasserlauf für die kürzlich von Kapitän Sutter an der Gabelung des American River gebaute Sägemühle wurde eine beträchtliche Menge Gold gefunden. Ein einzelner Mann brachte Gold im Wert von dreißig Dollar nach New Helvetia, das er dort in kurzer Zeit gesammelt hatte. Kalifornien ist ohne Zweifel reich an Mineralien. Große Chancen für Investoren in diesem Bereich. Gold ist fast in jedem Teil dieses Landes gefunden worden."
Diese Nachricht war zumindest am 18. März 1848 noch hemmungslos übertrieben. Zum damaligen Zeitpunkt gestaltete sich Kalifornien noch als recht verschlafene Grenzprovinz der Vereinigten Staaten, auf deren riesigem Gebiet lediglich um die vierzehntausend Bewohner überwiegend von Ackerbau und Viehzucht lebten. Hier lag auch die Farm von Kapitän Johann Augustus Sutter. Dieser im badischen Kandern geborene Sohn Schweizer Eltern kam im Jahre 1839 völlig mittellos in die USA. Dennoch lesen sich die ersten Jahre seiner Biographie wie der personifizierte amerikanische Traum. Zwar arbeitete Sutter nicht als Tellerwäscher, aber den Grundstock seines Vermögens bildeten fünfhundert Dollar, die er als Preisboxer gewonnen hatte. Durch harte Arbeit und seinen Geschäftssinn kam er nach wenigen Jahren so weit, daß er im damals fast menschenleeren Kalifornien von den Mexikanern ein Gebiet kaufen konnte, das etwa halb so groß war wie die Schweiz. Niemand stand ihm dabei im Weg, da es sich vorwiegend um aride Landschaften handelte, die vordergründig für Landwirtschaft und Viehzucht wenig geeignet erschienen. Doch durch ein geschicktes Aufstauen der vielen Bäche, die dieses Gebiet durchzogen, schuf Sutter aus einer Einöde ein landwirtschaftliches Paradies, in das er Siedler aus Deutschland und der Schweiz holen ließ.
Und in dieses Paradies platzte am 24. Januar 1848 die Nachricht, daß James Wilson Marshall bei seiner Inspektion des Wasserlaufes der neuen Sägemühle im Flußbett zwei kleine Goldklumpen gefunden hatte. Sutter versuchte sofort, den "Schaden" zu begrenzen, in dem er alle Beteiligten um Stillschweigen bat. Doch wer hätte eine derartige Sensationsnachricht verheimlichen können, und prompt verbreitete sich das Gerücht wie ein Lauffeuer. Sechs Wochen nach dem ersten Fund hatten praktisch alle Arbeiter von Sutters Farm ihren Posten verlassen, um auf seinem Land nach Gold zu suchen. Vier Monate darauf war die damals noch überschaubare Bevölkerung von San Francisco von einigen Hundert auf etwa ein Dutzend zurückgegangen. Die bereits oben erwähnte Lokalzeitung stellte mit der Schlagzeile ihr Erscheinen ein: "Das ganze Land hallt wider vom schmutzigen Ruf Gold ! Gold !!!, während das Feld halb besät verwaist, das Haus halb gebaut und alles verlassen steht".
Natürlich erregten diese Vorkommnisse auch das Interesse der Regierung. Der Gouverneur von Kalifornien, Colonel George Mason, brach im Juni 1848 selbst zu einer Inspektionsreise auf, um zu ergründen, ob an den Gerüchten etwas dran war. Er besuchte die Goldfelder und fand dort ca. viertausend Goldgräber vor, die täglich Gold im Wert zwischen dreißigtausend und fünfzigtausend Dollar auswuschen. Der ausführliche Bericht des Gouverneurs an die Regierung in Washington war am 17. August fertig, und um dessen Glaubwürdigkeit zu erhöhen, legte er der Sendung eine Teedose bei, die Gold im Wert von knapp viertausend Dollar enthielt. Dieser Bericht kam den Politikern in Washington, allen voran dem damaligen Präsidenten James Knox Polk, höchst gelegen, denn Kalifornien befand sich erst seit einem Jahr im Besitz der Vereinigten Staaten. Ein Krieg und die Kaufsumme von fünfzehn Millionen Dollar waren nötig gewesen, um dieses Gebiet von Mexiko zu erlangen. Und die amerikanische Öffentlichkeit war anfangs von diesem Vorgehen nicht allzu begeistert, denn insbesondere in den Nordstaaten monierte man die hohen Kosten und befürchtete zudem, daß Kalifornien sich auf die Seite der sklavenhaltenden Südstaaten schlagen könnte. Dagegen bot der Bericht von Governor Mason Argumente, die Politik der Regierung zu rechtfertigen. So nahm es kaum Wunder, daß plötzlich viele Zeitungen Artikel veröffentlichten, die die kalifornischen Goldfunde begeistert feierten und dabei auch ein wenig übertrieben. So war die Rede von tausend Dollar Tagesverdienst eines einzelnen "Diggers" und von gefundenen Goldklumpen, die über sieben Pfund wogen. Daß die Aussicht auf derartige Gewinne viele unternehmungslustige Männer nach Kalifornien zog, ist mehr als nachvollziehbar, so daß sich die Bevölkerungszahl des Staates 1849 bereits verdoppelt hatte und gegen Ende der 50er Jahre 380.000 Menschen dort lebten. Vor allem kamen junge Männer, oft nicht die ärmsten der Armen, denn die Reise von der Ostküste in das gelobte Land war mit erheblichen Kosten verbunden und konnten sich in erster Linie nur erfolgreiche Farmerssöhne, reiche Erben, Händler oder Angehörige der freien Berufe wie Rechtsanwälte und Ärzte leisten.
Drei Wege standen den Reisewilligen zur Verfügung. Da war zum einen die Route quer durch den amerikanischen Kontinent entlang der Trails, ein Weg, den auch die Siedler benutzten, die neues Land im Westen urbar machen wollten. Dieser Weg hatte jedoch zwei gravierende Nachteile: er galt zwar als die billigste Reisemöglichkeit, gleichzeitig jedoch auch als strapaziös und gefährlich. Die zweite Möglichkeit bot der Seeweg rund um Kap Horn, bei dem rund 13.000 Seemeilen zurückgelegt werden mußten und auf dem die Reisenden nach rund sechs Monaten ihr Ziel erreichten. Zwar war dies schneller als die kostengünstigere Reise auf dem Landweg, jedoch setzte dies mindestens dreihundert Dollar Reisegeld voraus, eine für damalige Zeiten stattliche Summe. Besonders Clevere versuchten sich daher an einer Mischung aus Land- und Seeweg. Sie fuhren per Schiff zur Landenge von Panama und überquerten diese entweder zu Fuß oder mit Hilfe von Einbäumen, die von Indios gerudert wurden. Diese Passage galt als nicht ungefährlich, da Cholera und Malaria in diesen Gebieten grassierten. Doch blieb man gesund, konnte man von dort aus innerhalb von fünf Tagen am Pazifik sein und mußte sich anschließend bemühen, weiter per Schiff nach Kalifornien zu gelangen.
Der riesige Besitz von Sutter, auf dem das erste Gold gefunden worden war, stellte natürlich einen besonderen Anziehungspunkt für die Goldgräber dar. Sutter versuchte, sich gegen diese menschliche Überflutung zu schützen, indem er beim Gouverneur um Schutz seines Besitzes nachsuchte und den Beamten bewies, daß er sein Territorium von den mexikanischen Vorbesitzern ordnungsgemäß erworben hatte. Sein Pech war, daß der neue amerikanische Gouverneur diesen Anspruch nicht anerkennen wollte, da dieser sich dessen bewußt war, daß die amerikanische Regierung Sutter aufgrund des Mangels an Exekutivkräften nicht schützen konnte. Das Recht der Besitzenden auf ihr Eigentum, ansonsten ein geheiligtes Dogma in den Staaten, wurde zumindest während dieser ersten "heißen" Phase des Goldrausches außer Kraft gesetzt. Den "Diggern" kam dieser anfänglich rechtlose Zustand natürlich entgegen, so daß sie sich zunächst ihre eigene Rechtsprechung und "Verwaltung" schufen. Besonders in den ersten beiden Jahren etablierte sich ein erstaunlich gut funktionierendes System einer Basisdemokratie. Wenn so viele Goldgräber in einem Bezirk versammelt waren, daß Probleme nicht mehr mittels mündlicher Absprachen geregelt werden konnten, kam man zu Versammlungen zusammen. Dort legte man zunächst die Grenzen des Bezirks fest, für den die Beschlüsse gelten sollten. Dann bestimmte man die Größe der einzelnen Claims, wie viele Claims ein Goldgräber besitzen durfte und andere Modalitäten. Gleichzeitig wurde ein "Beamter" für exekutive Aufgaben gewählt und die Strafen festgelegt, die bei Zuwiderhandlungen gelten sollten. Nicht immer gingen Konflikte friedlich aus, da praktisch jeder "Digger" bewaffnet und durchaus bereit war, seinem Recht mit der Waffe in der Hand Nachdruck zu verleihen. Als Strafen standen lediglich Prügel, die Ausweisung aus dem Gebiet oder der Tod zur Verfügung, da die Camps nicht über Gefängnisse verfügten. Diese rechtliche Situation dauerte nur bis ca. 1850, als Kalifornien die entprechende Bevölkerungszahl aufwies, um als neuer Staat in die amerikanische Konföderation aufgenommen zu werden.
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