Ein brisantes Thema. Nun soll der der Verräter der damalige Notar Arnold van den Bergh gewesen sein. Brisant ist die Thematik deshalb, weil van den Berg selbst Jude war.
Das "Tagebuch der Anne Frank" habe ich nie gelesen. Auffallend sollen aber gewisse stilistische Ungereimtheiten im Gesamtwerk gewesen sein, so daß nicht zwingend davon auszugehen ist, daß das Buch ausschließlich aus der Feder Anne Franks stammt.
Es ging nicht nur um inhaltliche Auslassungen, die Otto Frank, der Vater des Mädchens, vorgenommen haben soll. Auch sind nicht unerhebliche Teile des Tagebuchs mit blauer Kugelschreiberpaste geschrieben worden, die es aber erst ab 1951 gegeben hat. Letztendlich hat es zu Lebzeiten von Otto Frank zahlreiche Prozesse um die Frage nach der Authentizität gegeben, wobei nicht zuletzt auch kommerzielle Interessen im Vordergrund standen, nachdem sich das Buch zum Bestseller entwickelt hatte.
"Das mit der blauen Kugelschreiberpaste habe ich zuvor noch nie gehoert, nur dass es Otto Frank deshalb so wichtig war, zu beweisen, dass seine Tochter gelebt hat, um die ewig gestrigen Neo Nazi Auschwitz-Bezweifler ENDLICH ein fuer alle Mal zum Schweigen zu bringen."
Das wird nicht gelingen. Für diese Leute hat das so alles nicht stattgefunden. Ich hatte mal einen Kunden, einen Busunternehmer und ehemaligem SS-Offizier. Der hatte für alles eine Erklärung. Zunächst einmal konnte er sich das nicht vorstellen, dass man damals vorsätzlich Menschen umgebracht hat. Die Rampe in Auschwitz, Selektion in Arbeitsfähige und nicht Arbeitsfähige, Gaskammern, Leichenberge? Propaganda der Siegermächte! Natürlich gab es die Krematorien, schließlich habe man ja mit Seuchen zu kämpfen gehabt in den Lagern meinte er, und dadurch starben auch viele, aber eben eines "natürlichen" Todes. Schließlich wäre die Menschen in den Lagern ja auch geschwächt gewesen durch die schlechte unzureichende Ernährung, aber, so meinte er, auch das deutsche Volk hätte ja gehungert. Diese ganzen Ausflüchte sind natürlich völlig aus der Luft gegriffen, Hunger gab es in Deutschland während des Krieges nicht, und warum diese Menschen überhaupt deportiert wurden, kein Ton dazu. Er hatte sich seine Wahrheit zurechtgelegt, und ich glaube, er hat da selbst dran geglaubt oder zumindest glauben wollen.
Bei meinem Vater hat es gereicht, dass er ein uneheliches Kind war, dessen Mutter nach USA ausgewandert war (ihn zurücklassend bei einer fremden Familie als "Kostbalg") um ihn als rassisch suspekt aus der Armee zu werfen (immerhin mitten im Krieg) und ihn dann einige Zeit später in ein KZ zu stecken. Dort hat er gelitten bis zur Befreiung.
Soweit die Lehrbücher das hergeben, sollten die Bombardierungen das deutsche Volk dazu bringen, gegen die "Obrigen" aufzubegehren und zu kapitulieren. Das hat nicht funktioniert, da hatte man die Propagandamaschine der Nazis doch stark unterschätzt. Stattdessen wurde die Grausamkeit des Feindes betont, was einen fassungslos machen kann, angesichts der Grausamkeiten der SS und auch der Wehrmacht die mordend gen Osten zogen.
Die Menschen hatten um so mehr Angst vor der Kapitulation, lebten wohl in der Hoffnung, der "Führer" hätte hoffentlich noch ein paar Trümpfe im Ärmel. Die hatte er aber nicht, Gott sei Dank! Vermutlich würde ich sonst hier nicht schreiben können, mein Vater war ein "rassisch Verfolgter" . Eigentlich auf Verdacht, denn er hat den Polenfeldzug mitgemacht und sollte zum Unteroffizier befördert werden. Dabei fiel erst auf, dass er keinen Ariernachweis erbringen konnte. Er wurde aus der Armee entlassen, was ironischerweise wohl dazu geführt hat, dass er den Krieg im KZ überlebt hat. Die meisten seiner Kameraden sind an der Ostfront gefallen.
Über meine Großmutter weiß ich nicht viel, und das was ich weiß. spricht nicht unbedingt für sie. Nach dem Krieg hat sie ihre Verwandten in Deutschland besucht, hat aber keinen Kontakt aufgenommen mit meinem Vater. Der wiederum wusste nicht, dass sie in Deutschland war. Wer mein leiblicher Großvater ist, das hat sie mit ins Grab genommen. Irgendwann ist sie im Alter von über 80 mit dem Auto gegen einen Baum gefahren.
Ausgewandert ist sie ungefähr in den 1920er Jahren.
Vorab muss noch gesagt werden, dass meine Vater von sich aus nichts erzählt hat aus dieser Zeit. So, als wäre es ihm peinlich, unangenehm gewesen (okay, war es wohl auch) . Auch auf Nachfragen kamen so gut wie keine Informationen von ihm. Zufällig war ich aber Ende der 70er bis Mitte 80er in einer Filiale in dem Ort beschäftigt, in dem mein Vater aufwuchs und hatte es dort überwiegend mit Landwirten als Kunden zu tun. Oft wurde ich von den älteren Bauern gefragt, ob mein Vater "der Erich" wäre, nachdem sie meinen Nachnamen gehört hatten (den gab es in diesem Ort wohl nur ein einziges mal damals wie heute) . Meine Schwester wiederum hatte ein paar Jahre ein Haus in diesem Ort, und erfuhr so von den Nachbarn vieles über meinen Vater. So wissen wir heute, dass er der Ernährer der Familie war. Er half den Bauern bei der Ernte, im Stall oder beim Ausfüllen von Formularen und Schreibarbeiten, was den Landwirten wohl seinerzeit nicht so leicht fiel. Dafür wurde er in Naturalien entlohnt, die seiner "Stieffamilie" zugute kamen. Er war übrigens immer nur Familienmitglied zweier Klasse, was ihn wohl sehr geschmerzt hat, und was man ihn in der Nachkriegszeit auch hat spüren lassen.
Viele der Zeitzeugen hatten sich gewundert, dass mein Vater von der Kavallerie zurück kam obwohl der Krieg noch nicht zu Ende war. Und später hatte man sich gewundert, dass er noch nicht verhaftet war, denn irgendetwas konnte ja nicht stimmen mit ihm.
Mein Vater hatte bereits vor seiner Inhaftierung unter Repressalien zu leiden. Man hatte ihn wegen dem fehlenden Ariernachweis zwar aus der Armee entlassen, aber nun war er ein junger gesunder Mann, der nicht an der Front war. Aus einem Arbeitszeugnis von ihm weiß ich, dass man seinen Arbeitgeber unter Druck gesetzt hat. So durfte er nicht mehr als Buchhalter arbeiten, sondern musste "niedere Arbeiten" verrichten, Werkstatt und Hof kehren, Lagerarbeiten, Kohlen schleppen etc. . Zwischenzeitlich wurde er immer wieder aufgefordert, sich "freiwillig" zu melden, denn so langsam gingen der Wehrmacht die Soldaten aus.
Dazu hat sich mein Vater tatsächlich selbst geäußert. Er schrieb an seinen ehemaligen vorgesetzten Offizier, ob er wieder in diese Einheit zurück könnte, wenn er sich tatsächlich meldet. Dieser schrieb ihm zurück, dass er das lassen soll, denn er würde in einer sogenannten Bewährungseinheit landen, und diese Menschen waren nur Kanonenfutter, da haben nicht viele überlebt. Also hat mein Vater sich nicht gemeldet und wurde dann irgendwann unter einem Vorwand (vermutlich Asozialer) inhaftiert.
Und nun zu der Frage, wie es ihm nach dem Krieg erging. Er musste lange kämpfen, bis man ihn schließlich als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt hat. Eine Haftentschädigung gab es nicht, vieles, was die Behörden ins Feld geführt haben, kann man nur als grotesk empfinden. Er war kein Vertriebener, kein Jude, die Haftgründe unklar etc. . Immerhin bekam er eine Art Steuererleichterung, die meine Mutter noch heute geltend machen kann.
Mein Vater hatte keine Probleme, eine Arbeitsstelle zu finden (nach dem Krieg gab es ja fast die freie Auswahl). Eine erste kurze Ehe ging schief (das hat er totgeschwiegen)
Ich habe erst nach und nach verstanden, dass ein Jahr in einem KZ, in dem man völlig der Willkür der Wachen ausgeliefert ist, in frostiger Kälte antreten muss, unterernährt, dass nach so einer Tortur nicht einfach alles wieder "normal" sein kann. Neben einer Narbe am Bein hatte er viele Narben auf der Seele davongetragen. Er hat die Vergangenheit verdrängt, wollte nichts mehr davon wissen, wollte sich nicht erinnern.
Wichtig war ihm das Essen und seine Zigarren sowie seine regelmäßigen Skatabende.
Er hatte mit 65 seinen ersten Schlaganfall, mit 71 ist er gestorben. Ich bin zwar sein über 10 Jahren Nichtraucher, aber ein oder zwei mal im Jahr stecke ich an seinem Grab eine Zigarre an und steck die dann in sein Grabgebinde. Ich denke, er hätte seinen Spaß dran![]()
Tja, auf "Flüchtlinge" war mein Vater meistens nicht gut zu sprechen , denn die bekamen "alles" und er bekam "nichts" vom Staat. Da hat er es sich sehr einfach gemacht. In dem Dorf, in dem ich aufwuchs, gab es tatsächlich noch Holzbaracken, in denen Flüchtlinge lebten. Im Winter roch es recht stark dort, denn die mussten heizen mit dem was da war, feuchtes Holz, Braunkohle etc.
Natürlich entstanden dort auch bald die von den Einheimischen so genannten "Flüchtlingssiedlungen", also die Neubaugebiete mit den Straßennamen wie Breslauer Straße usw., die an die alte Heimat erinnern sollten.
Versuche meines Vaters, etwas ähnliches zu bewerkstelligen, scheiterten. Das Land Hessen signalisierte zwar Zustimmung, doch die Gemeinde machte da nicht mit, die hatten mit dem Bauland lukrativere Pläne.
Interessant die Sache mit der Unterernährung. In meinem Umfeld wurden damals Kinder zur "Erholung", verschickt. Die wurden gesammelt, mit dem Zug hingebracht, und dort ein paar Wochen aufgepäppelt. Wer das initiierte, weiß ich nicht, ob Jugendamt oder die Eltern selbst. Dort gab es, so mir ein Nachbarskind erzählte, ein strenges Regiment, früh aufstehen, viel essen, Sport, Mittag viel essen, Mittagsschlaf, viel essen, früh ins Bett. Mir blieb das erspart, ich wäre vor Heimweh vermutlich gestorbenAn Lebensmitteln hat es mir und meiner Schwester nie gemangelt, es gab stets mehr als wir essen konnten.
Dem Nachbarskind hat es aber gut gefallen, sie kam mit neu gelernten Liedern und roten Wangen zurück.
Tatsächlich wurden überwiegend Kinder aus sozial schwächeren Familien "verschickt". Ein Arzt hätte das für sein Kind vermutlich nicht einfordern können. Auch wir (meine Schwester und ich) blieben verschont. Meine Eltern wollten wohl nicht zu diesem Kreis gehören.
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