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    Freitag, 28. Januar 2022, 16:45

    Neues Buch zum Thema Anne Frank

    Ich habe meist ein gutes Gefuehl dafuer, welche Buecher aus dem Amerikanischen ins Deutsche uebersetzt werden und welche nicht.
    Dieses neue Buch von Rosemary Sullivan (Who betrayed Anne Frank?) wird mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht ins Deutsche uebersetzt werden, deshalb moechte ich wenigstens hier in der Plauderecke darauf aufmerksam machen.
    Rosemary Sullivan berichtet in ihrem Buch ueber ein hollaendisch-amerikanisches Team von Historikern mit einem ehemaligen FBI Agenten im Ruhestand (Vince Pankoke) als team lead. Mit modernen Methoden machte sich dieses Team von 2015 bis 2021 daran, den cold case zu loesen, wer damals das Versteck in der Prinsengracht 263 in Amsterdam verraten hat.
    Wow! Diesmal lag ich falsch. Das Buch erscheint am 22. Maerz tatsaechlich auf Deutsch:
    https://www.amazon.de/-/en/Rosemary-Sull…ks%2C170&sr=1-1

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    Freitag, 28. Januar 2022, 19:02

    Wer verriet Anne Frank ?

    Ein brisantes Thema. Nun soll der Verräter der damalige Notar Arnold van den Bergh gewesen sein. Brisant ist die Thematik deshalb, weil van den Bergh selbst Jude war.
    Das "Tagebuch der Anne Frank" habe ich nie gelesen. Auffallend sollen aber gewisse stilistische Ungereimtheiten im Gesamtwerk gewesen sein, so daß nicht zwingend davon auszugehen ist, daß das Buch ausschließlich aus der Feder Anne Franks stammt.

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    Dienstag, 1. Februar 2022, 18:51

    RE: Wer verriet Anne Frank ?

    Ihr Vater hielt ja einige Seiten des Tagebuchs Zeit seines Lebens zurueck, die erst nach seinem Tod in der ueberarbeiteten Anne Frank Gesamtausgabe (etwa 1985) erschienen ist. Sie waren ihm zu intim bzw Anne Frank kritisierte darin ihre Mutter.
    Ein brisantes Thema. Nun soll der der Verräter der damalige Notar Arnold van den Bergh gewesen sein. Brisant ist die Thematik deshalb, weil van den Berg selbst Jude war.
    Das "Tagebuch der Anne Frank" habe ich nie gelesen. Auffallend sollen aber gewisse stilistische Ungereimtheiten im Gesamtwerk gewesen sein, so daß nicht zwingend davon auszugehen ist, daß das Buch ausschließlich aus der Feder Anne Franks stammt.

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    Dienstag, 1. Februar 2022, 21:35

    Authentizität des Tagebuchs

    Es ging nicht nur um inhaltliche Auslassungen, die Otto Frank, der Vater des Mädchens, vorgenommen haben soll. Letztendlich hat es zu Lebzeiten von Otto Frank zahlreiche Prozesse um die Frage nach der Authentizität gegeben, wobei nicht zuletzt auch kommerzielle Interessen im Vordergrund standen, nachdem sich das Buch zum Bestseller entwickelt hatte.

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    Mittwoch, 2. Februar 2022, 16:23

    RE: Authentizität des Tagebuchs

    Das mit der blauen Kugelschreiberpaste habe ich zuvor noch nie gehoert, nur dass es Otto Frank deshalb so wichtig war, zu beweisen, dass seine Tochter gelebt hat, um die ewig gestrigen Neo Nazi Auschwitz-Bezweifler ENDLICH ein fuer alle Mal zum Schweigen zu bringen.
    Es ging nicht nur um inhaltliche Auslassungen, die Otto Frank, der Vater des Mädchens, vorgenommen haben soll. Auch sind nicht unerhebliche Teile des Tagebuchs mit blauer Kugelschreiberpaste geschrieben worden, die es aber erst ab 1951 gegeben hat. Letztendlich hat es zu Lebzeiten von Otto Frank zahlreiche Prozesse um die Frage nach der Authentizität gegeben, wobei nicht zuletzt auch kommerzielle Interessen im Vordergrund standen, nachdem sich das Buch zum Bestseller entwickelt hatte.

    6

    Donnerstag, 10. Februar 2022, 20:10

    RE: RE: Authentizität des Tagebuchs

    "Das mit der blauen Kugelschreiberpaste habe ich zuvor noch nie gehoert, nur dass es Otto Frank deshalb so wichtig war, zu beweisen, dass seine Tochter gelebt hat, um die ewig gestrigen Neo Nazi Auschwitz-Bezweifler ENDLICH ein fuer alle Mal zum Schweigen zu bringen."

    Das wird nicht gelingen. Für diese Leute hat das so alles nicht stattgefunden. Ich hatte mal einen Kunden, einen Busunternehmer und ehemaligem SS-Offizier. Der hatte für alles eine Erklärung. Zunächst einmal konnte er sich das nicht vorstellen, dass man damals vorsätzlich Menschen umgebracht hat. Die Rampe in Auschwitz, Selektion in Arbeitsfähige und nicht Arbeitsfähige, Gaskammern, Leichenberge? Propaganda der Siegermächte! Natürlich gab es die Krematorien, schließlich habe man ja mit Seuchen zu kämpfen gehabt in den Lagern meinte er, und dadurch starben auch viele, aber eben eines "natürlichen" Todes. Schließlich wäre die Menschen in den Lagern ja auch geschwächt gewesen durch die schlechte unzureichende Ernährung, aber, so meinte er, auch das deutsche Volk hätte ja gehungert. Diese ganzen Ausflüchte sind natürlich völlig aus der Luft gegriffen, Hunger gab es in Deutschland während des Krieges nicht, und warum diese Menschen überhaupt deportiert wurden, kein Ton dazu. Er hatte sich seine Wahrheit zurechtgelegt, und ich glaube, er hat da selbst dran geglaubt oder zumindest glauben wollen.

    Bei meinem Vater hat es gereicht, dass er ein uneheliches Kind war, dessen Mutter nach USA ausgewandert war (ihn zurücklassend bei einer fremden Familie als "Kostbalg") um ihn als rassisch suspekt aus der Armee zu werfen (immerhin mitten im Krieg) und ihn dann einige Zeit später in ein KZ zu stecken. Dort hat er gelitten bis zur Befreiung.

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    Freitag, 11. Februar 2022, 12:25

    RE: RE: RE: Authentizität des Tagebuchs

    Ex-Nazis traf ich zwar nie (ein Segen, denn da haette ich vermutlich in einer Debatte meine Geduld verloren), dafuer aber genug Menschen meiner Generation und juenger, die auf dem Standpunkt beharren, dass die arme deutsche Zivilbevoelkerung im WW II aufgrund der Bombardierungen auch sehr gelitten habe. So what?

    Verglichen mit dem, was die Juden in den KZ's erlitten kann ich darueber nur lachen, denn diese Zivilbevoelkerung war es schliesslich, die in den 30er Jahren Hitler zugejubelt hat, ihn gewaehlt hat.
    Er warf zuerst Bomben auf London, und was die Allierten dann machten, ist verstaendlich.
    Nein, Mitleid habe ich mit den "armen" deutschen Bombenopfern weiss Gott nicht.
    Stimmt, Hunger gab es erst nach dem WW II.
    Meine Eltern waren 13 bzw 15 als der Krieg zu Ende war, und sagten mir, ohne die C.A.R.E. Pakete aus den USA haetten sie die Nachkriegszeit nicht ueberlebt.
    In England waren Lebensmittel nach dem WW II noch viel laenger rationiert als in Deutschland.
    Wann ist denn Deine Grossmutter in die USA ausgewandert?
    Weisst Du mehr ueber ihr weiteres Leben?
    "Das mit der blauen Kugelschreiberpaste habe ich zuvor noch nie gehoert, nur dass es Otto Frank deshalb so wichtig war, zu beweisen, dass seine Tochter gelebt hat, um die ewig gestrigen Neo Nazi Auschwitz-Bezweifler ENDLICH ein fuer alle Mal zum Schweigen zu bringen."

    Das wird nicht gelingen. Für diese Leute hat das so alles nicht stattgefunden. Ich hatte mal einen Kunden, einen Busunternehmer und ehemaligem SS-Offizier. Der hatte für alles eine Erklärung. Zunächst einmal konnte er sich das nicht vorstellen, dass man damals vorsätzlich Menschen umgebracht hat. Die Rampe in Auschwitz, Selektion in Arbeitsfähige und nicht Arbeitsfähige, Gaskammern, Leichenberge? Propaganda der Siegermächte! Natürlich gab es die Krematorien, schließlich habe man ja mit Seuchen zu kämpfen gehabt in den Lagern meinte er, und dadurch starben auch viele, aber eben eines "natürlichen" Todes. Schließlich wäre die Menschen in den Lagern ja auch geschwächt gewesen durch die schlechte unzureichende Ernährung, aber, so meinte er, auch das deutsche Volk hätte ja gehungert. Diese ganzen Ausflüchte sind natürlich völlig aus der Luft gegriffen, Hunger gab es in Deutschland während des Krieges nicht, und warum diese Menschen überhaupt deportiert wurden, kein Ton dazu. Er hatte sich seine Wahrheit zurechtgelegt, und ich glaube, er hat da selbst dran geglaubt oder zumindest glauben wollen.

    Bei meinem Vater hat es gereicht, dass er ein uneheliches Kind war, dessen Mutter nach USA ausgewandert war (ihn zurücklassend bei einer fremden Familie als "Kostbalg") um ihn als rassisch suspekt aus der Armee zu werfen (immerhin mitten im Krieg) und ihn dann einige Zeit später in ein KZ zu stecken. Dort hat er gelitten bis zur Befreiung.

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    Freitag, 11. Februar 2022, 14:08

    Soweit die Lehrbücher das hergeben, sollten die Bombardierungen das deutsche Volk dazu bringen, gegen die "Obrigen" aufzubegehren und zu kapitulieren. Das hat nicht funktioniert, da hatte man die Propagandamaschine der Nazis doch stark unterschätzt. Stattdessen wurde die Grausamkeit des Feindes betont, was einen fassungslos machen kann, angesichts der Grausamkeiten der SS und auch der Wehrmacht die mordend gen Osten zogen.
    Die Menschen hatten um so mehr Angst vor der Kapitulation, lebten wohl in der Hoffnung, der "Führer" hätte hoffentlich noch ein paar Trümpfe im Ärmel. Die hatte er aber nicht, Gott sei Dank! Vermutlich würde ich sonst hier nicht schreiben können, mein Vater war ein "rassisch Verfolgter" . Eigentlich auf Verdacht, denn er hat den Polenfeldzug mitgemacht und sollte zum Unteroffizier befördert werden. Dabei fiel erst auf, dass er keinen Ariernachweis erbringen konnte. Er wurde aus der Armee entlassen, was ironischerweise wohl dazu geführt hat, dass er den Krieg im KZ überlebt hat. Die meisten seiner Kameraden sind an der Ostfront gefallen.
    Über meine Großmutter weiß ich nicht viel, und das was ich weiß. spricht nicht unbedingt für sie. Nach dem Krieg hat sie ihre Verwandten in Deutschland besucht, hat aber keinen Kontakt aufgenommen mit meinem Vater. Der wiederum wusste nicht, dass sie in Deutschland war. Wer mein leiblicher Großvater ist, das hat sie mit ins Grab genommen. Irgendwann ist sie im Alter von über 80 mit dem Auto gegen einen Baum gefahren.
    Ausgewandert ist sie ungefähr in den 1920er Jahren.

    9

    Freitag, 11. Februar 2022, 14:39

    Ich staune immer wieder, dass viele Amerikanerinnen noch mit 95 Jahren im eigenen Haus leben und mit ihren Autos einkaufen fahren (hoerte das von mehreren amerikanischen Freundinnen ueber deren Muetter).
    Wie hat Dein Vater die Nachkriegszeit erlebt?
    Mein Vater starb 2011 mit 80 Jahren.
    Soweit die Lehrbücher das hergeben, sollten die Bombardierungen das deutsche Volk dazu bringen, gegen die "Obrigen" aufzubegehren und zu kapitulieren. Das hat nicht funktioniert, da hatte man die Propagandamaschine der Nazis doch stark unterschätzt. Stattdessen wurde die Grausamkeit des Feindes betont, was einen fassungslos machen kann, angesichts der Grausamkeiten der SS und auch der Wehrmacht die mordend gen Osten zogen.
    Die Menschen hatten um so mehr Angst vor der Kapitulation, lebten wohl in der Hoffnung, der "Führer" hätte hoffentlich noch ein paar Trümpfe im Ärmel. Die hatte er aber nicht, Gott sei Dank! Vermutlich würde ich sonst hier nicht schreiben können, mein Vater war ein "rassisch Verfolgter" . Eigentlich auf Verdacht, denn er hat den Polenfeldzug mitgemacht und sollte zum Unteroffizier befördert werden. Dabei fiel erst auf, dass er keinen Ariernachweis erbringen konnte. Er wurde aus der Armee entlassen, was ironischerweise wohl dazu geführt hat, dass er den Krieg im KZ überlebt hat. Die meisten seiner Kameraden sind an der Ostfront gefallen.
    Über meine Großmutter weiß ich nicht viel, und das was ich weiß. spricht nicht unbedingt für sie. Nach dem Krieg hat sie ihre Verwandten in Deutschland besucht, hat aber keinen Kontakt aufgenommen mit meinem Vater. Der wiederum wusste nicht, dass sie in Deutschland war. Wer mein leiblicher Großvater ist, das hat sie mit ins Grab genommen. Irgendwann ist sie im Alter von über 80 mit dem Auto gegen einen Baum gefahren.
    Ausgewandert ist sie ungefähr in den 1920er Jahren.

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    Dienstag, 15. Februar 2022, 09:34

    Vorab muss noch gesagt werden, dass meine Vater von sich aus nichts erzählt hat aus dieser Zeit. So, als wäre es ihm peinlich, unangenehm gewesen (okay, war es wohl auch) . Auch auf Nachfragen kamen so gut wie keine Informationen von ihm. Zufällig war ich aber Ende der 70er bis Mitte 80er in einer Filiale in dem Ort beschäftigt, in dem mein Vater aufwuchs und hatte es dort überwiegend mit Landwirten als Kunden zu tun. Oft wurde ich von den älteren Bauern gefragt, ob mein Vater "der Erich" wäre, nachdem sie meinen Nachnamen gehört hatten (den gab es in diesem Ort wohl nur ein einziges mal damals wie heute) . Meine Schwester wiederum hatte ein paar Jahre ein Haus in diesem Ort, und erfuhr so von den Nachbarn vieles über meinen Vater. So wissen wir heute, dass er der Ernährer der Familie war. Er half den Bauern bei der Ernte, im Stall oder beim Ausfüllen von Formularen und Schreibarbeiten, was den Landwirten wohl seinerzeit nicht so leicht fiel. Dafür wurde er in Naturalien entlohnt, die seiner "Stieffamilie" zugute kamen. Er war übrigens immer nur Familienmitglied zweier Klasse, was ihn wohl sehr geschmerzt hat, und was man ihn in der Nachkriegszeit auch hat spüren lassen.

    Viele der Zeitzeugen hatten sich gewundert, dass mein Vater von der Kavallerie zurück kam obwohl der Krieg noch nicht zu Ende war. Und später hatte man sich gewundert, dass er noch nicht verhaftet war, denn irgendetwas konnte ja nicht stimmen mit ihm.

    Mein Vater hatte bereits vor seiner Inhaftierung unter Repressalien zu leiden. Man hatte ihn wegen dem fehlenden Ariernachweis zwar aus der Armee entlassen, aber nun war er ein junger gesunder Mann, der nicht an der Front war. Aus einem Arbeitszeugnis von ihm weiß ich, dass man seinen Arbeitgeber unter Druck gesetzt hat. So durfte er nicht mehr als Buchhalter arbeiten, sondern musste "niedere Arbeiten" verrichten, Werkstatt und Hof kehren, Lagerarbeiten, Kohlen schleppen etc. . Zwischenzeitlich wurde er immer wieder aufgefordert, sich "freiwillig" zu melden, denn so langsam gingen der Wehrmacht die Soldaten aus.

    Dazu hat sich mein Vater tatsächlich selbst geäußert. Er schrieb an seinen ehemaligen vorgesetzten Offizier, ob er wieder in diese Einheit zurück könnte, wenn er sich tatsächlich meldet. Dieser schrieb ihm zurück, dass er das lassen soll, denn er würde in einer sogenannten Bewährungseinheit landen, und diese Menschen waren nur Kanonenfutter, da haben nicht viele überlebt. Also hat mein Vater sich nicht gemeldet und wurde dann irgendwann unter einem Vorwand (vermutlich Asozialer) inhaftiert.

    Und nun zu der Frage, wie es ihm nach dem Krieg erging. Er musste lange kämpfen, bis man ihn schließlich als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt hat. Eine Haftentschädigung gab es nicht, vieles, was die Behörden ins Feld geführt haben, kann man nur als grotesk empfinden. Er war kein Vertriebener, kein Jude, die Haftgründe unklar etc. . Immerhin bekam er eine Art Steuererleichterung, die meine Mutter noch heute geltend machen kann.

    Mein Vater hatte keine Probleme, eine Arbeitsstelle zu finden (nach dem Krieg gab es ja fast die freie Auswahl). Eine erste kurze Ehe ging schief (das hat er totgeschwiegen)

    Ich habe erst nach und nach verstanden, dass ein Jahr in einem KZ, in dem man völlig der Willkür der Wachen ausgeliefert ist, in frostiger Kälte antreten muss, unterernährt, dass nach so einer Tortur nicht einfach alles wieder "normal" sein kann. Neben einer Narbe am Bein hatte er viele Narben auf der Seele davongetragen. Er hat die Vergangenheit verdrängt, wollte nichts mehr davon wissen, wollte sich nicht erinnern.

    Wichtig war ihm das Essen und seine Zigarren sowie seine regelmäßigen Skatabende.

    Er hatte mit 65 seinen ersten Schlaganfall, mit 71 ist er gestorben. Ich bin zwar sein über 10 Jahren Nichtraucher, aber ein oder zwei mal im Jahr stecke ich an seinem Grab eine Zigarre an und steck die dann in sein Grabgebinde. Ich denke, er hätte seinen Spaß dran ;)

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    Dienstag, 15. Februar 2022, 11:17

    Vielen Dank, Armin.
    Das ist eine erschuetternde Geschichte.
    Meine Grossmuter muetterlicherseits gab ihr Gut bei Kalisz in Polen auf, als die Russen im Januar 1945 immer naeher heranrueckten. Sie floh mit Mann und Tochter nach Westdeutschland, ihr Mann starb unterwegs an den Strapazen. Er hatte ein schwaches Herz. Meine Oma arbeitete dann jahrelang in einer Fabrik.

    Nach viel Hin und Her erhielt sie zu Beginn der 60er Jahre schliesslich doch noch Lastenausgleich und konnte sich davon eine kleine Eigentumswohnung an der Schleissheimer Strasse in Muenchen (nahe beim spaeteren Olympia Gelaende) leisten.

    Dort verbrachte ich viele Sommerferien, waehrend meine Eltern (mit denen ich mich nicht allzu gut verstand) am Mittelmeer Urlaub machten. Ich ging oft in Schwabing allein ins Kino, und so entwickelte ich mich nach und nach zum movie buff. Die Liebe zum Film und zur Literatur ist mir bis heute geblieben.

    Meinem Vater blieb zwar die Hitler Jugend erspart, aber als er 1948 Medizin in Leipzig studieren wollte, durfte er lediglich Sport studieren, da sein Vater Apotheker war (und in der Ex-DDR gab es ja solche bloedsinnigen, willkuerlichen Beschraenkungen, denen zufolge das Kind eines Akademikers unter keinen Umstaenden selbst auch ein Akademiker werden durfte).
    Das trieb meinen Vater dazu, die Ex-DDR ca. 1949 zu verlassen, und er studierte dann zuerst in Erlangen (spaeter in Muenchen) Medizin, wo er 1954 meine Mutter kennenlernte, die dort Biologie & Chemie studierte.
    Meine Eltern waren beide Fluechtlinge und wurden als solche von den in Westdeutschland Ansaessigen nicht allzu freundlich aufgenommen. Vermutlich hat mich das in meiner Kindheit und Jugend etwas beeinflusst und mir die Auswanderung in die USA leichter gemacht. Ich sah Deutschland nie als meine Heimat, als meine Wurzeln an.

    Viel mehr weiss ich ueber die Zeit vor meiner Geburt nicht. Das wenige, das ich weiss, hat mir mein Onkel erzaehlt, der juengere Bruder meines Vaters.
    Mein Vater finanzierte sich das Studium mit Schlacke fahren in einer Fabrik, Fotos von Berliner Touristen in Muenchen machen und selbst entwickeln, und mit dem Verkauf des Abendkuriers als Zeitungsverkaeufer.

    Meine Mutter gab ihr Studium auf und arbeitete bei Siemens im Buero.Ich war in einer Muenchner Kinderkrippe, wo es zuwenig Essen gab. Immer wieder war ich unterernaehrt und wurde dann auf dem Motorrad zwischen meinen Eltern sitzend zu meiner Oma, die in den 50er Jahren noch in Amberg/Oberpfalz lebte, gebracht, wo ich monatelang wieder aufgepaeppelt wurde. Dann kam ich wieder nach Muenchen, in der Krippe gab es nach wie vor zuwenig Essen, und nach einigen Monaten brachten mich meine Eltern erneut nach Amberg etc etc.
    Vorab muss noch gesagt werden, dass meine Vater von sich aus nichts erzählt hat aus dieser Zeit. So, als wäre es ihm peinlich, unangenehm gewesen (okay, war es wohl auch) . Auch auf Nachfragen kamen so gut wie keine Informationen von ihm. Zufällig war ich aber Ende der 70er bis Mitte 80er in einer Filiale in dem Ort beschäftigt, in dem mein Vater aufwuchs und hatte es dort überwiegend mit Landwirten als Kunden zu tun. Oft wurde ich von den älteren Bauern gefragt, ob mein Vater "der Erich" wäre, nachdem sie meinen Nachnamen gehört hatten (den gab es in diesem Ort wohl nur ein einziges mal damals wie heute) . Meine Schwester wiederum hatte ein paar Jahre ein Haus in diesem Ort, und erfuhr so von den Nachbarn vieles über meinen Vater. So wissen wir heute, dass er der Ernährer der Familie war. Er half den Bauern bei der Ernte, im Stall oder beim Ausfüllen von Formularen und Schreibarbeiten, was den Landwirten wohl seinerzeit nicht so leicht fiel. Dafür wurde er in Naturalien entlohnt, die seiner "Stieffamilie" zugute kamen. Er war übrigens immer nur Familienmitglied zweier Klasse, was ihn wohl sehr geschmerzt hat, und was man ihn in der Nachkriegszeit auch hat spüren lassen.

    Viele der Zeitzeugen hatten sich gewundert, dass mein Vater von der Kavallerie zurück kam obwohl der Krieg noch nicht zu Ende war. Und später hatte man sich gewundert, dass er noch nicht verhaftet war, denn irgendetwas konnte ja nicht stimmen mit ihm.

    Mein Vater hatte bereits vor seiner Inhaftierung unter Repressalien zu leiden. Man hatte ihn wegen dem fehlenden Ariernachweis zwar aus der Armee entlassen, aber nun war er ein junger gesunder Mann, der nicht an der Front war. Aus einem Arbeitszeugnis von ihm weiß ich, dass man seinen Arbeitgeber unter Druck gesetzt hat. So durfte er nicht mehr als Buchhalter arbeiten, sondern musste "niedere Arbeiten" verrichten, Werkstatt und Hof kehren, Lagerarbeiten, Kohlen schleppen etc. . Zwischenzeitlich wurde er immer wieder aufgefordert, sich "freiwillig" zu melden, denn so langsam gingen der Wehrmacht die Soldaten aus.

    Dazu hat sich mein Vater tatsächlich selbst geäußert. Er schrieb an seinen ehemaligen vorgesetzten Offizier, ob er wieder in diese Einheit zurück könnte, wenn er sich tatsächlich meldet. Dieser schrieb ihm zurück, dass er das lassen soll, denn er würde in einer sogenannten Bewährungseinheit landen, und diese Menschen waren nur Kanonenfutter, da haben nicht viele überlebt. Also hat mein Vater sich nicht gemeldet und wurde dann irgendwann unter einem Vorwand (vermutlich Asozialer) inhaftiert.

    Und nun zu der Frage, wie es ihm nach dem Krieg erging. Er musste lange kämpfen, bis man ihn schließlich als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt hat. Eine Haftentschädigung gab es nicht, vieles, was die Behörden ins Feld geführt haben, kann man nur als grotesk empfinden. Er war kein Vertriebener, kein Jude, die Haftgründe unklar etc. . Immerhin bekam er eine Art Steuererleichterung, die meine Mutter noch heute geltend machen kann.

    Mein Vater hatte keine Probleme, eine Arbeitsstelle zu finden (nach dem Krieg gab es ja fast die freie Auswahl). Eine erste kurze Ehe ging schief (das hat er totgeschwiegen)

    Ich habe erst nach und nach verstanden, dass ein Jahr in einem KZ, in dem man völlig der Willkür der Wachen ausgeliefert ist, in frostiger Kälte antreten muss, unterernährt, dass nach so einer Tortur nicht einfach alles wieder "normal" sein kann. Neben einer Narbe am Bein hatte er viele Narben auf der Seele davongetragen. Er hat die Vergangenheit verdrängt, wollte nichts mehr davon wissen, wollte sich nicht erinnern.

    Wichtig war ihm das Essen und seine Zigarren sowie seine regelmäßigen Skatabende.

    Er hatte mit 65 seinen ersten Schlaganfall, mit 71 ist er gestorben. Ich bin zwar sein über 10 Jahren Nichtraucher, aber ein oder zwei mal im Jahr stecke ich an seinem Grab eine Zigarre an und steck die dann in sein Grabgebinde. Ich denke, er hätte seinen Spaß dran ;)

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    Mittwoch, 16. Februar 2022, 10:14

    Tja, auf "Flüchtlinge" war mein Vater meistens nicht gut zu sprechen , denn die bekamen "alles" und er bekam "nichts" vom Staat. Da hat er es sich sehr einfach gemacht. In dem Dorf, in dem ich aufwuchs, gab es tatsächlich noch Holzbaracken, in denen Flüchtlinge lebten. Im Winter roch es recht stark dort, denn die mussten heizen mit dem was da war, feuchtes Holz, Braunkohle etc.

    Natürlich entstanden dort auch bald die von den Einheimischen so genannten "Flüchtlingssiedlungen", also die Neubaugebiete mit den Straßennamen wie Breslauer Straße usw., die an die alte Heimat erinnern sollten.
    Versuche meines Vaters, etwas ähnliches zu bewerkstelligen, scheiterten. Das Land Hessen signalisierte zwar Zustimmung, doch die Gemeinde machte da nicht mit, die hatten mit dem Bauland lukrativere Pläne.

    Interessant die Sache mit der Unterernährung. In meinem Umfeld wurden damals Kinder zur "Erholung", verschickt. Die wurden gesammelt, mit dem Zug hingebracht, und dort ein paar Wochen aufgepäppelt. Wer das initiierte, weiß ich nicht, ob Jugendamt oder die Eltern selbst. Dort gab es, so mir ein Nachbarskind erzählte, ein strenges Regiment, früh aufstehen, viel essen, Sport, Mittag viel essen, Mittagsschlaf, viel essen, früh ins Bett. Mir blieb das erspart, ich wäre vor Heimweh vermutlich gestorben ;) An Lebensmitteln hat es mir und meiner Schwester nie gemangelt, es gab stets mehr als wir essen konnten.

    Dem Nachbarskind hat es aber gut gefallen, sie kam mit neu gelernten Liedern und roten Wangen zurück.

    13

    Freitag, 18. Februar 2022, 18:47

    Zur Erholung wurde ich nie verschickt.
    Vielleicht wussten meine Eltern in den 50er Jahren nichts davon (oder mein Vater wollte sich als angehender Arzt kein Armutszeugnis ausstellen, dass sein Kind staendig unterernaehrt ist?).
    Aber in den Herbstferien 1966 fuhr ich mit 11 Jahren einmal ins Zeltlager der evangelischen Kirche aus Braunschwerig nach Lenste an der Ostsee und das hat mir riesig gefallen.
    Tja, auf "Flüchtlinge" war mein Vater meistens nicht gut zu sprechen , denn die bekamen "alles" und er bekam "nichts" vom Staat. Da hat er es sich sehr einfach gemacht. In dem Dorf, in dem ich aufwuchs, gab es tatsächlich noch Holzbaracken, in denen Flüchtlinge lebten. Im Winter roch es recht stark dort, denn die mussten heizen mit dem was da war, feuchtes Holz, Braunkohle etc.

    Natürlich entstanden dort auch bald die von den Einheimischen so genannten "Flüchtlingssiedlungen", also die Neubaugebiete mit den Straßennamen wie Breslauer Straße usw., die an die alte Heimat erinnern sollten.
    Versuche meines Vaters, etwas ähnliches zu bewerkstelligen, scheiterten. Das Land Hessen signalisierte zwar Zustimmung, doch die Gemeinde machte da nicht mit, die hatten mit dem Bauland lukrativere Pläne.

    Interessant die Sache mit der Unterernährung. In meinem Umfeld wurden damals Kinder zur "Erholung", verschickt. Die wurden gesammelt, mit dem Zug hingebracht, und dort ein paar Wochen aufgepäppelt. Wer das initiierte, weiß ich nicht, ob Jugendamt oder die Eltern selbst. Dort gab es, so mir ein Nachbarskind erzählte, ein strenges Regiment, früh aufstehen, viel essen, Sport, Mittag viel essen, Mittagsschlaf, viel essen, früh ins Bett. Mir blieb das erspart, ich wäre vor Heimweh vermutlich gestorben ;) An Lebensmitteln hat es mir und meiner Schwester nie gemangelt, es gab stets mehr als wir essen konnten.

    Dem Nachbarskind hat es aber gut gefallen, sie kam mit neu gelernten Liedern und roten Wangen zurück.

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    Montag, 28. Februar 2022, 13:11

    Tatsächlich wurden überwiegend Kinder aus sozial schwächeren Familien "verschickt". Ein Arzt hätte das für sein Kind vermutlich nicht einfordern können. Auch wir (meine Schwester und ich) blieben verschont :). Meine Eltern wollten wohl nicht zu diesem Kreis gehören.

    15

    Montag, 28. Februar 2022, 16:22

    Ich hatte kein glueckkliches Zuhause, und waere sehr gern verschickt worden. Zu meinen gluecklichsten Erinnerungen gehoert das Zeltlager der evangelischen Kirche Braunschweig in Lenste/Ostsee.
    Tatsächlich wurden überwiegend Kinder aus sozial schwächeren Familien "verschickt". Ein Arzt hätte das für sein Kind vermutlich nicht einfordern können. Auch wir (meine Schwester und ich) blieben verschont :). Meine Eltern wollten wohl nicht zu diesem Kreis gehören.

    16

    Mittwoch, 2. März 2022, 11:08

    Oh je, das ist bedauerlich. Meine schönen Erlebnisse, Erinnerungen, enden stets damit, dass ich am Abend wieder zuhause war :)

    17

    Freitag, 4. März 2022, 12:08

    Meine schoenen Erlebnisse und Erinnerungen an meine Kindheit waren die Fuenf Freunde Buecher von Enid Blyton und die britischen CFF Filme.
    Oh je, das ist bedauerlich. Meine schönen Erlebnisse, Erinnerungen, enden stets damit, dass ich am Abend wieder zuhause war :)

    18

    Dienstag, 13. Februar 2024, 18:16

    Tagebuch der Anne Frank

    Das Tagebuch der Anne Frank und auch mindestens eine Verfilmung dieses Themas habe ich gelesen bzw. gesehen und es war beides sehr ergreifend.
    Diese Geschichte der Jahre 1933-1945 (ich verabscheue diese Ideologie dieser Zeit zutiefst)darf sich NIE wiederholen !!!

    Meine Eltern bzw.Großeltern waren Kriegsgeneration,die konnten davon aus erster Hand berichten,sofern sie davon sprachen,was sehr selten vorkam.
    Eine Cousine meines Vaters kam bei einem Luftangriff auf Duisburg am 13.Mai 1943 um´s Leben,verbrannt in einem Luftschutzkeller eines Schuhauses in der Duisburger Innenstadt-mit gerade einmal 17 Jahren
    Jeder Kriegstote - egal auf welcher Seite auch immer - war ein Kriegstoter zu viel !!!

    Das Tagebuch der Anne Frank sollte eigentlich Pflichtlektüre im Schulunterricht heutzutage sein

    Während eines Kuraufenthaltes im jahre 2008 habe ich auch das Buch von Miep Gies,eine der Helferinnen von Anne Frank gelesen mit dem Titel:
    Meine Zeit mit Anne Frank
    ebenfalls sehr empfehlens-bzw.lesenswert

    19

    Mittwoch, 14. Februar 2024, 14:53

    RE: Tagebuch der Anne Frank

    Gut fand ich die Anne Frank Biographie von Melissa Mueller (in der englischen Ausgabe gibt es sogar eine neuere Version mit den neuesten Erkenntnissen), ich habe es auf Deutsch und auf Englisch.
    Die Autobiographie von Miep Gies mag ich besonders gern, wurde mit Mary Steenburgen fuer's US Fernsehen verfilmt und soll auch die ca. 1997 oder 1998 erschienene Doku ueber Anne Frank inspiriert haben, die damals als bester Doku Beitrag einen Academy Award erhielt.
    Willy Lindwer schrieb in Buch ueber Anne Frank's letzte 6 Monate, sehr schwere Kost, aber hervorragend recherchiert.
    Mir persoenlich gefallen die Anne Frank und die Otto Frank Biographien von Carol Ann Lee am besten.
    In der Otto Frank Biographie wurde sogar erwaehnt, dass die Buchhandlung, wo er im Sommer 1942 das beruehmte Tagebuch fuer seine Tochter gekauft hat, heute Jimmink hisst. Wir waren 2019 in dieser Buchhandlung und um die Ecke in der Merwedeplein, wo die Franks vor dem Untertauchen lebten.

    Im Januar las ich ein hervorragendes Buch ueber Anne Frank, das erst letztes Jahr erschien, und zwar von Anne Frank's Freundin Hannah Pick-Goslar, "My Friend Anne Frank". Das ist auch fuer juengere Leser sehr empfehlenswert.
    Das Tagebuch der Anne Frank und auch mindestens eine Verfilmung dieses Themas habe ich gelesen bzw. gesehen und es war beides sehr ergreifend.
    Diese Geschichte der Jahre 1933-1945 (ich verabscheue diese Ideologie dieser Zeit zutiefst)darf sich NIE wiederholen !!!

    Meine Eltern bzw.Großeltern waren Kriegsgeneration,die konnten davon aus erster Hand berichten,sofern sie davon sprachen,was sehr selten vorkam.
    Eine Cousine meines Vaters kam bei einem Luftangriff auf Duisburg am 13.Mai 1943 um´s Leben,verbrannt in einem Luftschutzkeller eines Schuhauses in der Duisburger Innenstadt-mit gerade einmal 17 Jahren
    Jeder Kriegstote - egal auf welcher Seite auch immer - war ein Kriegstoter zu viel !!!

    Das Tagebuch der Anne Frank sollte eigentlich Pflichtlektüre im Schulunterricht heutzutage sein

    Während eines Kuraufenthaltes im jahre 2008 habe ich auch das Buch von Miep Gies,eine der Helferinnen von Anne Frank gelesen mit dem Titel:
    Meine Zeit mit Anne Frank
    ebenfalls sehr empfehlens-bzw.lesenswert