Die Jahre 1964/65 waren Jahre des Wandels in den RGW- Staaten. In der UdSSR wurde Nikita Chruschtschow von dem konservativeren Leonid Breschnew abgelöst, und auch in der seit 1963 liberaleren Kulturpolitik der DDR zeichnete sich seitens des Politbüros eine Rückkehr zu alten Verhaltensmustern ab.
In diesen Jahren war Leipzig das Zentrum der Beatbewegung in der DDR. 1964 schossen entsprechende Musikgruppen, zunächst durchaus von der FDJ gefördert und von den örtlichen Kulturbehörden geduldet, in Leipzig wie Pilze aus dem Boden. Zu den bekanntesten Bands gehörten "The Butlers", "The Schatters", "The Guitar Men" sowie "The Starlets". Tausende von Jugendlichen pilgerten an den Wochenenden in die privat betriebenen Tanzlokale, wo die entsprechenden Beatgruppen ihre Auftritte hatten.
Doch ab dem 11. Oktober 1965 brodelte es gewaltig in der Leipziger Beatszene. Nach den neuesten Vorgaben der SED- Führung in Ost- Berlin wurde im gesamten Bezirk Leipzig fast allen Beatbands die Spielerlaubnis entzogen. Von den 56 im Bezirk registrierten Bands verblieb nur neun eine Spielerlaubnis, fünf der Formationen dagegen wurden komplett verboten. Unter ihnen befanden sich auch die damaligen Stars der Szene, "The Butlers".
Drei Oberschüler aus dem angrenzenden Markleeberg wollten sich mit diesen Entscheidungen nicht abfinden. Mit einem handelsüblichen Kinderstempelkasten druckten sie 174 Flugblätter mit dem Aufruf:
"Beat- Freunde ! Wir finden uns am Sonntag, den 31.10.65, 10 Uhr- Leuschnerplatz zum Protestmarsch ein."
Die Zettel wurden am 25. Oktober in Leipzig verteilt. Die kleinen, eher unscheinbaren Handzettel versetzten daraufhin Partei, Polizei und Staatssicherheit in hektische Betriebsamkeit. In aller Eile wurden die Flugblätter eingesammelt und akribisch die Fundorte registriert, so daß der Aufruf zunächst keine allzu große Resonanz unter den Jugendlichen fand.
Doch für eine Werbung im größeren Rahmen sorgte die SED anschließend selbst. Die Leitungen sämtlicher allgemeinbildender und Berufsschulen wurden angewiesen, ihre Schüler ausdrücklich davor zu warnen, sich an diesem Sonntag in der Gegend des Wilhelm Leuschner- Platzes sehen zu lassen. Durch diese umfangreiche Warnung wurde der besagte Termin unter den Jugendlichen erst allgemein bekannt, und die geplante Beatdemo war fortan in aller Munde. In den Folgetagen tauchten weitere Flugblätter auf, die ebenfalls zu einer Teilnahme an der Protestdemo aufriefen.
Trotz der Warnungen versammelten sich am 31. Oktober 1965 knapp tausend Demonstranten im Zentrum von Leipzig, die meisten von ihnen Schüler und Lehrlinge. Die Einsatzbereitschaften der Volkspolizei fackelten nicht lange und gingen mit Hunden, Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen die jugendlichen Beatfans vor.
279 Demonstranten wurden festgenommen, 144 von ihnen strafrechtlich verfolgt. Bereits wenige Stunden nach ihrer Festnahme wurden 107 Jugendliche zu einem "mehrwöchigen beaufsichtigten Arbeitseinsatz als notwendige Erziehungsmaßnahmen" in den Braunkohletagebau Regis- Breitingen verbracht, wo sie schwere körperliche Arbeiten verrichten mußten. Kurz vor Weihnachten wurden die letzten von ihnen wieder entlassen.
Mit ihrem überharten Vorgehen versuchte die SED, derartige Revolten im Keim zu ersticken, erreichte dies aber nur bedingt. In den darauffolgenden Wochen kam es in Leipzig und Umgebung immer wieder zu neuen Flugblattaktionen und zu aufgemalten Parolen an Ladenfenstern, Litfaßsäulen und Häuserwänden. Eine davon lautete:
"Beatdemonstranten ! Es war ein Erfolg ! Aber viele 100 sind eingekerkert- deshalb 7 XI.- 15 Uhr Leuschnerplatz.
Auch ein Jahr nach der Beatdemo am Leuschnerplatz herrschte immer noch Unruhe unter den jugendlichen Beatfans. So kursierte ein Flugblatt, das zu einer erneuten Beatdemo am 31. Oktober 1966 aufrief. Doch die Staatssicherheit hatte die ganze Angelegenheit weitestgehend unter Kontrolle. Sie verhaftete, verhörte und sorgte für drastische Strafen. So wurde ein achtzehnjähriger Lehrling zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt, weil er anderen Jugendlichen von dem Flugblatt und der geplanten Demonstration erzählt hatte.
Im Jahre 1977 verarbeitete der Leipziger Schriftsteller Erich Loest die Ereignisse auf dem Leuschnerplatz in seinem Roman "Es geht seinen Gang".
www.youtube.com/watch?v=RboUy9DH83E
www.youtube.com/watch?v=4lQGh9OdI5U
www.youtube.com/watch?v=IVtwogP0vTI