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    Dienstag, 17. August 2021, 15:28

    Der Babyboom

    Unter demographischen Gesichtspunkten bilden die 50er und 60er Jahre eine zentrale Phase in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Geburtenziffern stiegen ab ca. Mitte der 50er bis in die späten 60er Jahre wie nie zuvor und nie wieder danach. Dieser "Babyboom" beruhte u.a. darauf, daß viele Eheschließungen durch die wirtschaftlichen und politischen Wirren in den frühen Nachkriegsjahren verschoben worden waren und daß unter den Flüchtlingen aus Mitteldeutschland jüngere Jahrgänge überwogen, die nun heirateten und Familien gründeten. Zur letzteren Kategorie gehörten auch meine Eltern. Mein 1932 geborener Vater begab sich 1951 über die "grüne Grenze" in die Bundesrepublik, meine 1934 in Stendal/ Altmark geborene Mutter folgte über Berlin drei Jahre später nach. Geheiratet haben beide im Jahre 1955.
    Den Statistiken jener Jahre ist eine geradezu "überwältigende Ehefreudigkeit" zu zu entnehmen. Danach hatten 95 % der Menschen mindestens einmal im Leben geheiratet, und beachtliche 94 Prozent der Kinder wurden ehelich geboren. Man kann also ohne Übertreibung von einem "Goldenen Zeitalter der Ehe" sprechen. Die Familie war das millionenfach wie selbstverständlich gelebte bürgerliche Grundmuster und wurde damals als einzig "richtige", gesellschaftlich und juristisch legitimierte private Lebensform betrachtet, und spätere Entwicklungen wie die große Zahl nichtehelicher Lebensgemeinschaften seit den 70er Jahren waren damals noch eine absolute Randerscheinung, die man allenfalls bei Prominenten aus Film und Fernsehen registrierte.
    Hatte im Jahre 1950 die Geburtenzahl noch 813.000 betragen, so stieg sie im Jahre 1960 auf 987.000, verharrte dann einige Jahre auf diesem hohen Niveau und erreichte im Jahre 1970 wieder den Wert von 1950, um in den darauffolgenden Jahrzehnten stark abzufallen.
    Von 1960 bis 1970 stieg die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik von 55,43 Millionen auf 60,85 Millionen, wobei bei den Zahlen dieses Jahrzehnts allerdings auch die Anwerbung und der Zuzug von Gastarbeitern berücksichtigt werden muß.
    Die geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er Jahre sind oft zu Recht als "benachteiligte Generation" bezeichnet worden. Aus dem "Geburtenberg" wurde zunächst ein Schülerberg mit hohen Klassenfrequenzen und zeitweisen Kurzschuljahren, danach ein Lehrlings- und Studentenberg, schließlich ein Berg von Arbeit- und Wohnungssuchenden, und mittlerweile erwächst aus ihnen ein Rentnerberg. Wo die Generation der "Babyboomer" auch auftaucht, kann und wird es eng und knapp werden.
    Zur Generation der "Babyboomer" gehören auch die Tausende von Contergan- Geschädigten als Betroffene des größten Arzneimittel- Skandals der jüngeren Geschichte. Bereits 1957 hatte die Tragödie ihren Lauf genommen, als das Pharmaunternehmen Grünenthal ein neues Schlaf- und Beruhigungsmittel namens "Contergan" auf den Markt brachte, welches die Substanz Thalidomid enthielt. Der Verdacht auf schädliche Nebenwirkungen bei schwangeren Frauen wurde 1961 zur bitteren Gewißheit. Zunächst beschwichtigten alle Seiten, erst als zunehmend in der Öffentlichkeit über den Skandal berichtet wurde, nahm das Unternehmen das nicht ausreichend getestete Mittel aus dem Handel. Rund vier- bis fünftausend mißgebildete Kinder wurden allein in der Bundesrepublik geboren, in ganz Westeuropa waren es über zehntausend. Erst 1970 kam es nach jahrelangen Prozessen zu einem Vergleich zwischen betroffenen Eltern und dem Pharmaunternehmen.
    Der Geburtenrückgang, der dann Ende der 60er Jahre einsetzte, ist nicht ausschließlich auf die Einführung der "Pille" zurückzuführen. Denn als er begann, nahmen noch vergleichsweise wenige Frauen dieses Verhütungsmittel, 1970 waren es lediglich rund 20 Prozent. Die Hauptgründe lagen vor allem in einem Strukturwandel der Familie sowie in der zunehmenden Emanzipation von jungen Frauen und ihrem ökonomischen Erfolgsstreben, dem oft die Kollision von Erwerbsarbeit und den eingeschränkten Möglichkeiten der Kindererziehung entgegenstand. Auch wurde die bürgerliche Form der Ehe als "Funktionsgemeinschaft" von immer mehr jungen Leuten in Frage gestellt und wich einer mehr emotionalen Form der Paarbeziehung. Ein zunehmender gesellschaftlicher Hedonismus trug ebenfalls das Seine dazu bei, daß die Bundesrepublik im Ergebnis eine stark alternde Gesellschaft geworden ist, und aus dem bekannten demographischen Schaubild der Bevölkerungspyramide mit einem Übergewicht junger Menschen im unteren Drittel wurde zunehmend ein "Bevölkerungspilz", in dem sich die zahlreichsten Jahrgänge im oberen Drittel versammeln, also zu den älteren Menschen gehören.
    In den 60er Jahren war diese dramatische Entwicklung so noch nicht absehbar, vielmehr gab es eine vergleichsweise junge Bevölkerung. Dabei fiel auf, daß im Jahre 1968 bereits fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung nach 1950 sozialisiert wurde. Damit wurde der Orientierungsrahmen der jungen Bundesrepublik für einen immer größeren Teil der bundesdeutschen Gesellschaft zur Norm, und der Anteil älterer Jahrgänge, die ihre Sozialisation noch in der Gesellschaft des Deutschen Reiches erfahren hatte, nahm zunehmend ab. Ein Trend, der insbesondere für die weitere Entwicklung Westdeutschlands nach 1970 noch von größerer Bedeutung werden sollte.

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    Mittwoch, 18. August 2021, 20:52

    Im Freundeskreis in Hannover hatten wir eine Englaenderin, deren Mutter Contergan genommen hat. Sie war 3 oder 4 Jahre juenger als ich.
    Da habe ich Glueck gehabt, dass ich bereits 1955 geboren wurde.

    Auch mein Vater verliess ca. 1949 die Ex-DDR, da er wegen des Berufes seines Vaters (Apotheker) nicht in der Ex-DDR Medizin studieren durfte.

    Nach 2 oder 3 Jahren mit einem Sport Studium ging mein Vater nachts ueber die gruene Grenze, und studierte dann in Erlangen/Bayern Medizin.

    Dort lernte er an der Uni meine Mutter kennen, die 1945 mit ihren Eltern vor den Russen aus Polen nach Amberg in der Oberpfalz geflohen war. Der Vater meiner Mutter starb an den Strapazen der Flucht in Thueringen, noch ehe sie Amberg erreichen konnten.
    Meine Eltern heirateten Weihnachten 1954.

    Das stimmt, es war wirklich nicht einfach, in den 70er Jahren einen Ausbildungsplatz zu finden. Bei der Stadt Braunschweig (Beamtenausbildung) fanden sich 1975 insgesamt 500 junge Menschen zum Eignungstest ein, allerdings kann ich nicht sagen, wie viele davon angenommen wurden (ich war eine der Gluecklichen).

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    Mittwoch, 18. August 2021, 22:55

    Contergan

    Laut früherer Aussage meiner Mutter soll ich einer möglichen Contergan- Schädigung nur knapp entgangen sein. Sie hatte wohl Anfang 1957 auch mit dem Gedanken gespielt, das neueingeführte Mittel zu nehmen, es dann aber doch gelassen.

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    Montag, 23. August 2021, 20:43

    RE: Contergan

    Da hattest Du wirklich Glueck, Uwe.
    Als ich 1955 geboren wurde, gab es Contergan wohl noch nicht.

    In den darauffolgenden 10 Jahren hatte meine Mutter zig Fehlgeburten (damals war das Thema "Stammhalter" ja ein ungeheurer Erfolgsdruck fuer Frauen, vor allem die lieben Schwiegermutter konnten da ganz schoen nadeln), aber ob das an Contergan-Einnahme lag oder an anderen Dingen, konnte ich nie in Erfahrung bringen.
    Laut früherer Aussage meiner Mutter soll ich einer möglichen Contergan- Schädigung nur knapp entgangen sein. Sie hatte wohl Anfang 1957 auch mit dem Gedanken gespielt, das neueingeführte Mittel zu nehmen, es dann aber doch gelassen.